Wenn das Wohnmobil zu schwer wird: Ratgeber
Bis 3,5 Tonnen dürfen die meisten Wohnmobile schwer sein. Doch die Grenze einzuhalten fällt nicht immer leicht. Ratgeber.
Es gibt zwei Arten von Wohnmobilisten: Solche, deren Gefährte maximal 7,5 Tonnen wiegen dürfen und solche, bei denen bereits bei 3,5 Tonnen Schluss ist. Grund dafür ist die Einführung des EU-Führerscheins 1999. Wer noch die alte Klasse 3 gemacht hat, darf Lkw mit bis zu 7,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht fahren. Wer den B-Führerschein hat, darf nur noch Camper und Wohnmobile bis zu 3,5 Tonnen steuern. Für mehr ist der Zusatzführerschein C1 notwendig.
Erstere müssen sich in der Regel wenig Sorgen um die Frage machen, was auf großer Reise alles an Bord darf. Letztere haben es schwer. Denn 3,5 Tonnen sind schneller erreicht, als viele denken. Oft wird die Gewichtsgrenze überschritten. Für die Gewichtsprobleme gibt es viele Gründe. Alles Wissenswerte dazu findest Du in unserem Ratgeber.
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Basisfahrzeuge werden immer schwerer, Der Komfortbedarf steigt
Technisch bedingt steigt das Gewicht der üblichen Basisfahrzeuge für Wohnmobile. Damit starten die Modelle quasi schon mit Übergewicht, bevor sie überhaupt zum Wohnmobil werden. Verantwortlich dafür sind beispielsweise die zunehmend aufwendiger werdenden Abgasreinigungen. Um den Stickoxidausstoß von Dieselmotoren zu senken, muss Harnstoff (AdBlue) eingespritzt werden, der in Zusatztanks mitgeführt wird.
Daneben steigen die Anforderungen an Sicherheit und Komfort. Neue Assistenzsysteme treiben mit ihren Sensorsystemen das Gewicht weiter, genau wie steifere Fahrzeugstrukturen. Wer sich Allradantrieb für mehr Autonomie wünscht und eine Luftfederung für mehr Komfort, bekommt die Quittung dafür nicht nur beim Preis, sondern auch auf der Waage.
Ein weiterer entscheidender Treiber sind die Ansprüche der Kunden. Eine Markise soll mit, Fernsehen mit Satelliten-Anlage, Klimaanlage, Zusatzbatterien für Unabhängigkeit von externen Stromnetzen, Solarzellen auf dem Dach. All diese Dinge erhöhen das Wohnwagengewicht und müssen zu den Leermasse-Angaben im Kfz-Schein addiert werden.
Der Rest an Zuladung bleibt für Klamotten, Küchen-Utensilien, Camping-Möbel und Sportgeräte. Außerdem natürlich für die Insassen. Wer statt gewöhnlicher Fahrräder E-Bikes mitnimmt, sieht das ebenfalls auf der Waage.
Einen quasi „versteckten“ Faktor stellt die Fertigungstoleranz dar, die den Herstellern in der EU zugestanden wird. Die im Fahrzeugschein eingetragene „Leermasse im fahrbereiten Zustand“ (inkl. 75 kg schwerem Fahrer und gefülltem Kraftstofftank) darf nämlich bereits um fünf Prozent von den Herstellern überschritten werden. Bei der Berechnung des maximal zulässigen Gesamtgewichts schlägt das jedoch voll durch.
So wird das zulässige Gesamtgewicht berechnet
Folgendes Beispiel zeigt, wie sich die mögliche Zuladung unter Einbeziehung der Toleranz ändert: Bei einem Wohnmobil mit einem angegebenen Leergewicht von 2,9 Tonnen, entsprechen fünf Prozent 145 kg. Eigentlich würde die maximal zulässige Zuladung bei 600 kg liegen. Da das Basisfahrzeug jedoch 145 kg schwerer ist als in den Papieren steht, bleiben nur 455 kg Zuladung.
Fahrer und Kraftstofftank sind zwar schon inkludiert, wie schnell man trotzdem an die Grenzen gerät, zeigt eine Erhebung des ADAC. Eine Markise wiegt beispielsweise rund 50 kg. Eine zusätzlich eingebaute Anhängerkupplung für den Fahrrad-Transport schlägt ebenfalls mit einem knappen Zentner zu Buche. Zwei E-Bikes kommen inklusive Träger auf etwa 80 kg. Zwei Gasflaschen (46 kg), Campingtisch und -stühle (23 kg), TV-SAT-Anlage (25 kg) und je nach Gusto einiges mehr. Dazu kommen die Insassen. Hier rechnet der ADAC mit 100 kg pro Person inklusive Gepäck, bei Kindern und Jugendlichen mit 75 kg.
Allein mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern, sowie zwei E-Bikes auf dem Fahrradträger an der Anhängekupplung wäre das Wohnmobil in unserem Beispiel also bereits überladen.
Familienautos sollten viel Platz bieten und Sicherheit für alle Insassen.
Bei diesen Campern droht Überladung
Die steigende Zahl an Neu-Wohnmobilisten verschlimmert das Überladungs-Problem laut Daniel Onggowinarso nicht unbedingt. Der Geschäftsführer des Caravaning Industrie Verbandes (CIVD) sagt, es handele sich dabei überwiegend um eine eher jüngere Klientel, die kompakte Camper bevorzugt und eher selektiv packt. Überladung spiele da kaum eine Rolle.
