Übernachten im VW California Bus
Camping als Wissenschaft: Der VW California auf T6-Basis ist praktisch wie ein Taschenmesser – wenn man weiß, was man tun muss. Der Camper im Test.
Für heute sind wir angekommen. Unser Ziel liegt eigentlich ein paar Kilometer weiter, oben auf dem Berg. Aber die Straßenreifen finden auf dem glatten Hang keinen Halt. Allradantrieb wäre jetzt toll, den gibt es bei den großen Motoren optional. Für unseren Bulli heißt es vorerst: Ende im Gelände.
Es ist ja auch eher symbolisch gemeint, wenn man sagt: Fahr, wohin Du willst. Gemeint ist: Schlaf dort, wo Dein Auto Dich hinbringt. Heute ist es nicht ganz der Gipfel. Dafür haben wir alles dabei, was wir brauchen. Betten, ein Wohnzimmer, eine Küche, verpackt in einem Auto. Das Konzept des Camping-Bulli hat sich seit den ersten Westfalia-Umbauten auf Basis des T2 nicht geändert. Im California entsteht mit wenigen Handgriffen ein Schlafplatz, ein Zelt unter dem Autodach.
Die Romantik aus der Hippiezeit ist geblieben, aber das Format ist neu. Der California ist keine einfache Kabine mit Kochnische. Er ist ein digitaler Alleskönner. Teuer, lifestylig und so praktisch wie eine ganze Kiste Schweizer Taschenmesser. Mit einer Außendusche, Safe, Tischen und Stühlen, Lattenrost und einer Standheizung. Ein Abenteuer ohne Rückenschmerzen und Risiko.
Wie kompliziertes 3D-Tetris
VW denkt deshalb nicht an die Wildnis, sondern eher an den Strand. Die Basis des California heißt „Beach“ und hat keine Küchenzeile und keinen Kleiderschrank an Bord, aber Campingstühle. Als „Coast“ wird er zum vollwertigen Camper, „Ocean“ kommt mit elektrischem Dach und Standheizung.
Wir campen nicht am Wasser, aber es ist nass. Auf einer schlammigen Wiese lernen wir, wie man den California auf die Nacht vorbereitet. Das sollte man lieber vorher verinnerlichen und am besten blind beherrschen. Denn es erfordert Taktik, Gefühl und Verständnis für die Funktionen.
Das Dachzelt lässt sich zum Beispiel nur bei offenem Fenster einklappen. Das wiederum öffnet nur, wenn die Herdabdeckung geschlossen ist. Bei geöffneter Schiebetür kommt man nicht an den Campingtisch. Und irgendwie muss die Arretierung des Frontrollos am Innenspiegel vorbei. Gar nicht so leicht beim ersten Versuch im Dunkeln.
Ähnliches gilt für den Aufbau des Betts. Dafür müssen wir erst die Kopfstützen umklappen, dann muss man die Sitzbank ganz nach vorn fahren – das hakelt ein bisschen. Danach die Lehne herunterklappen und die Matratze entfalten. Wenn man weiß, wie es geht, geht es ganz einfach.
Die California-Bedienung ändert sich nicht
Besitzer alter California-Modelle wissen das. VW sorgt dafür, dass sie es in einem neuen Auto nicht ein zweites Mal lernen müssen. An der Bedienung ändert sich nichts Grundlegendes, aber manche Details sind jetzt praktischer. Bisher musste man zum Beispiel den Baumwollstoff des Dachzeltes imprägnieren. Im neuen Modell besteht der aus einem Kunststoffgewebe, das kein Wasser aufsaugt.
LED-Lampen ersetzen die alten Halogen-Leuchtmittel, in der Küche gleiten Schubladen sanft gebremst in ihre Fächer. Das Zusammenspiel aller Funktionen wirkt perfekt ausgeklügelt und mit viel Aufwand entwickelt. Das lässt sich VW Nutzfahrzeuge allerdings teuer bezahlen. Ein Beispiel: Die Kombination aus Taschenlampe und Nachtlicht. Sie haftet magnetisch an der Karosserie und lässt sich an ihrem Stammplatz aufladen. VWN verlangt für sie 75 Euro Aufpreis.
Manches im California wirkt unnötig komplex, lässt sich aber kaum verbessern. Die Art, wie der Campingtisch in der Schiebetür einrastet, wie die Stühle in die Heckklappe passen, wie alles ineinander greift. Eigentlich geht es beim Camping ja ums Improvisieren, um Rucksack, Zelt, Ungewissheit. Der California macht daraus eine Wissenschaft. Zugegeben: Eine sehr bequeme.
Schwerfälliger als ein normaler T6
Was VW zum Generationswechsel im Bulli anbietet, gibt es auch im California. Assistenten, Vernetzung und das große Infotainment-Kino lässt sich VW extra bezahlen. Klima und Radio gibt es serienmäßig, dazu die Serienausstattung der verschiedenen Varianten.
Dass der California mehr Gepäck dabei hat, spürt man deutlich im Vergleich zum einfachen T6. Am Berg muss sich der Motor mehr Mühe geben, ums Eck geht es schwerfälliger. Aber er ist so komfortabel, wie man es sich erhofft, inklusive leichter Abzüge für die robuste Hinterachsfederung. Wenn nicht gerade der Basismotor (84 PS) im Auto steckt, rollt er außerdem bequem im Pkw-Verkehr mit.
Der Stärkste muss es allerdings auch nicht sein. Nur wenige Camper kauften den Benziner mit 204 PS und Doppelkupplungsgetriebe - er lief bereits aus. An die kleinen Diesel mit 84 oder 102 PS flanscht VW Fünfgang-Schaltgetriebe, an die großen (150 und 204, später 199 PS) manuelle Sechsganggetriebe oder ein Siebengang-DSG.
Die Konkurrenz: Umrüster und Mercedes
Die Konkurrenz zum California war viele Jahre lang überschaubar. Mittlerweile kommt Bewegung ins Feld. Spezialisten bauen Transporter anderer Hersteller um, die günstige Alternativen zum VW Bus darstellen. Mercedes bietet mit dem Marco Polo einen direkten Konkurrenten an, gebaut in Kooperation mit Westfalia. Im Wettbewerb zählen praktische Lösungen und hübsche Details.
Eine Herausforderung für die Entwickler. Mercedes und VW unterscheiden sich vor allem mit den Schwerpunkten: Der California wirkt bodenständiger, der Marco Polo eleganter. Preislich sind sie nah beieinander.
Nach unserer Nacht auf der matschigen Wiese sehnten wir uns jedenfalls nicht nach Ledersitzen. Aber wir fragten uns, warum es den California mit einer hellen Innenausstattung gibt. Vielleicht findet VW für den Matsch bald eine gute Lösung. Das California Facelift startet noch 2019.
VW T6 California (2015 - 2019): Technische Daten
Modell | VW California Coast |
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Motor | 2,0-l-Vierzylinder-Diesel |
Getriebe | Fünfgang-Schaltgetriebe |
Leistung | 102 PS (75 kW) bei 3.000 - 3.750 U/min |
Drehmoment | 250 Nm bei 1.500 - 2.750 U/min 0-100 km/h: 19,4 s |
Höchstgeschwindigkeit | 154 km/h |
Verbrauch | 6,4 l/100 km (NEFZ) |
CO2 | 168 g/km |
Länge | 4.904 mm |
Breite | 1.904 mm |
Höhe | 1.990 mm |
Leergewicht | 2.413 kg |
Zuladung | 587 kg |
Anhängelast | 2.200 kg |
Preis | 50.450,05 Euro (2015); 52.806,25 (2019) |