Der neue Golf braucht Nachhilfe beim Infotainment
Der VW Golf 8 soll der „digitalste“ Golf aller Zeiten sein. Ist er sicher, aber das gereicht ihm (noch) nicht zum Vorteil. Der Golf 1.5 eTSI 2019 im Test.
- Der VW Golf 8 im Überblick
- Abmessungen, Platzangebot, Kofferraumvolumen im Golf 8
- VW Golf 8 2019: Verarbeitung, Innenraum, Materialien
- Bedienung und Infotainment
- Assistenzsysteme und Sicherheit
- Antrieb, Motor, Getriebe, Fahrleistungen
- Fahrwerk, Lenkung, Fahrverhalten im VW Golf 8
- Ausstattung, Kosten, Preise und Fazit zum VW Golf 1.5 eTSI (2019)
- VW Golf 1.5 eTSI (2019): Technische Daten
Der VW Golf ist das Urmeter der Kompaktklasse. Das berühmteste und meistgekaufte Auto Deutschlands – und irgendwie trotzdem ein Auslaufmodell. Die Generation 8 könnte eventuell die letzte Golf-Generation sein. Wer weiß. Elektromobilität steht bei Volkswagen im Fokus. Der ID.3 soll der Golf unter den Elektroautos werden. Doch so weit ist es noch nicht. Seit Dezember 2019 steht der Golf 8 bei den Händlern, um seine Vormachtstellung zu verteidigen.
Der VW Golf 8 im Überblick
- 8. Generation des meistverkauften Autos Deutschlands
- Überschaubare Abmessungen, viel Platz im Innenraum
- VW Golf 8 Variant und Alltrack mit längerem Radstand
- Benziner von 90 PS bis 150 PS, alle DSG-Versionen mit 48-Volt-Mildhybrid
- Diesel mit 115 PS und 150 PS
- Sportmodelle Golf 8 GTI mit 245 PS, Golf GTD mit 200 PS
- Sportlicher Plug-in-Hybrid: Golf GTE mit 245 PS
Äußerlich bleibt sich der Golf treu. Scheinwerfer und Rückleuchten ändern sich, aber er bleibt nah am Golf 7. Technisch tut sich mehr, vor allem bei den Benzin-Motoren und im Cockpit. Das wird digital. Das Infotainment verliert fast alle herkömmlichen Knöpfe. Es wird gewischt und getastet. Im Test muss der VW Golf 8 als Mildhybrid 1.5 eTSI zeigen, ob er weiterhin den Maßstab in der Kompaktklasse setzt.
Die Speerspitze der Zulassungsstatistik: Der Bestseller aus Wolfsburg geht in die achte Generation.
Abmessungen, Platzangebot, Kofferraumvolumen im Golf 8
Mit 4,28 Metern Länge gehört der Golf 8 zu den kürzesten Kompakten. Sein Kofferraumvolumen liegt mit 380 Litern trotzdem im oberen Bereich. So effizient nutzt kaum ein Konkurrent den Raum. Bei umgeklappten Rücksitzen werden 1.237 Liter daraus, die Ladefläche ist dank doppelten Bodens gut nutzbar, steigt jedoch recht stark an. Hochgeklappt rastet das befilzte Brett an einer Plastiknase ein. Darunter gibt es reichlich Platz. Die „Höhenverstellung“ löst VW billig: Der Teiler liegt entweder oben auf einer Schiene oder unten auf dem Boden. Mit einer Hand gerät die Verstellung fummelig.
Auf der Rückbank sitzen Passagiere großzügig, mit viel Luft nach oben und zu den Vordersitzen. Vorne wirkt der Golf 8 ebenfalls geräumig. Große Smartphones verschwinden in einem gummierten Schacht. Die Becherhalter sitzen zwar weit hinten, halten aber auch große Becher. Das Fach unter der Mittelarmlehne nimmt viel Kleinkram auf.
