VW Corrado und Scirocco: Die Wolfsburger Spaßgesellschaft
Innen Golf, außen Sportwagen: Mit Scirocco und Corrado baut VW einst flotte Coupés für jedermann. Spitzenmodelle wie G60 oder VR6 haben es bis heute in sich.
Eigentlich soll Volkswagens neuer Sportwagen Hurrikan oder Taifun heißen. Doch dann entscheidet man sich in Wolfsburg für einen etwas weniger martialischen Namen: Corrado. Die Marschrichtung ist trotzdem klar: Ein Sportcoupé für die breite Masse soll der schnittige 2+2-Sitzer sein. Unprätentiös, erschwinglich, aber trotzdem schnell.
Schnell ist der Corrado seinerzeit ohne Frage: Schon mit dem Zweiliter-Sauger und 115 PS sind bis zu 200 km/h drin. Vor 30 Jahren ist das für die meisten Autos noch eine magische Grenze. Der 2.0 kommt aber erst 1993. Zur Markteinführung des Corrado im Jahr 1988 gibt es bloß einen 1.8-Liter-Motor. Der hat es in sich: G60 heißt die Innovation. Ein G-Lader verdichtet die angesaugte Luft. In seiner Funktionsweise ähnelt er einem Kompressor. So will VW aus relativ wenig Hubraum viel Leistung herauskitzeln.
Der G-Lader im VW Corrado
An dem G-Lader, der seinerzeit auch im Polo und im Passat zum Einsatz kommt, hat VW lange getüftelt. Beim Corrado sind 160 PS aus 1,8 Litern Hubraum das Ergebnis. Die erlauben dem VW-Coupé für seine Klasse durchaus beeindruckende Beschleunigungswerte. In rund 8,5 Sekunden rennt der Corrado von null auf hundert. Die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 225 km/h.
Damit kann der VW Corrado G60 im Wettrennen gegen Ford Probe, Opel Calibra oder Honda CRX gut mithalten. Sportcoupés auf Basis von Großserientechnik sind damals beliebt. Der Calibra etwa teilt sich die Plattform mit dem Vectra, der VW Corrado basiert auf dem Volumenmodell Golf.
Rund 97.000 Exemplare wurden gefertigt. Vom Band rollte der VW Corrado im Karmann-Werk in Osnabrück.
Technische Basis ist der VW Golf
Das Prinzip Sportcoupé mit Großserientechnik ist bei VW älter als der Corrado. Der erste Scirocco läutet 1974 eine neue Ära ein: Der luftgekühlte, heckangetriebene Käfer und sein sportliches Pendant Karmann Ghia sind endlich Geschichte. Beim Scirocco setzen die Ingenieure nun wie bei Passat und Golf auf Frontantrieb und wassergekühlte Quermotoren. Der von Designer Giorgio Giugiaro entworfene 2+2-Sitzer kommt bestens an und wird schnell eines der beliebtesten Sportcoupés in Deutschland. Niemand sieht dem feschen Keil an, dass er vom biederen Golf I abstammt.
Mit nur 800 Kilogramm Leergewicht ist der Scirocco flink. Zumindest dann, wenn er mit dem 1,6-Liter-Motor und 85 PS bestellt wird. Das Spitzenmodell GTI leistet sogar 110 PS und ermöglicht 185 km/h Spitze. Mancher genügsame Coupé-Fan begnügt sich aber auch mit dem Scirocco 1,1 (50 PS) oder 1,5 (70 PS).
Original gebliebene Autos sind rar
In zweiter und dritter Hand beginnt dann das Tuning, weil draufgängerischen Jungspunden die Autos ab Werk nicht genügen. BBS-Felgen, Momo-Sportlenkrad, härteres und tieferes Fahrwerk: Viele Scirocco werden nachträglich aufgemotzt. Original gebliebene Exemplare in gutem Zustand zu finden, ist daher heute schwer.
Das liegt auch am Rost, der einen großen Teil des Bestands der ersten Scirocco-Generation wegknuspert. Wie der Golf I weist der Scirocco etliche problematische Stellen auf. Etwa Kotflügel, Schweller oder Türunterkanten. Mit dem Scirocco II, der 1981 folgt, wird der Korrosionsschutz deutlich besser – obwohl die Basis weiter der 1er-Golf ist.
Der Innenraum kommt beim Scirocco II komplett neu, die Karosserielinien werden etwas weicher. Zunächst ergänzt das Sondermodell GTS mit 112 PS die Motorenpalette. 1985 folgt der Scirocco 16V mit Vierventil-Motor und für damalige Verhältnisse üppigen 139 PS.
Er ist heute begehrt. Das Gleiche gilt für Sondereditionen wie Tropic mit Spoilern, Sportsitzen und Metallic-Lackierung oder für das ganz in Weiß gehaltene Sondermodell White Cat.
Ob Scirocco I oder II: Wer damals so ein Sportcoupé besitzt, gewinnt auf dem Parkplatz vor der Disco oder vor der Eisdiele viele neue Freunde. Nur driften kann der VW mit seinem Frontantrieb nicht. Das müssen Scirocco-Fahrer den hinterradangetriebenen Manta- und Capri-Fahrern überlassen.
Corrado löst den Scirocco ab
1988 kommt der Corrado, den VW ursprünglich als Scirocco III plant. Doch weil er ein komplett neues Auto auf moderner Basis mit vielen neuen Technologien ist, siedelt ihn VW eine Klasse höher an. Der Scirocco II bleibt parallel noch bis 1992 im Programm. Der Corrado ist aber zweifellos das bessere und modernere Auto.
