VW Golf 2 Premiere (1983): Rückblick, Historie
Der VW Golf startet in seiner achten Generation. Zu diesem Anlass erinnert sich unser Autor Peter Maahn an seine Vorgänger. Teil 2: Der VW Golf 2 von 1983.
Es ist ein Jahrhundertsommer, die Deutschen schwitzen. In München melden die Bauhäuser, dass Markisen ausverkauft sind. Die Bundesliga mit Meister und Europapokal-Sieger Hamburger SV hat noch Pause, die Bayern bereiten sich als Vierter der Tabelle auf die neue Saison vor. Weil der kleine VfL Wolfsburg noch keine VW-Millionen auf dem Konto hat, kickt er im Mittelfeld der Oberliga Nord. Denn der Konzern interessiert sich noch nicht für Fußball.
Es ist vor allem der Millionenerfolg des VW Golf 1, der VW überhaupt vor der Pleite rettet. Der Kompakte bringt all das mit, was dem Käfer fehlt: einen modernen Antrieb und ausreichend Platz in Innen- und Kofferraum. Seit seinem Debüt sind neun Jahre vergangen. Jetzt steht der Nachfolger in den Startlöchern.
Vor knapp 30 Jahren probierte sich Volkswagen bereits im SUV-Segment aus.
Erste Fahrt im VW Golf 2: Testrunde ab München
Landung auf dem Flughafen Riem, die Lufthansa Boeing 737 aus Hamburg kommt pünktlich an. Die Hitze drückt beim Warten auf das Shuttle zum Hotel. Es geht zum Presse-Fahrtermin der zweiten Auflage des Golf, wie bei seinem Vorgänger in München. Die Niedersachsen lieben nun mal den deutschen Süden.
Wer einen radikal veränderten Golf erwartet, ist schon seit den ersten Fotos des Neulings ernüchtert. Unverkennbar ein Golf mit breiter C-Säule, kreisrunden Scheinwerferaugen, dem Schrägheck mit großer Klappe. Und doch ist alles anders. Er misst jetzt fast vier Meter, 17 Zentimeter mehr als sein Vorgänger. Dazu ein um rund sieben Zentimeter gestreckter Radstand. Der Golf Nummer zwei ist ein großes Auto geworden.
Sitzprobe vor dem Start ins oberbayerische Alpenvorland. Tolles Raumgefühl, ein komplett neues Cockpit mit vielen geraden Linien, ein Rechteck um die Instrumente. Sie sind von acht Drucktasten umrahmt, von denen einige „blind“ sind, weil eben für Sonderausstattungen reserviert. Die gibt es nur gegen Aufpreis, zum Teil erst später. Vierspeichen-Lenkrad statt deren zwei beim Vorgänger. In Summe nicht aufregend, aber grundsolide. Selbst der Kunststoff besteht den Handauflege-Test.
Kein Rost mehr im neuen VW Golf 2
VW betont bei der Begrüßung der Gäste das, was man auf der ersten Fahrt nicht sieht: Rost soll beim Golf 2 im Gegensatz zu den ersten vier Produktionsjahren des Vorgängers kein Thema mehr sein. Erstmals kommt ein schmales Notrad zum Einsatz, ein richtiges Reserverad kostet Aufpreis. Dessen Abdeckung wölbt sich dann allerdings im Kofferraumboden nach oben. Alle Blechteile im Innenraum sind nun verkleidet. Auch ein Unterschied zum Einser.
In unserem Testmobil hat die saubere Zukunft noch nicht begonnen. Ein Katalysator lässt noch zwei Jahre auf sich warten, kostet dann ungeregelt 720 Mark, geregelt 1.880 Mark. Gleiches gilt für weitere Extras, die heute selbstverständlich sind. Beim Golf 2 tauchen sie nach und nach in der Preisliste auf: Servolenkung, ABS (ab 1987), Zentralverriegelung oder elektrische Fensterheber sind damals enorme Fortschritte.
Wir sitzen in einem CL mit 1,6-Liter-Vierzylinder Saugmotor und 75 PS. Damals eine Standardmotorisierung. Vorne müht sich ein Fallstromvergaser um die Gemischaufbereitung. Auf der Autobahn rennt der Neue immerhin 160 km/h. Bis seine Tachonadel die 100er-Marke erreicht, vergehen allerdings gut 15 Sekunden.
