Volvo XC40 Recharge Pure Electric im Test
Volvo baut den XC40 als reines Elektroauto. Der XC40 Recharge schafft im ersten Test 350 Kilometer Reichweite, kostet aber zu viel. Noch.
Kommt man so der Reichweitenangst bei? Wer wissen will, wie weit Volvos elektrisches Kompakt-SUV noch mit der aktuellen Akkuladung kommt, muss fragen. Okay Google, wie viel Reichweite habe ich noch? Google antwortet. Oder der Volvo? Das lässt sich hier nicht mehr trennen, denn Volvo verschreibt sich beim Infotainmentsystem voll dem Google Betriebssystem Android Auto. Was den XC40 Recharge P8 AWD sonst noch besonders macht, wie er fährt, was er kann und was nicht, liest Du in unserem Fahrbericht.
Rein elektrisch fährt das Kompakt-SUV laut Volvo bis zu 54 km weit.
Der beginnt, wie so ziemlich jeder Fahrbericht eines Elektroautos, in Stille. Reinsetzen, Automatikwählhebel in R oder D kippen, losfahren. Volvo hat von Tesla gelernt und spart den Startknopf ein. Nicht, dass uns das Drücken eines Schalters bislang gestört hätte, doch der Verzicht soll wohl sowas wie Progressivität demonstrieren. Nun.
Er rollt leicht summend los und lässt seinen Antrieb nur durch minimales Pfeifen hören, wenn der Druck aufs Fahrpedal etwas zulegt. Nichts poltert oder kracht aus den Radkästen, der Volvo rollt sanft über Kanten und durch Schlaglöcher. Wichtig, denn in der elektrischen Stille fallen fällt Lärm von den Achsen doppelt auf. Volvo stimmt den XC40 tendenziell straff ab, bei niedrigen Geschwindigkeiten kippelt er ein wenig über Unebenheiten, doch insgesamt gelingt ein feiner Kompromiss aus Komfort und Kontrolle. Leider nicht in der Lenkung. Die wirkt weich und gefühllos. Ein Ausflug ins Infotainment-Menü erlaubt es, sie zu straffen, mehr Rückmeldung vermittelt sie dadurch jedoch nicht.
Macht aber nichts. Man kommt nicht unbedingt auf die Idee, den XC40 sportlich zu bewegen. Dabei könnte man, mindestens längsdynamisch. Volvo startet die neue Generation Elektroautos mit einem Topmodell: Zwei E-Motoren treiben ihn an, einer pro Achse. Jeder leistet 150 kW (204 PS) und stellt 330 Newtonmeter Drehmoment zur Verfügung. Also: 408 PS Systemleistung, 660 Nm Systemdrehmoment.
Wir hatten das auf der Testfahrt zwischenzeitlich kurz vergessen. Bis zum Überholmanöver auf der freien Landstraße: der rechte Fuß streckt sich, der XC40 springt nach vorne. 4,9 Sekunden braucht er aus dem Stand auf Tempo 100 – Sportwagenniveau. Man fragt sich allerdings: Warum?
Vor allem beim Blick auf die Verbrauchsdaten. 23,8 kWh zieht der XC40 alle 100 Kilometer aus dem 78 kWh fassenden Akku, von denen 75 kWh nutzbar sind. Im WLTP-Zyklus soll das für 418 Kilometer reichen. Die erste Testfahrt im norddeutschen Flachland beenden wir mit gut 21 kWh Verbrauch laut Bordcomputer. Das darf gerne weniger sein. Wie der XC40 insgesamt weniger sein dürfte: Nur ein Motor würde ihn sicher effizienter bewegen.
