VW ID.3 2020: Test, Preise, Reichweite
Der ID.3 muss erfolgreich werden. Das wichtigste VW-Modell der Gegenwart soll E-Mobilität in die Breite tragen. Den Golf ersetzt er dabei nicht. Erster Test.
Der ID.3 ist das erste Elektroauto von VW, das als solches entwickelt wurde. Er startet mit Verspätung und Einschränkungen, aber jetzt kommt er endlich. Ab 2020 wird der elektrische Volkswagen ausgeliefert, zunächst nur an die Vorreservierer und nur in der First Edition mit mittlerem Akku (420 km Reichweite) und großem Motor (150 kW). Der Basispreis soll langfristig bei rund 30.000 Euro liegen.
Wenn es um ihr neues Elektroauto geht, plaudern die VW-Chefs leidenschaftlich. Der ID.3 wurde 2016 angekündigt, 2019 auf der IAA vorgestellt. Jetzt, kurz vor den ersten Auslieferungen, scheint die Anspannung von den wichtigen Managern des Konzerns abzufallen.
Der Kompaktwagen ist längst nicht das erste Elektroauto auf dem Markt, nicht einmal das erste von VW. Andere Hersteller sind innovativer und schneller. E-Golf und E-Up gibt es seit Jahren – im Moment jedoch mit Lieferzeiten von mehr als sechs Monaten. Der VW ID.3 soll bald in großer Zahl für einen günstigen Preis von zumindest temporär rund 26.000 Euro verfügbar sein.
Der VW ID.3 in aller Kürze
- Elektroauto in der Kompaktklasse
- Vier Türen, fünf Sitzplätze, 385 Liter Kofferraumvolumen
- Drei Akkugrößen, vorerst zwei Leistungsklassen
- Bis zu 550 Kilometer Reichweite
- Basispreis: ca. 30.000 Euro (langfristig), 35.574,95 Euro (Juli 2020)
- Marktstart des ID.3 im September 2020
Golf-Größe und Passat-Beinfreiheit im VW ID.3
Der ID.3 ist ungefähr so lang und breit wie der Golf. Die Autos unterscheiden sich vor allem mit ihrer Antriebsform. Während der Golf zum E-Golf umgebaut wurde, ist der ID.3 von vornherein als Elektroauto konzipiert. Umso wichtiger ist es für VW, beide Modelle voneinander abzugrenzen. Das Elektroauto bekommt keine modifizierte Version des üblichen Marken-Innenraums, sondern ein eigenes Konzept. Luftig und geräumig fühlt sich das an: Ohne Mitteltunnel im Chassis bleibt Platz für Ablagen und Füße. Die Mittelkonsole baut flach und verstaut Getränke, Smartphones und jede Menge Krimskrams.
Weil vorn kein Verbrenner Platz beansprucht (mit 2.500 Komponenten umfasst ein Verbrenner etwa zehnmal so viele Teile wie ein E-Motor), lässt die Plattform des ID.3 viel mehr Gestaltungsraum zu. Die Überhänge sind kurz, der Radstand lang. 2,77 Meter liegen zwischen den Achsen, fast so viel wie beim Passat. Das ermöglicht einen besseren Fahrkomfort und mehr Platz auf der Rückbank. VW sagt, das Platzangebot sei in etwa wie beim Passat. Das stimmt zum Teil: Im Fond haben die Mitfahrer sehr viel Beinfreiheit. Nur am Kopf wird es in Reihe zwei eng. Schuld sind das Akkupaket im Fahrzeugboden und die abfallende Dachlinie.
Man merkt dem ID.3 auch an anderer Stelle an, dass er auf einer neuen Plattform basiert. Das räumliche Dreieck aus Sitzfläche, Pedalen und Lenkrad entspricht nicht ganz dem, was wir von Golf oder Polo gewohnt sind. Der Sitz muss ein paar Zentimeter weiter nach hinten als üblich, damit der Sitzwinkel im Knie stimmt. Die Position ist ungewohnt, aber dennoch bequem. Das Lenkrad lässt sich weit in den Innenraum ziehen.
Das erste als Stromer entwickelte Elektroauto von VW kommt jetzt zum Händler.
VW ID.3: Futuristischer Innenraum mit viel Touch und Kunststoff
Den digitalen Tacho des ID.3 fixiert VW an der Lenksäule. Er bewegt sich beim Verstellen des Volants mit. Damit liegt er gut im Sichtfeld. VW reduziert die Anzeige im Display auf Geschwindigkeit, Reichweite, Assistenz und Navigation. Bordcomputer und Tageskilometerzähler sind in Untermenüs des Infotainment-Bildschirms versteckt. Den Wählhebel für die Fahrtrichtung seitlich am Tacho zu platzieren, ist eine schicke Lösung.
Was der Tacho anzeigt, projiziert ein Head-up-Display zusätzlich auf die Frontscheibe. VW kündigt eine erweiterte Darstellung an: Navigationshinweise und wichtige Daten der Assistenz erscheinen gefühlt ungefähr drei bis zehn Meter vor dem Auto. Dieser Teil der Software ist allerdings noch nicht fertig. VW will sie Anfang nächsten Jahres kostenlos aufspielen. Vorerst zeigen die Head-up-Displays nur den regulären Umfang an.
