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Walter Röhrl mit dem Porsche GT4 Clubsport
Quelle: Porsche
Rallye-Legende Walter Röhrl mit dem Porsche GT4 Clubsport: Auch mit fast 73 Jahren lässt Röhrl keine Zweifel daran, dass er das Auto kontrolliert und nicht das Auto ihn

Haltung bedeutet im Motorsport oft: Die richtige Position hinter dem Lenkrad. Bei Walter Röhrl bedeutet es, zu den eigenen Prinzipien zu stehen. Bald stellt Porsche einen besonders starken 911 vor, zum ersten Test in Laguna Seca im US-Bundesstaat Kalifornien. Röhrl ist oft bei solchen Präsentationen dabei, dieses Mal nicht. Weil er nicht in die USA reisen möchte. Nicht, solange Donald Trump Präsident ist. 

Röhrl zeigt sein Leben lang Haltung. Egal, wer ihm widerspricht. Als 1986 während der Rallye-WM in Portugal drei Menschen sterben, entscheidet sich Röhrl als einer der ersten für den Ausstieg. Heute kann er sich nicht mehr vorstellen, zwischen Menschen hindurchzurasen, die erst im letzten Moment zur Seite springen. Das sei „völlig bescheuert“ gewesen, resümiert er 34 Jahre später. 

Früher gehörte er zu den Waghalsigsten. Heute ist das anders. Rallyefahrer Röhrl ist umsichtig, gesetzt und ruhig. Und Tierfreund ist er, stolz, wenn sich eine fremde Katze auf seinen Schoß setzt, schnurrt und sich streicheln lässt. Den Motorsport mag er trotzdem noch. Auch jetzt, während er im portugiesischen Estoril in einen Porsche Cayman GT4 Clubsport steigt. 

Gruppe mit Walter Röhrl
Quelle: Porsche
Der Autor (l.) mit Walter Röhrl (m.): Plug-in-Hybride und Elektroautos müsste der Porsche-Markenbotschafter eigentlich gut finden. Tut er aber nicht

Walter Röhrl im Porsche Cayman GT4 Clubsport 

Röhrls Hände liegen mit der Erfahrung von Millionen Kilometern auf dem Lenkrad. Der rechte Daumen im Kranz, der linke darauf. Mit sanfter Berührung, aber unendlicher Macht. Walter Röhrl steuert dieses Auto, nicht umgekehrt. Kontrolle war immer sein Ding. Auch wenn es um den Verlust der Kontrolle ging. 

Wie Röhrl in den Cayman steigt, sich den Helm aufsetzt und das Auto ertastet – das sieht nach jemandem aus, der Motorsport seit mehr als 50 Jahren kann. Aber nicht nach einem Mann, der bald 73 Jahre alt wird. Nur die Falten an den Händen stehen im Kontrast zum modernen Lenkrad mit dem Display dahinter. Erfahrung gegen Computer, möchte man denken. Und dann, dass Röhrl kein Auto braucht, das ihm sagt, was los ist. Das weiß er schon noch selbst. 

Der Lange – so nennt man Röhrl zurecht, der Mann misst 1,96 Meter – wärmt sich auf. Zwei, drei Runden Estoril, allein am Steuer, mit Feuer über die Start-Ziel. Als er zurückkommt und Beifahrer einlädt, beginnt der zweite Teil seines Handwerks. Menschen zeigen, wie es richtig geht. Was ein Auto kann, was sie gern könnten. Geduldig schaut er durch das Trenn-Netz über der Mittelkonsole zu, wie sich der Beifahrer durch den Überrollkäfig fädelt. Sich am Chassis festzurrt und die leichte Tür zuzieht. Der Motor drängelt im Leerlauf. 