Im Alltag reicht die Reichweite trotzdem. Wir kommen rein rechnerisch auf gut 350 Kilometer mit einer Ladung. Im Stadtverkehr rechnet Volvo mit rund 500 Kilometern Reichweite, die uns nach der ersten Testfahrt jedoch etwas hochgegriffen scheinen. Hier fährt man am besten mit erhöhter Rekuperation und sogenanntem „One-Pedal“. Dann verzögert der Volvo fast bis zum Stillstand, ohne dass die Bremse getreten wird. Außerorts bei freier Straße lässt man lieber rollen. Konfiguriert wird das leider etwas umständlich übers Infotainment-Menü. Wer gerne aktiv die Rekuperation beeinflussen will, wünscht sich einen Knopf dafür oder gar eine Steuerung über Schaltpaddel, wie bei anderen Herstellern. Doch Volvo bietet das nicht an.
Geladen wird mit bis zu 150 kW an Gleichstrom, 40 Minuten gibt Volvo für die Ladung von null auf 80 Prozent an. An der Wechselstromsäule oder der Wallbox lädt er dreiphasig mit 11 kW, über Nacht wird der Akku also locker voll.
Der Volvo XC90 Plug-in-Hybrid fährt rein elektrisch bis zu 46 km weit.
Wer sich dann des morgens auf die Langstrecke machen will, sollte allerdings vorgeplant haben. Wie erwähnt: Volvo setzt beim Infotainment auf die Partnerschaft mit Google. Android Automotive dient als Betriebssystem. Das vernetzt Volvo mit den wesentlichen Fahrzeugdaten, doch die Navigation kommt von Google Maps, zugelassene Apps lassen sich über die Verknüpfung mit dem Google-Konto direkt im Auto abrufen. Die Redundanz aus Infotainment im Auto und Smartphone wird damit aufgehoben.
Doch aktuell hat das System noch, nun ja: Potenzial. Vor allem bei der Routenplanung. Der kommt im Elektroauto eine besondere Bedeutung zu, denn auf längeren Strecken wollen Ladestopps berücksichtigt werden. Macht Maps im Prinzip, aber derzeit maximal einen. Hier lässt das System einen bei der Zieleingabe aus verschiedenen Optionen auswählen und zeigt den erwarteten Akkustand bei Erreichen des Ladestopps an. Fürs Ziel werden allerdings stets 0 Prozent ausgewiesen, auch, wenn es nicht mit einem Stopp erreichbar ist. Einen weiteren Stopp kann man nicht planen, sondern nur Etappe für Etappe. Auch lässt sich kein gewünschter Restakkustand für die Erreichung des Ladestopps oder des Ziels festlegen. Hier legt Google hoffentlich zügig nach.
Von Elektrotechnik und Elektronik abgesehen, ist der elektrische XC40 ganz XC40. Optisch hebt er sich nur durch eine geschlossene Kühlerblende ab. Das Cockpit ändert Volvo gar nicht. Das stört nicht. Verarbeitung und Materialien gefallen, der Sitzkomfort passt auch auf langen Strecken.
Platz gibt es wie im Verbrenner-XC40, sogar im Kofferraum. 414 Liter passen ins Heck, bei umgeklappten Rücksitzen werden es 1.348 Liter – trotz Akku. Außerdem schafft Volvo es, einen „Frunk“ unterzubringen, also einen Kofferraum im Vorderwagen. Bis zu 31 Liter lasen sich hier unterbringen. Das Ladekabel ist hier gut aufgehoben.
Am Ende fällt es dennoch schwer, den XC40 in gegenwärtiger Konfiguration zu empfehlen. Das liegt vor allem am Preis. 62.000 Euro wollen die Schweden für das Auto haben. Der Konkurrent EQA, der effizienter fährt und dadurch bei kleinerem Akku weiter kommt, startet bei gut 47.500 Euro. Doch Volvo verspricht, den Preis anzupassen. Schon bald soll der XC40 Recharge für rund 58.000 Euro zu haben sein. Außerdem folgt noch in diesem Jahr ein Modell mit nur einem Motor und eines mit kleinerem Akku. Schade, dass Volvo nicht damit startet. Das wird sparsamer und günstiger. Wir empfehlen: Warten. Vielleicht kann Android Automotive bis dahin ja auch mehr.
Als das erste Modell der Submarke EQ soll das Elekto-SUV ein neues Kapitel der E-Mobilität bei Mercedes aufschlagen.