VW Golf GTD (2021): Handling-Test
Kleine Quersteher als Kritik der reinen Vernunft: Der VW Golf VIII GTD ist längst nicht so bieder wie ihn viele darstellen. Test auf dem Handlingkurs.
Es wird Dir klarer. Jedes Mal, wenn sein Heck in dieser herrlich schnellen Linkskurve zu wandern beginnt: Die Sache mit der Vernunft wird geringfügig überschätzt und hoffnungslos überstrapaziert. Zumindest im Falle dieses Autos. Denn was unser Lupfen auf dem Handlingkurs des ÖAMTC-Fahrtechnikzentrums Teesdorf so beständig mit Side-Steps quittiert, ordnen zu viele im bieder-rationalen Bereich ein: Der Golf GTD ist die indirekte Antwort auf die Frage, ob ein Kompakt-Sportler in der Friend-Zone landen kann.
Kann er, nur dass sie im wilden C-Segment mit Attributen wie Alltag, Komfort und eben Vernunft einhergehen. Begriffe also, die einem 200 PS starken Golf bedingt schmeicheln. Ganz unabhängig von Treibstoff und Verwandtschaft. Auch wenn es damit zusammenhängt: Dem 4,28 Meter lange GTD fehlen trotz potenten Leistungsdaten (mindestens) 45 PS und vier Zündkerzen auf den Golf VIII GTI.
Doch irgendwie plagen Dich am Steuer des Diesels so gar keine ideologischen Fragestellungen, wenn Du vom schnellen Links-Bogen in den engeren Streckenteil tauchst. Unser größter Kritikpunkt ist viel pragmatischer. Und erst in späteren Strecken-Abschnitten deutlicher spürbar.
VW Golf GTD: Ein echter „Diesel-GTI“, in Grundzügen
Impuls zur Kurven-Innenseite. Lenkung wieder halbwegs gerade. Und ab auf die Bremse. Der GTD toleriert in der Folge auch geringfügiges Hineinbremsen im Kurvenverlauf. Also ohne dass er sein Stabilitäts-Programm wieder anwirft und über harte Eingriffe den Schwung absticht. Dass es überhaupt abwählbar ist, rückt den GTD näher an den echten GTI als alle Innenraum-Zitate dieser Welt. Trotzdem nett, dass es mit Sitzbezügen im klassischen Karo-Design (wie im ersten GTI) und Dreispeichen-Sportlenkrad innen denkbar ähnlich aussieht wie im regulären Sport-Golf.
Außerdem gibt es serienmäßig Sitze mit tollem Seitenhalt und angenehm breitem Verstellbereich. Breite Wangen halten Dich Eingangs der folgenden rechts bergauf zentral im Sitz. Konkret beschäftigt der seitliche Halt links vorne weniger als die Seitenführung links hinten. Ein, zwei Mal schnappt die hintere Achse hier weg – was nicht rein auf Volkswagens Fahrwerks-Abstimmung rückzuführen ist: Wir aktivierten vor den Runden einige Bewässerungs-Anlagen des größten österreichischen Fahrtechnik-Zentrums, verstärken damit zugegebener Maßen die Gier zum Gieren unseres GTD. Speziell dort, wo die scherenden (und lenkenden) Vorderräder früher abtrocknen als ihre hinteren Gegenstücke.
VW Golf VIII GTD Fahrwerk: Härter als hart, weicher als weich
Streckenbreite ausnutzen, Schwung mitnehmen, es geht bergauf. Konkret gleicht die Topographie des Teesdorfer Handlingkurses von hier an einem Kamel-Rücken. Oder waren die mit den zwei Höckern Dromedare? Die gedankliche Biologie-Stunde endet jedenfalls beim harten Anbremsen auf dem Gipfel von Hügel zwei, wo das ABS gefühlt sehr nervös auf die entlastete Front reagiert. Immerhin, die Linie stimmt noch halbwegs für die Kombination aus zwei langen Kehren.
In diesen zügigen Kurven schätzt man die relativ direkte Auslegung von Volkswagens Progressiv-Lenkung. Überhaupt wenn man über das Untermenü den Sport-Modus mit höherem Widerstand und schärferem Ansprechverhalten um die Mittellage anwählt. Und erst recht gemessen daran, dass die Lamellen unserer Winterreifen (Dunlop SP-Wintersport, 19 Zoll) wohl den initialen Teil unserer Lenk-Impulse verschlucken. Nur die Rückmeldung des Steuers dürfte gerne deutlicher ausfallen.
Nach einer kurzen Geraden geht es in eine wellige Sektion, ebenfalls bewässert. Du suchst bisweilen auf den trockenen Curbs nach Grip, klammerst Dich auch in den folgenden Serpentinen-artigen Kehre an den Randstein. Sie sind zu flach, als dass die Federbeine damit irgendwelche Probleme hätten. Generell filtert das adaptive Fahrwerk (optional, 1.045 Euro) Unebenheiten gut weg, während Nick- und Rollbewegungen im Rahmen bleiben.