Beim zentralen Monitor auf dem Armaturenbrett erinnert der ID.3 dann doch ein bisschen an den Golf. Beide Kompakte teilen sich das System mit großem Touchscreen und berührungsempfindlichen Streifen, auf denen man Lautstärke und Temperatur mit Wischbewegungen einstellt. Das sieht modern aus, bietet aber keine Vorteile gegenüber klassischen Drehreglern. Die Beleuchtung fehlt an dieser Stelle – sie ließ sich nicht schnell genug umsetzen. VW will sie zum Facelift nachreichen.
Bei den Materialien entfernt sich der ID.3 wieder deutlich vom Golf. Nur der farblich abgesetzte Streifen am Armaturenbrett ist unterfüttert. Drum herum kommt zu viel Hartplastik zum Einsatz. Gewöhnungsbedürftig: Der Fahrer steuert über zwei Schalter alle vier Fensterheber. Eine Touch-Taste schaltet zwischen vorn und hinten um. Das ist unpraktisch.
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Der ID.3 fährt flott, mag es aber am liebsten gemütlich
Es wirkt, als sei VW an der einen oder anderen Stelle übers Ziel hinausgeschossen. Nur beim Fahren geht der Hersteller keine Experimente ein. Der ID.3 bewegt sich so, wie man es von einem VW in der Kompaktklasse erwartet: ruhig, unkompliziert, verbindlich und berechenbar, auf Wunsch auch flink. Aufregung stand nicht im Lastenheft, dafür aber Beständigkeit. Wer vom Verbrenner umsteigt, wird kaum überrascht, allenfalls vom Drehmoment des Motors.
In allen Varianten des ID.3 arbeitet die gleiche Antriebseinheit. Sie besteht aus einem Synchronmotor und einer festen Übersetzung. Die Software regelt, wie viel Leistung ansteht: Im teuersten Fall ist der Motor 150 kW (204 PS) stark. Kurz nach dem Marktstart folgt ein Antrieb mit 107 kW (146 PS), weitere Leistungsstufen ergänzt VW später.
Das Drehmoment kommt sofort – typisch für Elektroautos. Wenn er soll, macht der ID.3 einen flotten Satz nach vorn. Der Motor schiebt das Auto mit gleichbleibender Kraft und spricht spontan an. Er reagiert so flink wie sportliche Saugmotoren. Nach 7,3 Sekunden erreicht der stärkste ID.3 Tempo 100. Bei 160 km/h regelt die Software ab. Mehr Geschwindigkeit würde den Akku zu schnell entladen.
Um das Gewicht niedrig zu halten, setzt VW im ID.3 viel Aluminium ein. Allein der mittelgroße Akku wiegt allerdings 500 Kilogramm. Insgesamt stehen etwa 1,8 Tonnen im Datenblatt – etwa 400 Kilogramm mehr als bei einem ähnlich starken Golf 7 GTI. Obwohl viel Masse in der Bodenplatte sitzt, merkt man dem Auto in Kurven sein Gewicht an. Es geht nicht gerade leichtfüßig ums Eck.
Was nicht ist, wird noch werden. Nach VW-Angaben spart das Basismodell mit dem Einsatz von Leichtbauteilen langfristig 100 Kilogramm ein, die reichweitenstärkste Variante wiegt dann 1,9 Tonnen.
Der ID.3 kann sich zügig bewegen, er mag es aber lieber gemütlich. So flink wie ein Golf ist das Elektroauto nicht unterwegs. Sein Fahrwerk vermittelt dennoch eine gute Verbundenheit, das Auto lenkt angenehm direkt ein. Mit den großen 20-Zoll-Felgen kommt viel vom Belag im Innenraum an. VW-Markenchef Ralf Brandstätter empfiehlt die kleineren 19-Zoll-Räder für mehr Komfort. Der Wendekreis misst gerade einmal 10,2 Meter. Das macht den ID.3 in der Stadt praktisch.
In 3,5 Sekunden beschleunigt der Stadt-Flitzer von 0 auf 50 km/h.
Drei Akkupakete für den VW ID.3
VW will im ID.3 drei verschiedene Akkupakete anbieten. In den ersten Autos steckt die mittlere Variante (ID.3 Pro) mit 58 kWh Netto-Kapazität. Je nach Fahrweise liegt die Reichweite bei bis zu 426 Kilometern. Die Basisversion (ID.3 Pure, 45 kWh) fährt maximal 330 Kilometer weit. Der größte Akku mit 77 kWh Kapazität (ID.3 Pro S) speichert genug Strom für 549 Kilometer. Zum Start sind nur die größeren verfügbar. Hier die Stromspeicher in der Übersicht:
Kapazität brutto | Kapazität netto | Reichweite | Gewicht |
---|---|---|---|
48 kWh | 45 kWh | ca. 330 km | ca. 400 kg |
62 kWh | 58 kWh | 416-426 km | 495 kg |
82 kWh | 77 kWh | 524-549 km | ca. 600 kg |
Auf der ersten Fahrt mit langen, schnellen Autobahnetappen und mäßiger Rücksicht auf die Reichweite verbraucht der ID.3 Pro rund 18 kWh pro 100 Kilometer. Das ergibt hochgerechnet eine Reichweite von mehr als 300 Kilometern. Wer ruhig fährt, kommt deutlich weiter. VW rechnet für diese Variante mit einem Norm-Verbrauch von 15,4 bis 16,9 kWh pro 100 Kilometer. Wie sich der Akku verhält, müssen wir nicht herausfinden.