VW Golf 8 2019: Verarbeitung, Innenraum, Materialien
Alles neu im Golf 8? Nein! Die Lenkstockhebel übernimmt VW vom Vorgänger. Der Rest wirkt aufgeräumt bis karg, die Materialauswahl enttäuscht hier und da. Am Mitteltunnel zum Beispiel, wo die Finger viel hartes Plastik ertasten, genau wie direkt unter den Lüftungsdüsen. Hinterbänkler finden viel Hartplastik in der Türverkleidung vor, Vornesitzer etwas weniger. Eine Zweiklassen-Gesellschaft, die wir im VW Golf nicht erwartet hätten.
Das Armaturenbrett sieht auf den ersten Blick gut aus, aber die lackierte Zierfläche mutet günstig an. Die Verarbeitung wirkt solide, das Design mit dem großen Infotainment-Bildschirm, der sich an den Instrumententräger schmiegt, stimmig. Sehr aufgeräumt sieht das aus. VW hat fast alle Knöpfe aus dem Innenraum verbannt.
Bedienung und Infotainment
Hübsch, aber mühsam: Die Knopfarmut hilft der Bedienbarkeit nicht unbedingt. Fahrassistenten, Klimaanlage, der Parkpilot und das Fahrmodus-Menü sind die einzigen Funktionen, für die es noch Tasten gibt. Pardon, Touchflächen. VW baut eine Leiste mit berührungsempfindlichen Flächen unter den Infotainment-Bildschirm. Hier lassen sich Temperatur und Lautstärke regeln – per Fingertipp oder indem man über die Fläche streicht.
Leider wirkt das System unausgereift. Die Flächen sind nicht beleuchtet, im Dunkeln tappt man blind darauf herum. Wer seine Hand, wie der Autor, bei der Bedienung des Touchscreens gerne stabilisiert, tut das genau auf der Leiste. Und wundert sich, warum die Temperatur plötzlich auf 15 oder 25 Grad steht. Oder, warum ihn das Radio plötzlich anschreit.
Ohnehin leidet die Infotainment-Software unter Bugs. Im digitalen Instrumententräger gibt sie seltsame Warnmeldungen aus. Etwa, dass eine „Gefahrenwarnung nur eingeschränkt verfügbar“ sei. Außerdem blendet das System unmotiviert ein, welcher Radiosender gerade dudelt. Dazu reagiert es oftmals erst mit Verzögerung. Beim Hin- und Herwischen zwischen den Ansichten des Homescreens hängt man oft fest. Dass man auch berührungslos „wischen“ kann, hilft wenig: Auch die Wedelei vor dem Bildschirm funktioniert nicht immer. Wo möglich, nutzt man die Sprachsteuerung. Sie versteht viel, verhört sich aber mehrfach und bietet statt einer gewünschten Adresse „Gotteshäuser in der Nähe“ und „Geflügel-Restaurants“ an.
Schade, denn im Grunde wirkt die Struktur des Infotainments intuitiv. Nur vereinzelt sucht man länger nach bestimmten Funktionen. Wer will, individualisiert sich den Bildschirm mit verschiebbaren Kacheln ruckzuck seinen Vorlieben entsprechend. Sogar in den verrücktesten Farben.
Assistenzsysteme und Sicherheit
Der umfassend ausgestattete Testwagen kann fast alles: Er hält die Spur, den Abstand und auf Wunsch die Geschwindigkeit. Er bremst im Notfall, warnt vor einem drohenden Zusammenstoß, beim Spurwechsel vor Objekten im toten Winkel und falls der Fahrer übermüdet scheint. Das funktioniert alles gut. Der Auffahrwarner agiert jedoch übervorsichtig und moniert in einer leichten Kurve das Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn.