Neben Röhrl gibt es keine Angst im Rennwagen 

Dann geht es los. Mit 30 km/h, aber hoher Drehzahl durch die Boxengasse. Sofort voll auf die Strecke. Röhrl findet die Ideallinie, rastet mit den Slicks auf ihr ein und verlässt sie bis zum Schluss nicht. Er fährt scharf, aber ruhig. Wo andere Fahrer hektisch den Lenkwinkel anpassen und wild am Volant zerren, bewegt er seine Hände sanft und zielsicher. Den korrekten Radius findet er unmittelbar. Den Scheitelpunkt sowieso. 

Porsche Cayman GT4 bei Testfahrten mit Walter Röhrl
Quelle: Porsche
Im Motorsport hat Walter Röhrl alles gewonnen, was ein Mann gewinnen kann - nicht nur an Titeln, auch an Respekt. Heute arbeitet er als Markenbotschafter für die Sportwagenmarke Porsche

Röhrl spricht nicht während der Fahrt – vermutlich. Im Auto ist es so laut, dass selbst das fröhliche Lachen des Beifahrers im Krach des Antriebs zerschellt. Der Profi wirkt konzentriert, obwohl er diese Fahrt schon tausendmal absolviert hat. Bloß keine Nachlässigkeit. Er beschleunigt und bremst hart. Die Renngurte drücken auf Schultern und Brust, der enge Schalensitz fixiert das Becken.  

Angst braucht man neben Röhrl nicht haben. Egal ob 300 oder 900 PS, ob erste oder zehnte Fahrt. Seine Aura beruhigt. Je schneller er fährt, desto stabiler wirkt er. Je härter der Gurt ins Fleisch schneidet, desto sicherer ist man sich, dass Strecke und Tempo zueinander passen. Röhrl könnte noch viel schneller, das ist klar. Gleichmäßigkeit zählt, Konstanz und Materialschutz. Zu hoch möchte er Motoren nicht drehen, hat er mal gesagt. Mehr als 8.000 Touren machen ihm ein schlechtes Gewissen.  

Einmal verschätzt sich Röhrl. Er fährt einen Hauch zu flott in die Kurve, der Cayman schiebt über das rechte Vorderrad. Kurz das Lenkrad öffnen, am Gas stagnieren, dann ist er zurück auf der perfekten Linie. Der GT4-Renner sprintet weiter, als wäre nichts gewesen. Einen zweiten Schlenker erlaubt sich Röhrl, der Perfektionist, nicht. Eine Pause auch nicht. Nach drei Runden zurück in die Box, schnell, schnell ein Erinnerungsfoto. Beifahrer raus, Beifahrer rein, weiter. Für ein „Danke“ ist jetzt keine Zeit. 

Röhrl erinnert sich an die Gruppe-B-Zeit 

Erst später mag er plaudern. Sichtbar entspannt lehnt er an einem Boxster GTS 4.0. Seinen Helm hat er noch dabei. Auf der rechten Seite sind sieben Zeilen aus dem Gebetsbuch zu lesen – jenem Buch mit Fahrhinweisen, die ihm sein Beifahrer Christian Geistdörfer damals während der Gruppe-B-Rallyes zuschrie. „100 links voll, 200 voll über Kuppe, 30 links 3“ und so fort. Die Störgeräusche im Funk liest man mit. Der Rest des Helmes ist mit Aufklebern verziert. Als hätte ein junger Röhrl-Fan den Kopfschutz entworfen. 

Helm der Rallye-Legende Walter Röhrl
Quelle: Porsche
Sieben Zeilen aus dem Gebetsbuch auf dem Helm: So nennt Röhrl das Buch mit Fahrhinweisen, die ihm sein Beifahrer Christian Geistdörfer während der Gruppe-B-Rallyes zurief

Die Gruppe B lässt Röhrl nicht los. Weil seine Fans immer noch am liebsten darüber reden. Und weil er kaum fassen kann, wie er damals fuhr. Vorbei an Zuschauern, die ohne Schutz direkt an der Piste stehen. Er ist sichtbar froh, dass er nie jemanden verletzt hat. Als es andere taten, schmiss er als einer der ersten hin. „Damals war ich der Buhmann“, erinnert er sich. Aber es musste sein. Die Veranstalter handelten verantwortungslos, findet er. 