Wie schnell der ID.3 lädt, ausgerechnet das hängt von seiner Ausstattung ab. Die Basis nimmt an Gleichstrom-Ladesäulen maximal 50 kW Ladestrom auf, größere Varianten 100 kW. Der große Akku verträgt optional 125 kW. Im Idealfall lädt das Auto also in einer halben Stunde 350 Kilometer Norm-Reichweite nach. Ähnliche Unterschiede gibt es an der Wallbox: Das Einstiegsmodell lädt dort zweiphasig mit maximal 7,2 kW. Die anderen Akkus tanken ihren Strom dreiphasig an maximal 11 kW. An herkömmlichen Stationen kann die Ladezeit also schon mal bei sechs Stunden liegen.
Auf Basis des Golf 7 gebaut, erkennt man den e-Golf an den C-förmigen Tagfahrleuchten.
Der ID.3 soll den Golf nicht ersetzen
Für den Alltag sollte das genügen. Natürlich hängt das vom konkreten Alltag ab: VW-Chef Diess selbst empfiehlt Pendlern, die regelmäßig Strecken von mehreren 100 Kilometern fahren, unverändert einen Diesel. Ganz allgemein soll der ID.3 den Golf nicht ersetzen, sagt der VW-Chef. Verbrenner bleiben langfristig wichtig für den Konzern. Die klassischen Modelle wird es also weiterhin geben.
Dennoch bedeutet der ID.3 einen wichtigen Neustart. Er ist das erste Modell einer Elektro-Familie, die sich in viele Konzernmarken streckt. Der Konzernchef freut sich über das Debüt, denn er ist der Treiber hinter der Plattform. Brandstätter schielt bereits auf den ID.Buzz, eine elektrische Version des VW Bus, die 2022 startet. Vorher kommt bei VW noch ein elektrisches SUV auf Tiguan-Niveau.
Zunächst ist aber der ID.3 dran. Er soll für den Konzern so etwas wie ein moderner Käfer werden: Der brachte seinerzeit die Mobilität in Gesellschaft, dem ID.3 soll das mit der Elektromobilität gelingen.
Während er auf dem Markt startet, arbeitet VW hektisch an den letzten Korrekturen. Die Software ist noch nicht ganz fertig. Für die vollständigen Umfänge des Head-up-Displays müssen frühe Exemplare zum Händler – die Datenmengen sind zu groß für ein Update über das Mobilfunknetz. Generell empfängt das Auto aber Software über das Internet. VW deutet an, dass sich an der Anzeige des Tachos bald etwas ändern könnte.
Der Basispreis für das Modell VW ID.3 Pro Performance (58 kWh, 204 PS) liegt bei 35.574,95 Euro, abzüglich Umweltprämie (9.480 Euro). Zumindest temporär ist der ID.3 also für rund 26.000 Euro zu bekommen.
Die volle Reichweite kostet 40.936,91 Euro vor Vergünstigungen. Die Basisversion startet langfristig bei weniger als 30.000 Euro. Das Elektroauto kostet letztlich also weniger als ein kräftiger Golf Diesel mit ähnlicher Ausstattung. Das ist noch kein Käfer-Niveau – aber bezahlbar.
In der Basis ist der ID.3 etwa so teuer wie die Kleinwagen Opel Corsa-e oder Peugeot e-208. Teslas Model 3 ist größer und schneller, kostet aber mehr: Die Mittelklasse-Limousine steigt mit einem 50-kWh-Akku bei rund 43.000 Euro ein. Wenn VW die versprochene Stückzahl von 330.000 Autos pro Jahr halten kann, könnte der ID.3 bald die Zulassungsstatistik für Elektroautos anführen.
VW ID.3: Technische Daten
Modell | VW ID.3 Pro Performance |
---|---|
Motor | Synchronmotor |
Leistung | 204 PS (150 kW) |
Drehmoment | 310 Nm |
Antrieb | feste Übersetzung |
0-100 km/h | 7,3 s |
Geschwindigkeit | 160 km/h |
Verbrauch | 15,4-16,9 kWh/100 km |
CO2-Ausstoß | 0 g/km |
Länge | 4.261 mm |
Breite | 1.809 mm |
Höhe | 1.552 mm |
Radstand | 2.765 mm |
Kofferraumvolumen | 385 l |
Basispreis | 35.574,95 Euro (16 % MwSt., zzgl. Umweltprämie) |