Serienmäßig kommuniziert der neue Golf über „Car2X“ mit anderen Fahrzeugen und Gegenständen. Steht ein Auto im Stau, sendet es die Verkehrslage in seine Umgebung. Der Golf erkennt das Signal und warnt den Fahrer. Das funktioniert erst, wenn viele Autos diese Technik beherrschen. Der Golf als meistverkauftes Modell ist also ein guter Anfang.
Antrieb, Motor, Getriebe, Fahrleistungen
Im Testwagen steckt die modernste Verbrenner-Technik des VW-Regals. Der 1,5-Liter-Vierzylinder-Benziner 1.5 eTSI schaltet bei wenig Last zwei Zylinder ab. Ein Riemenstartergenerator (RSG) hilft elektrisch. Das Mildhybrid-System arbeitet mit 48 Volt – und zwar bei allen aktuell verfügbaren Benzinern mit Doppelkupplungsgetriebe. Rollt das Auto ohne Last, schaltet es den Verbrenner ab. Gibt der Fahrer Gas, springt der Benziner wieder an. Das geschieht unmerklich im Hintergrund. Nur der Blick auf den Drehzahlmesser zeigt es. Und dass es einen Wimpernschlag dauert, bis der Wagen Fahrt aufnimmt.
Im Golf 7 GTE arbeiten ein 1,4-Liter-Turbobenziner mit 150 PS und ein 75 kW starker E-Motor. Systemleistung: 204 PS.
Die Start-Stopp-Automatik arbeitet sanft, schnell und unauffällig. Der Mildhybrid ist sofort anfahrbereit, wenn es an der Ampel wieder losgehen soll – bei früheren VW-Systemen nicht selbstverständlich. Perfekt funktioniert das Zusammenspiel mit dem Getriebe trotzdem nicht. Einmal schaltet sich der Motor mit einem Ruck ab. Wenn das Auto noch kalt ist, zeigt das Doppelkupplungsgetriebe bei Schleichfahrt hier und da ein leichtes Ruckeln. Trotzdem: Im Vergleich zum Vorgänger ist der Fortschritt offensichtlich.
Ebenfalls deutlich spürbar: Da der RSG beim Beschleunigen Kraft beisteuert, reagiert der Golf spontan und kräftig auf Gasbefehle. Er fährt so souverän, dass der 150-PS-Motor im Test-Golf fast übermotorisiert wirkt. Weniger Leistung reicht: Die gleiche Hybrid-Technik steckt in den Benzinern mit 130 und 115 PS. Nur der Basismotor arbeitet ohne elektrische Hilfe.
Der technische Aufwand dürfte sich im Verbrauch deutlicher zeigen. Eine 8 vor dem Komma auf der Kurzstrecke im Stadtverkehr schaffen viele Autos auch ohne Hybridtechnik. Der eTSI braucht offenbar Temperatur, um wirklich zu sparen. Längere Stadtstrecken fährt er mit 6,5 Litern, auf der sanften Pendelstrecke verbraucht er gut 5,5 Liter. Am Ende des Tests mit Autobahn, Landstraße und Innenstadt sind es 6,4 Liter.
Fahrwerk, Lenkung, Fahrverhalten im VW Golf 8
Beim Fahrgefühl macht der Golf 8 fast alles besser als bisher. Er spricht um die Mittellage schneller an und schlägt die Räder direkter ein. VW hat an den Achsen etwas getan. Ein neuer Hilfsrahmen stabilisiert den Vorderwagen, beim Verstellfahrwerk DCC besteht er aus Aluminium. Spezielle Achslager helfen ebenfalls. Im DCC versteifen sich zudem die Dämpfer auf der kurvenäußeren Seite, während sie innen weich bleiben.
Dadurch fährt der Golf 8 2019 vor allem bei hohem Tempo stabiler. Er bleibt ganz lange neutral, untersteuern kennt er fast gar nicht. Das fühlt sich sportlich und präzise, aber unaufgeregt an. Die Lenkung wirkt nach wie vor etwas synthetisch, doch sie liegt gut gewichtet in der Hand und steuert den Golf zielgenau ums Eck.
