VW Golf 3 (1991): Rückblick, Historie
Der VW Golf startet in seiner achten Generation. Zu diesem Anlass erinnert sich unser Autor Peter Maahn an seine Vorgänger. Teil 3: Der VW Golf 3 von 1991.
Nein, für die Welt ist dieses 1991 kein glückliches Jahr. Wer da vom „Golf“ spricht, meint nicht das Erfolgsauto aus Wolfsburg, von dem schon gut 12 Millionen Exemplare existieren. Die zweite Auflage des Golf-Kriegs beherrscht Tagesschau und „Spiegel“-Titel, wird als Wendepunkt und Geburtsstunde des weltweiten Terrors die Welt verändern.
Gleichzeitig massakrieren sich im früheren Jugoslawien die einstigen Landsleute, die stolze Sowjetunion bricht auseinander, viele neue Staaten machen Europa zum Flickenteppich. Wer interessiert sich bei alledem für eine Einladung der Wolfsburger Presseabteilung, die per Post in die Auto-Redaktionen der damals noch zahlreichen Zeitungen flattert.
Ganz Deutschland testet 1991 den VW Golf
In Fachblättern bleibt der Golf ein wichtiges Thema. Nach acht Jahren und 6,3 Millionen gebauten Exemplaren geht der Golf 2 in Pension. Die Testfahrten für Nummer drei finden wie bei seinen beiden Vorgängern in München statt. Mit dabei sind erstmals die schreibenden Autofans aus der früheren DDR. Sie landen aus Dresden, Berlin oder Leipzig auf dem Flughafen in München-Riem.
174 PS leistet der 2,8-Liter-Sechszylinder im Golf III VR6. Auf mobile.de ist der schnelle Kompakte noch zu haben.
Der neue Airport wird erst sieben Monate später fertig. Aber pünktlich, was aus heutiger Sicht mit Blick auf den BER unvorstellbar ist. Schon im August 1991 betriebsbereit ist der Hauptdarsteller der aufwendigen VW-Sommershow. Gebaut übrigens auch im ostdeutschen Zwickau, wo früher der Trabbi vom Band rollte.
Der Golf 3 setzt Fett an
Ein rundliches Pummelchen, dieser Golf 3. Trotz nahezu gleicher Abmessungen hat er an Speck zugelegt. Schon das Basismodell nähert sich der Ein-Tonnen-Grenze, andere Versionen kommen auf mehr als 1,3 Tonnen. VW-Ingenieure erklären das vor allem mit der Sicherheit. Die verstärkte Fahrgastzelle und verstärkte Türen sollen das Crash-Verhalten verbessern.
Natürlich ist dieser Golf wieder ein echter Golf mit seiner nun schon legendären dicken C-Säule vor dem schrägen Heck. Abschied nimmt er dagegen vom leutseligen Blick aus den runden Scheinwerferaugen. „Mandelförmig“, nennt Chefdesigner Herbert Schäfer die neue Form der Frontbeleuchtung. An ihr kann man den Neuen schnell erkennen.
Motorenvielfalt: Vier- und Sechszylinder im VW Golf 3
Auf dem Hotelparkplatz ist Vielfalt präsent, schon zum Marktstart bietet VW den Test-Gästen sechs Leistungsstufen an. Vom Einspritzer-Benziner mit 1,4-Liter-Vierzylinder (60 PS) über den 1,8 Liter (75 PS) bis zum neuen GTI (Zweiliter, 115 PS). Begehrtes Sahnehäubchen natürlich der 2,8-Liter-Sechszylinder mit 174 PS. Dieser VR6-Motor bringt Muckis in die Kompaktklasse. Später wird er im Allrad-Modell Golf VR6 Syncro sogar 190 PS stark.