So ist sein Heckspoiler, der ab 120 km/h automatisch ausfährt, ein technisches Highlight. Auch die Aerodynamik ist trotz des bulligen Designs hervorragend, mit einem cw-Wert von 0,32 ist der Corrado windschlüpfiger als ein Porsche 924. Dazu kommen im Vergleich zum Scirocco mehr Platz im Innenraum, ein vergrößerter Radstand sowie eine umfangreiche Serienausstattung mit Servolenkung, ABS, höhenverstellbaren Sportsitzen sowie Wärmeschutzverglasung rundum.
G-Lader beschleunigt ohne Turbo-Loch
Und: Dank des starken G60-Motors ist Tuning eigentlich nicht mehr nötig. 160 PS gibt es schon ab Werk. Turbomotoren stehen damals nicht zur Debatte. Zwar gibt es die Technik bei Audi, dort aber nur für den Längseinbau – die Antriebe sind nicht mit der Plattform des Corrado kombinierbar. Die Wolfsburger halten an ihrem exotischen G-Lader fest. Der Vorteil: Anders als beim Turbo gibt es beim G60 die Leistung verzögerungsfrei und bereits bei niedrigen Drehzahlen. VW schreibt allerdings keine Wartungen am Lader vor, obwohl die für ein langes Laderleben wichtig wären. Viele Exemplare verschleißen und verursachen einen schlechten Ruf.
Jung, ja beinahe taufrisch geblieben ist ein Corrado G60, den ein Privatmann aus Rheinland-Pfalz bei mobile.de anbietet. Das rote Sportcoupé hat laut Anzeige erst 50.000 Kilometer gelaufen und ist bis auf die nachgerüsteten BBS-Felgen im Originalzustand. Der Besitzer ist ein Kfz-Meister und hat den Wagen nach eigenen Angaben stets sorgfältig gewartet. Bremsen, Stoßdämpfer und Querlenker seien neu, die Karosse sei hohlraumversiegelt und rostfrei, verspricht er.
Mit einem H-Kennzeichen ist sein Corrado G60, der im Mai 1989 erstzugelassen wurde, bereits geadelt. Verkauft wird er, weil der Kfz-Meister seine Fahrzeug-Sammlung verkleinern möchte. Seine Preisvorstellung liegt bei 16.900 Euro.
Für einen gepflegten und vor allem unverbastelten G60 kann das ein durchaus angemessener Preis sein. Zwar gibt es auch deutlich günstigere Scirocco und Corrado auf dem Markt. Doch manch scheinbares Schnäppchen entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Bastelbude. Fehlende Originalität ist die große Schwachstelle bei Scirocco und Corrado.
Die Technik hingegen ist solide. Gängige Verschleißteile gibt es noch in Hülle und Fülle, hier zahlt sich die Verwandtschaft zum VW Golf I beziehungsweise Golf II aus. Schwieriger wird es hingegen bei Interieur- und Blechkomponenten.
Der erste Scirocco kam 1974 auf den Markt. 2013 feiert Volkswagen Jubiläum: Eine Million Scirocco.
1991 kommt der Corrado VR6
Große Bedeutung hat für Corrado-Fans die Modellpflege im Jahr 1991. Damals werden ein neues 16V- sowie ein Sechszylinder-Aggregat vorgestellt. Der „Sechzehnvau“ stammt aus dem Golf 3 GTI und leistet 136 PS. Der 2,9 Liter große VR6 bietet 190 PS und ist fortan das Spitzenmodell in der Corrado-Familie. Der Motor stammt in der Basis aus dem Passat. Damit er im Corrado funktioniert, entwerfen die VW-Konstrukteure eine neue Motorhaube und bauen stärkere Achsen ein.
Man erkennt den Sechszylinder an den fünf Bolzen pro Rad – kleinere Modelle fahren mit einer Vierlochanbindung. Der Corrado VR6 ist zwar schwerer als der G60, nimmt seinem Vierzylinder-Bruder von 0 auf 100 km/h aber gut anderthalb Sekunden ab. Auch beim Top-Speed liegt er mit gut 235 km/h vorn.
Fazit
Eine pauschale Kaufempfehlung fällt schwer, beide Top-Versionen haben ihren Reiz: Der VR6 ist eher der souveräne Cruiser, ein Gran Turismo im Volkswagen-Kleid. Der G60 gilt als etwas spritziger, zudem ist der Motor ohne Turbo-Loch ein technischer Leckerbissen. Erst 2008 erinnert sich VW an die guten, alten Sportcoupé-Zeiten und bringt einen modernen Nachfolger des Corrado auf den Markt. Sein Name: Scirocco.
Technische Daten VW Corrado 1.8 G60 (1988 bis 1993)
Modell | VW Corrado 1.8 G60 |
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Motor | Vierzylinder-Benziner |
Hubraum | 1.781 cm³ |
Leistung | 160 PS (118 kW) |
Drehmoment | 225 Nm bei 3.800 U/min |
Getriebe | Fünfgang-Schaltgetriebe |
0-100 km/h | 8,5 s |
Geschwindigkeit | 225 km/h |
Verbrauch | ca. 10,5 l/100 km |
Leergewicht | 1.115 kg |
Länge | 4.048 mm |
Breite | 1.674 mm |
Höhe | 1.318 mm |
Radstand | 2.470 mm |