Wie Car-to-X-Kommunikation Unfälle vermeidet
Autos können sich gegenseitig vor Gefahren warnen und Unfälle verhindern. Doch die Zahl intelligenter Autos nimmt nur langsam zu.
Moderne Autos sind vollgepackt mit Assistenzsystemen. Doch selbst die modernsten Kameras und Radarsensoren können nicht über Bergkuppen oder um Ecken gucken. Dabei lauern dort die größten Gefahren: Ein plötzliches Stauende, Glatteis oder eine Unfallstelle werden dann zum großen Risiko, wenn man sie nicht kommen sieht. Die Lösung: Autos sollen sich gegenseitig vor derartigen Gefahrstellen warnen. Man nennt das Car-to-Car-Kommunikation. Oder, wenn auch die Verkehrsinfrastruktur eingebunden wird, Car-to-X-Kommunikation. Das gibt es bereits, doch aktuell erfüllen nur wenige Fahrzeuge die nötigen Voraussetzungen dafür.
Damit Autos gefährliche Situationen erkennen, braucht es nicht viel. Bereits der serienmäßig in jedem aktuellen Fahrzeug verbaute Schleuderschutz ESP registriert beispielsweise rutschige Straßenoberflächen. Weil er eingreifen muss. Das Steuergerät für die Bremsen erkennt, wenn der Fahrer ein plötzliches Bremsmanöver einleitet. Schaltet der Fahrer die Warnblinkanlage ein oder die Nebelscheinwerfer fungiert das ebenfalls als Indiz für eine Gefahrensituation. Genau wie die Aktivierung des seit 2018 für neue Fahrzeugtypen vorgeschriebenen Notrufsystems E-Call.
Rein elektrisch fährt der Ford Kuga PHEV maximal 130 km/h schnell und 50 Kilometer weit.
Einheitliche Standards für den Datenverkehr
Die Basis für mehr Verkehrssicherheit ist damit bereits gelegt und in den meisten Autos vorhanden. Die Verkehrssicherheit profitiert jedoch erst, wenn das Auto Kontakt zu anderen Autos erhält, um die Informationen weiterzutragen.
Voraussetzung hierfür ist ein Kommunikationsmodul. Also beispielsweise eine Sim-Karte für den Mobilfunk oder ein WLAN-Modul. Ersteres ist in jedem neueren Fahrzeug vorhanden, da der vorgeschriebene E-Call über das Mobilfunknetz operiert. Schwieriger gestaltet sich die automatische Weiterleitung an andere Fahrzeuge. Egal, ob ein anderes Auto direkt als Empfänger fungiert oder ob die Informationen zunächst über eine Daten-Sammelstelle gleitet werden: Die übertragenen Informationen müssen korrekt interpretiert und verstanden werden. Dafür bedarf es einheitlicher Standards, und zwar markenübergreifend.
Car-to-Car-Kommunikation als Insellösung
Als die ersten Systeme für Car-to-Car-Kommunikation in Neuwagen einzogen, handelte es sich zunächst um Insellösungen einzelner Hersteller. Mercedes etwa, die 2016 zu den Pionieren der Technik zählten, ließ zunächst nur einzelne Modelle miteinander „sprechen“. Nur die E-Klasse der Baureihe W 213 verfügte über entsprechende Technik. Voraussetzung war zudem das große Infotainmentsystem Comand Online mit dem Betriebssystem NTG 5.5.
Volvo vernetzte ab 2019 ebenfalls markeneigene Fahrzeuge miteinander. Immerhin: alle Volvo-Modelle verfügten serienmäßig über einen Assistenten, der andere Volvo-Modelle vor rutschigen Straßen und liegengebliebenen Fahrzeugen warnt („Hazard Light Alert“ und „Slippery Road Alert“).
Der Ford Puma kommt 2020 als Crossover mit Mild-Hybrid-Unterstützung zurück.
Zusammenarbeit mit Navi-Dienstleistern
Seit Sommer 2019 kommt jedoch langsam Einheitlichkeit in die Sprachverwirrung. BMW, Daimler, Ford und Volvo arbeiten gemeinsam mit den Navigationsdienstleistern und Kartenmaterial-Experten Here und Tomtom an einer übergreifenden Kommunikationslösung. Die soll zudem EU-weit funktionieren. Als Übertragungsweg setzt das Konsortium auf Mobilfunk. Fahrzeuge in der Nähe wissen so im Idealfall schon vor einer nicht einsehbaren Kurve, dass dahinter Gefahr droht.
Bei Ford etwa ist die Technik in den aktuellen Baureihen Puma und Kuga verfügbar. Daten, die ein Fahrzeug aussendet, werden zunächst in der Ford-eigenen Cloud gesammelt. Von dort werden sie lokal an andere Fahrzeuge in der Nähe der Gefahrenstelle verteilt. So können jedoch nicht nur andere Fahrer gewarnt werden. Auch Notdienste können alarmiert werden und genaue Standortdaten bereitgestellt werden. So lässt sich der Einsatz von Rettungskräften beschleunigen.
Die Masse macht es
Ein derart gespanntes Sicherheitsnetz ist jedoch immer nur so eng, wie es die Zahl der Teilnehmer möglich macht. Nach wie vor sind Fahrzeuge, die über die notwendigen Systeme verfügen, selten. Außer BMW, Ford, Mercedes und Volvo beherrschen Fahrzeuge aus dem VW-Konzern die notwendige Car-to-X-Kommunikation. Man kann davon ausgehen, dass die Gesamtflotte bislang allenfalls eine niedrige sechsstellige Zahl an Autos in Deutschland umfasst. Zu wenig, um einen nachhaltigen Effekt auf die Verkehrssicherheit auszuüben.
Zumal: Nicht alle Modelle verstehen sich untereinander ohne Probleme. Noch herrscht unter einigen Herstellern Uneinigkeit über den zu nutzenden Technologie-Standard. Zur Wahl stehen Mobilfunk oder WLAN. Zudem genügt es nicht, wenn sich die europäischen Hersteller einig sind. Die Importeure aus Asien stellen ebenfalls einen erheblichen Anteil an Fahrzeugen auf europäischen Straßen. Sie bieten aktuell jedoch keine Gefahrenwarnung an.
Der Weg zur umfassenden Car-to-Car- oder gar zur Car-to-X-Kommunikation ist also noch weit. Einstweilen bietet sie aufgrund der überschaubaren Zahl an intelligenten Fahrzeugen überschaubaren Nutzen. Dazu kostet die Vernetzung bei den deutschen Herstellern auch noch Geld. Üblicherweise ist die Gefahrenwarnung an das Abonnement von Konnektivitätsdiensten gekoppelt. Spätestens zwei bis drei Jahre nach dem Neuwagenkauf fallen Gebühren im niedrigen dreistelligen Bereich dafür an. So dürfte es noch einige Jahre dauern, bis eine umfassende Allianz für die Car-to-X-Kommunikation den Straßenverkehr wirklich sicherer macht.
Mercedes selbst spricht bei der E-Klasse vom "Herz der Marke". Seit 2016 fährt die E-Klasse mit dem Baureihencode 213 über die Straßen.