Der Über-Golf kann leider nicht gefahren, sondern nur bestaunt werden. Dafür gibt es neue Selbstzünder: einen Saugmotor mit 1,9 Litern Hubraum und den gleich großen Turbodiesel (75 PS), der als Innovation einen sogenannten Oxidations-Kat mitbringt. Umweltschutz anno 1991, ganz ohne Harnstoff-Einspritzung.
Startbereit im 75-PS-Benziner, schnell noch ein Blick in die Preisliste. Ein Schock, denn noch nie war ein Golf so teuer. 19.975 Mark (10.213 Euro, inflationsbereinigt 16.800 Euro) für das Basismodell. Zur Erinnerung: Der Einstiegspreis für den Golf 2 lag acht Jahre zuvor bei 13.490 Mark. Hinzu kommen noch die gewohnt saftigen Aufpreise. Ein gut bestückter Golf 3 plünderte das Familienkonto also locker um gut 25.000 Mark.
Ist der Kompakte trotzdem noch ein Wagen für das Volk? Da gleichzeitig die Kosten der Wiedervereinigung nach und nach bei dem Bürgern ankommen (Solidaritätszuschlag und mehr), sitzt das Geld nicht mehr so locker. VW steckt für seine Preisgestaltung viel Prügel ein.
Mehr Ausstattung, aber weniger Platz im Golf-Innenraum
Auch das Raumgefühl wird schon vor den ersten Testkilometern zum Thema. Es ist enger geworden im Golf, da bei den fast gleichen Maßen viel neue Technik Platz finden muss. Dafür gibt es aber endlich Vordersitze mit Seitenhalt, ein modernes Innenleben, ein dickeres Lenkrad, Servolenkung (Serie ab 75 PS) und einen Airbag. Zunächst nur für den Fahrer.
Der Porsche 356 ist technisch und optisch eng mit dem Käfer verwandt. Der Sportwagen lief zwischen 1948 und 1965 vom Band.
Beim Losfahren machen sich gemischte Gefühle breit. Zwar ist der 3er bei sanfter Gangart ein Muster an Komfort für die Insassen. Bei dynamischer Fahrt aber ändert sich das Bild. Die Lenkung fühlt sich etwas „schwammig“ an. Ein Begriff, der auch für das Fahrwerk gilt. Vor allem die Vertreter eher sportlich ausgerichteter Medien nennen das Fahrverhalten des neuen Golf einen Rückschritt.
Fortschritte macht der Golf 3 hingegen bei den Extras. Automatik, Sitzheizung, Wegfahrsperre oder Klimaanlage stehen neu oder stark verbessert in der Aufpreisliste. 1993 kommt noch der Turbodiesel mit Direkteinspritzung dazu, der erstmals das Kürzel TDI tragen darf. Bis zum Dieselskandal mehr als zwei Jahrzehnte später wird er zum Markenzeichen für effiziente Selbstzünder.
Auf den Golf 3 folgen die engen Verwandten der Golf-Familie: 1993 endlich wieder ein Cabrio. Es löst das noch auf dem Ur-Golf basierende Freiluftmobil ab. Erstmals wagt sich VW an einen Kombi auf Golf-Basis, traditionell Variant genannt. Ein Stufenheckmodell, vor allem in den neuen Bundesländern beliebt, geht wieder an den Start. Allerdings wird aus dem Jetta ein Vento.
Ein kurzes Golf-Leben
Dass der Golf 3 in der Beliebtheitsskala der Golf-Fans in einem späteren Rückblick auf dem letzten Platz landet, offenbart sich beim München-Event 1991 noch nicht. Es liegt wohl weniger an den Fahreigenschaften als an der Haltbarkeit. Einsparungen bei Blech und Rostschutz kosten den 3er sein langes Leben.
Vielleicht hätten die kritischen Kommentare der Presse-Familie einen Hinweis liefern können. Trotz alledem verkaufte sich dieser Golf in nur sechs Jahren mehr als 4,8 Millionen Mal. Denn er wurde bereits 1997 abgelöst, ein kurzes Leben im Vergleich zu den beiden Vorgängern.