Nach der Autobahn warten kurvige Landstraßen durchs Werdenfelser Land. Hier offenbart sich der Fortschritt der neuen Generation. Der Twist um enge Ecken, die stabile Lage auf dem Asphalt, die präzise Lenkung – der Golf setzt Maßstäbe unter seinesgleichen. VW hat viel getan: breitere Spur, größerer Federweg und eine Verbundlenker-Hinterachse mit einem im VW-Jargon „spurkorrigierenden Achslager“. Unterm Strich also viel besser als der Vorgänger.
Sportliches Fahrgefühl mit 125 Newtonmeter Drehmoment
Nach Maßstäben heutiger Autos sind die gerade mal 125 Newtonmeter Drehmoment natürlich von der bescheidenen Sorte. Doch der Golf hängt gut am Gas und liefert seine Durchzugskraft schon bei 2.500 Touren, was sich vor allem beim Beschleunigen aus Kurven heraus bemerkbar macht. Ein Hauch von 1980er-Jahre-Sportlichkeit mit Alltagsqualitäten und ordentlichem Komfort.
Der Golf als Kompaktwagen ist zu klein? Als Kombi-Version lädt der Golf bis zu 1.620 Liter.
Nachrichten von Bayern 3 aus dem Stereoradio mit Verkehrsfunk. Da ist von der medizinischen Hilfslosigkeit gegenüber einer rätselhaften Krankheit mit Namen Aids die Rede. Oder vom Parteienstreit über die ab 1986 geplante Einführung von bleifreiem Benzin und zwangsweisem Einbau von Katalysatoren in alle Neuwagen. Alles beschlossen von der Regierung Helmut Kohls, der seit fast einem Jahr die Geschicke der Republik lenkt.
Wir sitzen inzwischen in der Top-Version mit ihrem 1,8-Liter-Vergaser-Motor und 90 PS. Der hat immerhin schon ein Fünfgang-Schaltgetriebe, rennt fast 180 km/h und spurtet mit 11,5 Sekunden deutlich rasanter auf Tempo 100 als seine schwächeren Geschwister.
Überboten wird das von der Neuauflage des GTI, der noch ein gutes Jahr auf sich warten lässt. Der nähert sich mit seinen 112 PS der 200-km/h-Marke, die erst 1986 mit der 16-Ventiler-Version des GTI (139 PS) purzelt. Der Golf 2, der bis 1991 gebaut wurde, überrascht bis dahin mit weiteren sogenannten Derivaten: zum Beispiel mit dem allradgetriebenen Syncro, aus dem dann der hochgebockte Country hervorging – eine frühe Form des SUVs. Nur ein Cabrio war dem zweiten Golf nicht vergönnt.
Begeisterte Tester und eine starke Zukunft
Dafür gibt es im Golf 2 großen Sport. Über den Sechzehnventilern startet der Golf GTI G60. In ihm wird der normale GTI-Motor mit einer modifizierten Einspritzung und einem G-Lader 160 PS stark. Eine Kleinserie von VW-Motorsport mit 16V-Zylinderkopf leistet sogar 210 PS. VW will im Rallyesport mitfahren und legt ein verbreitertes Sondermodell mit eigenem Gesicht auf. Seine starke Seite zeigt der Golf aber erst ab dem Facelift im Herbst 1989.
1983 ist das noch reine Spekulation. VW hält seine Ausbau-Pläne der Golf-Familie lange geheim. Doch schon nach der ersten Münchner Testrunde sind sich alle einig. Dank Größenwachstum und Technologiesprung ist der Golf das perfekte Alltagsauto.
Der Erfolg sei ihm sicher, finden die Redakteure. Auch wenn er mit seinem Basispreis von 13.490 Mark (6.898 Euro, inflationsbereinigt rund 13.000 Euro) alles andere als ein Schnäppchen ist. Wegen der damals schon exzessiven Aufpreispolitik der Wolfsburger sind Exemplare für fast 20.000 Mark (10.225 Euro, inflationsbereinigt 19.400 Euro) keine Seltenheit. Trotzdem wird der Golf 2 mehr als 6,3 Millionen Mal gebaut. Für viele gilt er als die beste Golf-Generation.