Heute könne er sich gar nicht mehr vorstellen, Menschen derart in Gefahr zu bringen. Wenn er ein Tier überfahren würde, könne er sich das nie verzeihen, sagt er. Und gleich hinterher, wie sehr er seinen Kater Maxi liebt. „Der mag mich nicht, weil ich Meister war, sondern weil ich ich bin“, erklärt er. Ehrlichkeit. Noch so eine Eigenschaft, die Röhrl ausmacht.  

Röhrl-Zitate: Oft fehlt der Zusammenhang 

Seine ehrliche Meinung hat Röhrl oft gesagt. Ganz oft zitierwürdig. Seine Sprüche sind legendär. Sie handeln von Garagen ohne Porsches, Fliegen auf Seitenscheiben und Kleinstwagen, die bessere Gehhilfen sind und deshalb am Ortsschild abgestellt gehören. Wenn man ihn darauf anspricht, schmunzelt er.  

Vieles reiße man aus dem Zusammenhang, findet Röhrl. Besonders den Spruch mit den Menschen und den Autos. „Autos darf man nicht wie menschliche Wesen behandeln. Autos brauchen Liebe“, gab er in den 1970er Jahren zu Protokoll. „Das waren andere Zeiten. Damals musste man noch gut auf sein Auto aufpassen“, stellt er den Zusammenhang her. 

Röhrl fühlt eine Verbundenheit zum Auto, die nur andere Blechstreichler verstehen. „Wenn ich durch ein Schlagloch fahr‘, tut mir das weh“, sagt er. „Und damals hat mein Teamkollege dann gefragt: Wo tut Dir das weh? Der hat mich nicht verstanden. Da hab‘ ich das erklärt, dass mir die Autos leid tun.“ 

Dass die besseren Fahrer die Fliegen auf den Seitenscheiben haben, möchte er eigentlich revidieren. In den Anfangszeiten mit Hinterradantrieb ging es eben nur quer. Später, mit Allrad, sei er immer die sauberste Linie gefahren. Unglaublich, wie bescheiden dieser stolze Moment heute klingt. 

2 Leute im Rennauto
Quelle: Porsche
Der Autor im Auto mit Rallye-Legende Walter Röhrl

Der ehrlichste Mann der Branche 

Nach wenigen Minuten mit Röhrl weiß man: Er ist viel mehr als die Summe seiner Erfolge. Er ist der wohl ehrlichste Mann der Autobranche. Meist höflich und beherrscht, immer direkt und prinzipientreu. Wenn ihm etwas nicht passt, sagt er das. Auch wenn das seinen Arbeitgeber ärgert. Plug-in-Hybride mag er nicht, weil die so schwer sind. Elektroautos ebenfalls nicht, weil die nur innerorts Sinn ergeben. Beides müsste er als Porsche-Markenbotschafter eigentlich gut finden. Tut er nur nicht. 

Die Diskussion darüber beendet er auf Walter-Röhrl-Art: „Man braucht kein Elektroauto in der Stadt. In der Stadt fährt man Fahrrad.“ Basta, Röhrl hat gesprochen. Und wechselt nun das Thema: Bald ist sein neues Auto fertig. Ein 1971er Porsche 911 ST – eine Garage ohne einen Elfer wäre ja nur ein ödes, leeres Loch.  

Von den Luftgekühlten hat er schon einen aus jeder Baureihe. Dieser hier ist aber etwas Besonderes. Er wiegt nur 945 Kilogramm, hat aber die breiten Kotflügel dran, unter die die 215er Reifen passen. Ganz offensichtlich ist es kein Hybrid. „Der wird perfekt“, freut sich Röhrl. Und er lächelt dabei wie ein Mann, der wirklich zufrieden ist. Etwas, das wohl nur mit der Erfahrung von Millionen Kilometern möglich ist. 

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