Auf dem deutschen Markt konnte sich der Jetta dagegen nie durchsetzen, daran änderten auch die zwischenzeitlichen Namensänderungen in „Vento“ (3. Generation, 1992-1998) und Bora (4. Generation, 1998-2005) nichts. Dabei ist die viertürige Stufenheck-Limousine von Volkswagen zwar ursprünglich für einen älteren, solventen Kundenkreis gedacht gewesen, ein „Rentner-Mobil“, wie böse Zungen behaupten, ist der Jetta aber dennoch nicht. Ab der 6. Generation, seit 2010 auf dem Markt, verfügt die klassische Limousine über eine vom Golf unabhängige und am Passat orientierte Optik. Gleichzeitig steht dem Jetta die VW-Motorenpalette zur Verfügung. Die 2,0-Liter-TSI- und -TDI-Motoren machen aus dem äußerlich betulich wirkenden Stufenheck-VW einen agilen Untersatz mit Fahrspaß. Darüber hinaus sprechen weitere rationale Gründe für den Jetta: Der Kofferraum ist für ein Fahrzeug der unteren Mittelklasse überaus groß und die Verarbeitung ist mehr als ordentlich. Gut für Gebrauchtwagenkäufer: Der Jetta wird weniger nachgefragt als der Golf, die Preise sind für ein VW-Modell entsprechend moderat.
Es ist eine Frage der Perspektive: Ist der VW Jetta eher der große Bruder des Golf? Oder der kleine des Passat? Wer im Jetta immer nur einen „Rucksack-Golf“ gesehen hat, wird dem Modell wenig abgewinnen können. Verglichen mit der Fließheckvariante ist er als Neuwagen teurer, gleichzeitig – so die wiederholt geäußerte Kritik – wurde bei Materialien, Verarbeitung und Ausstattung gespart.
Über fast 40 Jahre gelang es Volkswagen nie, dem Jetta in Deutschland ein positives Image zu verpassen. Er galt als bieder und profillos, daran änderten auch zwischenzeitliche Namensänderugen in „Bora“ und „Vento“ nichts. Seinen größten Verkaufserfolg feierte die Mittelklasse-Limousine in ihrem Debütjahr 1979 mit deutschlandweit immerhin rund 90.000 verkauften Einheiten. Danach erlahmte das Interesse der Käufer. 2014 lagen die Neu-Zulassungszahlen in Deutschland nur noch im dreistelligen Bereich. Mitte 2016 resignierte Volkswagen und stellte den Verkauf in Deutschland komplett ein.
Ganz anders ist die Wahnehmung des Jetta im Rest der Welt. In den USA und in China gehört der VW Jetta seit Jahren zu den meistverkauften VW-Modellen, noch weit vor dem Golf. Weltweit ein Exportschlager, in Deutschland ein Exot – haben die Deutschen dem Jetta unrecht getan?
Der Jetta: eine Frage der Perspektive
Auf den beiden großen Absatzmärkten USA und China sind Stufenheckmodelle traditionell beliebter als in Deutschland. Deshalb punktet der Jetta gegenüber dem Golf. Auch wird der Jetta außerhalb Deutschlands überwiegend positiv wahrgenommen. In den USA beispielsweise gilt er als kompakter Stadtflitzer, andernorts als der weniger kostspielige Bruder des Passat. Die 6. Jetta-Generation ab 2011 ist mit einer Länge von 4,65 Metern so groß wie ein Passat B5 (1996-2005), der Fahrgastraum bietet entsprechende Beinfreiheit, der Kofferraum erlaubt mehr als 500 Liter Zuladung. Dass der im mexikanischen VW-Werk Puebla hergestellte Jetta mit Hartplastikteilen im Fußraum und an den Türen wenig Wohlfühlatmosphäre ausstrahlt, stört die pragmatischen amerikanischen Kunden nicht. In China gilt der dort als „VW Sagitar“ vermarktete Jetta für die Mittelklasse als Einstieg in die begehrte VW-Autowelt.
Exot und Exportschlager
Die ersten beiden Jetta-Generationen zwischen 1979 und 1992 wurden noch als Zwei- und Viertürer angeboten, ab der 3. Generation stellte Volkswagen das Modell ausschließlich in der viertürigen Variante her. Seit 1998 (4. Generation) gab es für einige Märkte zusätzlich einen optisch und technisch an den Golf Variant angelehnten Jetta-Kombi. Ebenfalls seit der 4. Generation spendierte Volkswagen dem Jetta eine vom Golf zunehmend eigenständige Karosserie. Der Jetta VI ist in den Ausstattungslinien „Trendline“, „Comfortline“ und „Highline“ auf dem Markt, 2013 kam der „Jetta Hybrid“ hinzu, der zusätzlich zum 1,4-Liter-TSI-Motor über einen Elektromotor mit 27 PS verfügte. In der Fachpresse bekam das Konkurrenzprodukt zum Toyota Prius überwiegend gute Noten, allerdings schreckte der Einstiegspreis von knapp 32.000 Euro viele potentielle Kunden ab. 2014 wurde der Jetta im Rahmen einer Modellpflege noch einmal aufgewertet, neue Rückleuchten und eine neue Frontpartie schärfen das Profil, optional waren endlich auch Xenon-Scheinwerfer mit dynamischem Kurvenlicht im Programm.
Wie alle Jetta-Modelle greift auch die aktuelle Baureihe bei der Motorisierung auf den bekannten VW-Motorbaukasten zurück. Für den Jetta VI haben die Wolfsburger vier TSI-Benziner und zwei Dieselaggregate vorgesehen, die Leistungsspanne reicht von 105 bis 150 PS, bei Vorgängermodellen ging es auch mal bis zu 200 PS. Serienmäßig werden die Fahrzeuge mit einem 6-Gang-Schaltgetriebe ausgeliefert, gegen Aufpreis übernimmt auch beim Jetta eine DSG-Automatik den Gangwechsel. Stabile Motoren, ein komfortables Fahrwerk, viel Platz, und die Bedienelemente dort, wo man sie erwartet – rational betrachtet versammelt der Jetta viele Argumente auf seiner Habenseite.
Auf der anderen Seite hat Volkswagen bei diesem Modell allerdings stets darauf verzichtet, die allerneueste Technik einzubauen – die war regelmäßig dem großen Bruder Passat vorbehalten. Wer also beim Thema Konnektivität und Assistenzsysteme immer das Beste am Markt besitzen möchte, ist beim Jetta definitiv falsch. Wer dafür ein anspruchsloses, verlässliches und vielseitig einsetzbares Fahrzeug sucht, der sollte einen näheren Blick riskieren. Ab 2018 soll es eine siebte Generation des Jetta geben, dann auf Basis des Modularen Querbaukastens (MQB) von Volkswagen und mit optischen Anleihen beim Coupé VW Arteon. Im Visier haben die Wolfsburger Autobauer bei ihren Planungen vor allem erneut die nordamerikanischen Kunden. Deutschland spielt in den Überlegungen zum Jetta VII bislang keine Rolle. Auf deutschen Straßen wird der Jetta also wohl ein Exot bleiben.