VW Golf 7 (2012): Rückblick, Historie
Der VW Golf startet in seine achte Generation. Zu diesem Anlass erinnert sich unser Autor Peter Maahn an dessen Vorgänger. Teil 7: Der Golf 7 von 2012.
Die Welt ist dem VW Golf längst nicht mehr fremd. Fünf Generationen lang präsentierte VW den Bestseller in Deutschland, seit dem Golf 6 geht es auf internationales Terrain. Die Organisatoren der Fahrveranstaltung wählen Porto Cervo auf der italienischen Insel Sardinien. Ein junges Urlaubsparadies, erst 1962 gegründet, also gerade 50 geworden.
Der Klassenprimus unter den Kompakten: Der VW Golf VII.
VW-Patriarch Ferdinand Piëch (1937-2019) liebt die Insel. Wenn seine Presseleute etwas präsentieren möchten, wählen sie deshalb häufig den Treffpunkt des Jetsets am Fuße des 46 Meter hohen Leuchtturms Capo Ferro. Hier und heute geht es um den Golf 7. Ein modernes Auto, das seine Technik hinter gewohnten Formen versteckt.
Die Journalisten, zumeist per VW-Charter auf dem 30 Kilometer entfernten Flughafen Olbia gelandet, haben die erste Fahrt im neuen Golf zum Nobelhotel schon hinter sich. Und schwelgen schnell in Erinnerungen, die gar nichts mit dem neuen Auto aus dem fernen Wolfsburg zu tun haben. Denn viele von ihnen sind schon 2009 an gleicher Stelle dabei. Damals, als sich Piëch mit leiser Stimme in den Machtkampf zwischen den Kontrahenten Martin Winterkorn (VW) und Wendelin Wiedeking (Porsche) einmischt. Dieser Kampf hat Auswirkungen auf die Gegenwart, denn ein halbes Jahr vor der Golf-7-Premiere muss Piëch vor Gericht, das ihm „schwere Pflichtverletzung“ bescheinigt.
VW Golf 7 mit neuer Architektur
Ein Stück VW-Geschichte auf Sardinien. Der Golf 7 schreibt immerhin ein Stück Golf-Geschichte, denn er basiert auf dem neuen „modularen Querbaukasten“ (MQB) – einer Architektur, die sich bald auf den gesamten VW-Konzern ausbreitet. Sie spart Gewicht und schafft Räume, wo bisher keine waren. Außerdem plant sie bereits den elektrischen Betrieb mit ein.
Nicht einmal gerüchteweise ist in diesem Spätsommer bekannt, dass der Chef eines Zulieferers im Juli der EU-Kommission den ersten Hinweis auf verbotene Abschalteinrichtungen in VW-Dieselmodellen zugeflüstert hat. Der Abgasskandal wird Volkswagen erst zwei Jahre später mit Macht erschüttern. Der Golf 7 hat damit nichts zu tun. Aber seine Verkaufszahlen reagieren darauf.
Aktuell im Blick der Testfahrer: die neuen Maße des Golf. Der Kompakte ist wieder gewachsen, auf jetzt 4,26 Meter, fünf Zentimeter Länge und Radstand mehr. Die optische Revolution bleibt natürlich aus. Damit hatte ohnehin niemand gerechnet. Der Neue orientiert sich am Ruheständler Golf 6, wird insgesamt um 2,5 Zentimeter flacher und flutscht 14 Prozent glatter durch den Wind. Er trägt das neue VW-Markengesicht, die Linien sind etwas breiter geraten, in Summe steht er markanter da als bisher.
Die Sitzprobe hinten fällt positiv aus, er ist spürbar geräumiger geworden. Der Kofferraum fasst mit 380 Litern jetzt 30 Liter mehr. Bei umgeklappten Rücksitzen allerdings sind es mit 1.270 Litern 35 Liter weniger. Dazu ein gutes Gefühl im Innenraum mit seiner dem Fahrer zugeneigten Mittelkonsole – schönen Gruß vom Passat. Trotz neuer Knöpfe und wegen zusätzlicher Assistenz vermittelt der Siebener das Gefühl des Nachhause-Kommens. Alles wie gewohnt.
Nur zwei Motoren für die erste Testfahrt
Überraschung hingegen beim Fuhrpark während der ersten Fahrt. Nur die jeweils stärksten Vertreter der Motorfraktionen sind für die Testfahrten auf die Mittelmeerinsel eingeschifft worden. Die kleinen Benziner (1,2 Liter mit 85 bzw. 105 PS oder 1,4 Liter mit 122 PS) sind ebenso wenig vor Ort wie der 105 PS starke 1,6-Liter-Diesel. Nur der 1.4 TSI mit Zylinderabschaltung (140 PS) und der vorläufige Spitzen-Golf 2.0 TDI (150 PS) stehen parat, wahlweise mit 4Motion-Allrad.
VW sagt nichts zur knappen Auswahl. Ein möglicher Grund ist eine technische Sparmaßnahme im VW Golf 7: Schwache Motoren gibt es nur in Verbindung mit der zuletzt beim Golf 4 genutzten Verbundlenker-Hinterachse. Nur stärkere Antriebe bekommen die aus dem Golf 5 und 6 bekannte Raumlenkerachse. Immerhin: Sie verhält sich auf den Serpentinen der Teststrecken entlang der Insel vorbildlich.