Eine vierköpfige Familie hingegen stößt deutlich eher auf Probleme. Geräumige Alkoven-Modelle oder teil- und voll-integrierte Modelle sind hier die Mobile der Wahl, sie werden oftmals als 3,5-Tonner angeboten und bieten genug Platz und Komfort für alle Passagiere. Nicht aber genug Zuladung. Bei einem Modell wie dem 6,90 Meter langen Malibu T430 etwa bleiben nur 350 kg Zuladung übrig. Mit Vier-Mann-Besatzung lässt sich so kaum ein Campingtrip gestalten. Modelle wie der Bürstner-Alkoven Lyseo Time hingegen oder der teilintegrierte Dethleffs Trend T7057 sowie der Integrierte Carthago c-compactline 138 lassen genug Spielraum.
Deshalb achten verantwortungsbewusste und erfahrene Wohnmobilisten genau auf ihre Ansprüche und suchen sich das Modell aus, das dazu passt.
Überladung gefährdet die Verkehrssicherheit
Mit der Überladung ändern sich die Fahreigenschaften eines Fahrzeugs zum Teil massiv. Das gefährdet die Verkehrssicherheit. So wächst der Bremsweg mit zunehmendem Fahrzeuggewicht, Lastwechselreaktionen bei Ausweichmanövern nehmen zu. In kritischen Situationen kann ein an sich gutmütiges Fahrzeug schwer kontrollierbar werden.
Belastbare Zahlen, wie groß die Gefahr ist, existieren jedoch nicht. Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), sagt: „Das liegt daran, dass die Fallzahlen von Unfällen mit Wohnmobilen extrem niedrig sind.“
Das zeigt auch ein Forschungsprojekt zu Wohnmobilunfällen, das vor fünf Jahren durchgeführt wurde. Demnach war der Anteil an Unfällen mit Personenschäden und Wohnmobil-Beteiligung verschwindend gering. Nur an 0,17 Prozent waren Wohnmobile beteiligt.
Die häufigste Unfallart waren indes Auffahrunfälle. Brockmann: „Da sind die kausalen Zusammenhänge aber sehr komplex. Mangelnde Erfahrung, Unterschätzung von Bremswegen und wahrscheinlich auch Überladung sind da als Ursachen zu nennen.“ Doch mangels solider Datengrundlage lassen sich hier keine belastbaren Aussagen treffen. Das bestätigt auch der Kfz-Versicherer HUK Coburg. Mangels Datenmaterial lasse sich die Frage einer eventuell bewerteten Mitschuld nicht pauschal beantworten, heißt es dazu aus der Pressestelle.
Im VW T6 California werden Küche, Bett und Wohnzimmer einfach mitgenommen.
Diese Strafen drohen bei Überladung
Völlig klar ist hingegen die Lage hinsichtlich drohender Bußgelder. Wer mit einem überladenen Reisemobil erwischt wird, muss zahlen. Vor allem zur Hauptreisezeit in den Sommermonaten wird auf den Reiserouten verstärkt kontrolliert. In Deutschland fallen die Bußgelder und Strafen jedoch relativ moderat aus. Liegt das Mobil um bis zu 10 Prozent über dem Limit, kostet das 30 Euro fällig. Wohl gemerkt: Wir reden hier bereits von einer Überladung um 350 Kilo. Erst bei mehr als 700 kg Mehrgewicht (über 20 Prozent) gibt es einen Punkt in Flensburg. Dazu fallen 95 Euro Strafe an. Ab 30 Prozent überm Limit sind es 235 Euro und ein Punkt.
Im Ausland verfährt man jedoch strenger. In Frankreich drohen beispielsweise bis zu 750 Euro Strafe. Schon bei mehr als 5 Prozent über dem zulässigen Gesamtgewicht wird die Weiterfahrt untersagt. In Italien kostet Übergewicht bis zu 1.700 Euro, in Österreich bis zu 5.000 Euro und Großbritannien sogar 6.000 Euro in der Spitze. Eine Toleranz wird nirgendwo gewährt.
Wie lässt sich Übergewicht vermeiden
Um die Gewichtsprobleme an der Wurzel zu packen, wird schon seit vielen Jahren diskutiert, schlicht die Gewichtsgrenze anzuheben. Dürften Inhaber des B-Führerschein statt 3,5 Tonnen bis zu 4,25 Tonnen bewegen, wäre viel geholfen. Die Fahrgestelle der gängigen Basis-Fahrzeuge würden das nach Expertenmeinung mit gängigen Aus- und Aufbauten der großen Hersteller ohne Probleme verkraften.
Bereits vor 15 Jahren bracht der CIVD einen entsprechenden Vorschlag bei der EU-Kommission vor. Seitdem passierte jedoch nichts. Jost Krüger, Technik-Experte im CIVD sowie Generalsekretär des europäischen Verbandes ECF, erwartet jedoch, dass sich noch in diesem Jahr etwas bei der EU bewegen könnte.
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Eine Alternative für ambitionierte Wohnmobilisten wäre der C1-Führerschein und eine Auflastung des Mobils auf 3,85 oder 4 Tonnen. Das kostet allerdings Zeit und um die 1.000 Euro für den Zusatzführerschein. Außerdem sind weitere Nachteile damit verbunden: Höhere Gebühren auf Mautstraßen, in den Alpenländern der umständliche Umgang mit Schwerverkehrspapieren sowie in Österreich mit der Go-Box, Fahrverbote in Innenstädten, höhere Tarife auf Fähren, Tempo 100 auf Autobahnen und das Einhalten der Lkw-Überholverbote.
Einfachste Lösung einstweilen: Das reisefertige Wohnmobil wiegen. Gemeinden, Sachverständigen-Organisationen oder auch der ADAC bieten die Möglichkeit zum Wiegen an verschiedenen Standorten an. Stellt sich dann heraus, dass das Mobil zu schwer ist, muss eben ausgepackt werden. Vielleicht nicht die schlechteste Lösung. Manches Abenteuer lässt sich schließlich am besten erleben, wenn man sich auf das Nötigste beschränkt.
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