Mit dieser DCC genannten Fahrwerks-Option kommt eine Set-up-Option wie auf der Playstation: Wer will konfiguriert die Dämpferrate frei, kann sogar über die Endpunkte Comfort (weiche Seite) oder Sport (harte Seite) hinaus. Wir bleiben auf dem ÖAMTC-Handlingkurs in Teesdorf übrigens auf der Standard-Sport-Konfiguration.
Im Golf 7 GTE arbeiten ein 1,4-Liter-Turbobenziner mit 150 PS und ein 75 kW starker E-Motor. Systemleistung: 204 PS.
VW Golf GTD (2021): Motor und Getriebe
Eine Wahrheit des Kurvenausgangs lautet: Herausbeschleunigen bedeutet warten. Mitnichten ist das als Kritik am Vierzylinder-Turbodiesel zu verstehen. Denn die Maximalleistung von 200 PS liegt zwischen 3.600 und 4.100 Touren konstant an, das maximale Drehmoment kommt laut Datenblatt bei 1.750 bis 3.500 Touren. Gefühlt läuft es im GTD ab 2.000 Touren. Und wenn die Kraft im oberen Drehzahlbereich abflacht, hast Du den digitalen Drehzahlmesser ohnedies nicht mehr m Blick - schließlich schaltet das Doppelkupplungsgetriebe immer (und auch im manuellen Modus) selbst hoch.
Das Problem ist nicht das autarke nachlegen der alternativlosen Siebengang-Automatik. Sondern ihr bisweilen panisches Herunterschalten. Volkswagens Getriebe (mit Nasskupplung) traut dem Aggregat gefühlt zu wenig zu. Und selbst wenn die Gangwechsel objektiv gesehen schnell ablaufen: Bis sich das System nach unten sortiert, wäre derselbe GTD im höheren Gang wohl schon außen vorbeigezogen.
Allein: Dass Du im höheren Gang verweilen willst, kannst Du dem Golf nicht mitteilen. Über die Paddles klappt in der Anbrems-Phase nur das Gegenteil verlässlich: Über eine Flipper-Taktik (mit mehreren Befehlen nach einander) lässt sich der GTD wenigstens schon vor dem Einlenkpunkt zum Gangwechsel überreden.
VW Golf VIII GTD: Der entscheidende Unterschied zum GTI
Bitte nicht missverstehen Um maximale Leistung geht es am Kurvenausgang nicht immer. Konkret nähert sich der rechte Fuß in den folgenden engeren Linkskurven recht schüchtern dem Bodenblech. Weil die Kraft dieses Fronttrieblers zu schnell am kurven-inneren Rad verpufft. Volkswagen bietet im Golf GTD nur eine „elektronisches Sperrdifferenzial“ an, dass die Traktion über Bremseingriffe erhöhen soll. Eine echte mechanische Sperre finden wir in der Aufpreis-Liste nicht – bei Golf VIII GTI-Modellen ist sie serienmäßig.
In der finalen langen Linkskurve fällt das „offene“ Diff des GTD nicht groß ins Gewicht. Die Kurve macht auf, der Sport-Diesel verträgt recht bald den Maximalbefehl und legt relativ rasch nach. Bei 1:33,91 bleibt die Uhr auf dem teil-bewässerten Handlingkurs des ÖAMTC Fahrtechnikzentrums Teesdorf stehen. Über die selektiven knapp zwei Kilometer unterhält der Golf GTD mit moderatem Übersteuern bei Lastwechseln, doch am Kurvenausgang ginge mehr. Damit erhalten Käufer ab 39.670 Euro ein Auto, das weit spannender ist als sein Ruf. Aber nicht so spaßig, wie es sein könnte. Auch eine Art von Unvernunft.
• Motor: 2,0-Liter-Turbobenziner
• Leistung: 290 PS
• 0-100: 5,6 s | Vmax: 250 km/h
VW Golf GTD im Handlingtest: Messwerte und Fahrzeugdaten
Modell | VW Golf VIII GTD |
---|---|
Kurzbeschreibung | Sportlicher Kompaktwagen mit Dieselmotor |
Motor | 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbodiesel mit SCR-Kat |
Leistung | 200 PS bei 3.600 bis 4.100 Touren |
Drehmoment | 400 Nm bei 1.750 bis 3.500 Touren |
Getriebe | Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe (serienmäßig) |
Gewicht | ab 1.465 kg |
Test-Strecke | Handlingkurs des ÖAMTC Fahrtechnikzentrums Teesdorf |
Streckenlänge und Beschaffenheit | 2.025 Meter, teilweise bewässert |
Rundenzeit | 1:33,91 min |
Schnellste Stelle / Top-Speed | 149,84 km/h (146,8 km/h in schnellster Runde) |
Durchschnitts-Geschwindigkeit | 77,62 km/h |