Der Golf fährt insgesamt wirklich gut. Perfekt austariert, bissiger Zug aus Kurven heraus, entspannter Komfort auf der Geraden. Dem Normalfahrer drohen keine Überraschungen, dem Sportler geht das Herz auf. Nur feinfühlige Hintern spüren die Unterschiede der drei Fahrmodi (Komfort, Normal, Sport) des im 150-PS-Diesel serienmäßigen adaptiven Elektronik-Fahrwerks DCC. Dank der XDS genannten ebenfalls elektronischen Quersperre stimmt die Traktion.
Der Diesel gefällt wie gehabt durch seine Durchzugskraft schon bei recht niedriger Drehzahl. Seine Futterwahl verrät er durch leises Nageln nur dann, wenn der Fahrer das Herunterschalten verweigert und den Zweiliter ins Untertourige zwingt. Zu dieser Zeit ist der Diesel die erste Wahl bei den Kunden. Gerade mal 4,1 Liter auf 100 Kilometer stehen im Datenblatt, um die sechs Liter Praxis-Verbrauch meldet der Bordcomputer. Grundpreis für diesen Diesel in der Comfortline-Ausstattung: 25.275 Euro. Der Basispreis des Golf 7 liegt bei 16.975 Euro als Dreitürer mit dem 85-PS-Benziner. Aber den gibt es ja in Sardinien wie erwähnt nicht.
Im Golf 7 GTE arbeiten ein 1,4-Liter-Turbobenziner mit 150 PS und ein 75 kW starker E-Motor. Systemleistung: 204 PS.
Der Golf wird elektrisch
Beim Tausch auf den Benziner sind die Assistenten unterm Blech das große Thema. Fast alles, was 2012 zu haben ist, bietet auch die Preisliste des neuen Golf. Beispiele sind Abstandsradar für 555 Euro extra, aktives Spurhalten für 505 Euro, Verkehrszeichenerkennung für 320 Euro. Serienmäßig sind neben den Klassikern ABS und ESP auch eine City-Notbremsfunktion oder die neue Multikollisionsbremse, die nach einem Aufprall in Aktion tritt.
Im Golf 6 hatte VW noch mit Turbo und Kompressor in Kombination experimentiert. Den 160-PS-Motor vermissen wir nicht, denn sein schwächerer Nachfolger macht Spaß im neuen Golf. Mit 140 PS zieht er ordentlich an der Vorderachse und bekommt ein Extra-Lob für seine Genügsamkeit an der Zapfsäule. Natürlich sind um die fünf Liter beim sardischen Rumtoben pure Illusion. Wenn er das Auto sanft bewegt, schaltet er die beiden mittleren Zylinder zeitweise ab. Dann kommen wir zumindest in die Nähe des Normverbrauchs – manch Hupkonzert der Einheimischen inklusive.
Beim Cruisen bleibt Zeit fürs Allgemeine, was 2012 so bewegt. Die Eurokrise, die Nazi-Killer der NSU oder der Rücktritt des Bundespräsidenten Christian Wulff. Olympia in London ist einen Monat her. Auf dem Autosalon in Paris ist genau dieser Golf die Attraktion für die Besucher. Und Zukünftiges wirft erste Schatten. Der GTI kommt im Frühjahr 2013 mit 230 bzw. 245 PS. Das Messe-Schaustück in Paris legt VW provisorisch mit Spanngurten um die Federn tiefer – ein Lacher in den sozialen Medien.
Der Golf 7 Variant startet ebenfalls im Folgejahr. Ein weiteres Jahr später wird der Golf 7 endlich elektrisch. Ein Plug-in-Hybrid mit kombinierter Leistung von 204 PS und einer rein elektrischen Reichweite von rund 50 Kilometern kommt auf die Straße. Fast zeitgleich auch der E-Golf, der mit 115 PS aber nicht mal 200 Kilometer weit kommt. Erst 2017 wird die Reichweite alltagstauglich. Sie beträgt je nach Norm 300 bzw. 231 Kilometer.
Neue Konkurrenz für den VW Golf
Sieben Jahre lang hält der Golf 7 die Fahne hoch. Mehr als die Hälfte davon unter dem Joch des Dieselskandals. Als meistverkaufter VW ist er besonders betroffen. Zudem wächst der Druck der SUVs auch aus dem gleichen Stall. Der Tiguan rückt ihm nah aufs Blech, später der T-Roc.
2017 startet ein Facelift, der Golf wird mit dem Internet vernetzt. In seinem letzten Jahr muss VW die Produktion herunterfahren, viele Kunden warten auf den Golf 8. Der kommt mit Verzögerung im Herbst 2019 und hat mit einem neuen, hauseigenen Rivalen zu tun. Der ID 3, der erste als Elektroauto konzipierte Volkswagen, spielt jetzt den Ikonen-Jäger.
Der Kreis scheint sich zu schließen: Ein neues Auto mit moderner Antriebsform tritt gegen den alten Bekannten an. So drängte der Golf einst den Käfer aus dem Programm. Dennoch hält VW am Klassiker fest. Denn er ist nach wie vor der Bestseller der Marke.
Der VW Golf 7 in Bildern
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