Dazu federt der Golf komfortabel und vermittelt dem Fahrer einen guten Kontakt zur Fahrbahn. Im Sportmodus wird er straff ohne unnötige Härte, im Comfort-Modus schwingt er nicht zu viel. Die Mehrlenker-Hinterachse, ab 130 PS serienmäßig im Golf, fühlt sich gut an. Allerdings poltert sie im Testwagen bei langsamer Fahrt auf unebenem Belag leicht von hinten rechts. Den guten Gesamteindruck trübt das kaum.
Ausstattung, Kosten, Preise und Fazit zum VW Golf 1.5 eTSI (2019)
Der VW Golf ist nicht der günstigste Kompaktwagen, aber der beliebteste in Deutschland. Mit dem Golf 8, der seit Ende 2019 bei den Händlern steht, wird das so bleiben. Nicht, weil er so viel besser wurde. Aber er hält seinen Vorsprung. Die Preise starten bei 19.990 Euro, wobei der Basis-Golf im März 2020 noch nicht erhältlich ist. Den 1,5er gibt es in der Ausstattung „Life“. Er kostet ab 30.205 Euro.
Serienmäßig gibt es dafür LED-Scheinwerfer, das digitale Cockpit, Klimaanlage, Radio, Bluetooth, schlüssellosen Zugang, Müdigkeitserkennung und Spurhalteassistent – schon in der Basis übrigens. Die ist für den 1.5 eTSI allerdings nicht verfügbar. „Life“ ergänzt Alu-Räder, Ambientelicht, hübscheres Dekor, Apple CarPlay und Android Auto, eine Einparkhilfe und eine induktive Ladeschale fürs Handy.
Unser Testwagen in der „Style“-Ausstattung bringt Extras wie die 3-Zonen-Klimaautomatik und den Travel Assist, der verschiedene Assistenten kombiniert, mit. Dazu baut VW das schöne Head-up-Display für 700 Euro ein, das auf die Windschutzscheibe projiziert, das adaptive Fahrwerk (1.045 Euro), das große Navigationssystem (1.050 Euro) sowie LED-Matrix-Scheinwerfer ein (1.125 Euro). Damit wäre der Golf 8 mit allem bestückt, was er braucht, und landet bei gut 36.000 Euro. Das geht in Ordnung. Einen Ford Focus oder Opel Astra bekommt man jedoch deutlich günstiger. Die Premium-Konkurrenz (Mercedes A-Klasse, BMW 1er, Audi A3) ist deutlich teurer.
Er dürfte also weiterhin gekauft werden, der Golf 8 Modelljahr 2019. Schade, dass man an manchen Stellen den Sparzwang spürt. Und dass die Software im Testwagen nicht ausgereift scheint. So ist der Golf 8 nur beim Fahren ein besserer Golf als der Golf 7.
VW Golf 1.5 eTSI (2019): Technische Daten
Modell | VW Golf 1.5 eTSI (2019) |
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Motor | 1,5-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner, Mildhybrid via Riemen-Startergenerator |
Leistung | 150 PS (110 kW) b. 5.000-6.000 U/min |
Drehmoment | 250 Nm b. 1.500-3.500 U/min |
Antrieb | Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, Frontantrieb |
0-100 km/h | 8,5 s |
Geschwindigkeit | 224 km/h |
Verbrauch | 4,8-4,6 l/100 km |
CO2-Ausstoß | 111-106 g/km |
Länge | 4.284 mm |
Breite | 1.789 mm |
Höhe | 1.456 mm |
Radstand | 2.636 mm |
Kofferraumvolumen | 380-1.237 Liter |
Gewicht | 1.380 kg |
Preis | ab 25.630 Euro |
Preis VW Golf 1.5 eTSI DSG | ab 30.205 Euro |
Preis des Testwagens | ca. 41.000 Euro |