7 Neunziger-Klassiker mit mehr als 200 PS
Die Neunziger verändern den Automobilbau für immer: Die Fahrzeuge sind sicherer, langlebiger – und leistungsstärker. Unsere Top 7 mit mehr als 200 PS.
Wer an die Neunziger denkt, dem kommen Backstreet Boys, Tamagotchi und aus heutiger Sicht unfassbar hässliche Klamotten in den Sinn. Dabei hatte die Zeit viel Gutes, vor allem für den Automobilbau: Sicherheitsfeatures wie Airbag oder ABS werden Standard. Rost setzt dank verbesserten Korrosionsschutzes immer weniger Modellen zu. Vor allem aber wächst die Leistung. Dank moderner Vierventil-Technik werden leistungsstarke Motoren plötzlich für die Masse erschwinglich.
„Sechzehnvau“ ist angesagt, das steht beim Vierzylinder für 16 statt nur 8 Einlass- und Auslassventile. Wer es sich leisten kann, greift direkt zum hochgezüchteten Sechszylinder, der aus bürgerlichen Limousinen und Kombis regelrechte Familien-Flitzer macht. Auch bei den Sportwagen tut sich einiges: Honda bringt sein Supercar NSX auf den Markt, fein abgestimmt von Formel-1-Weltmeister Ayrton Senna persönlich. Und im Bundeskanzleramt rollt erstmals ein Audi in den Fuhrpark. Hier sind sieben Klassiker aus dieser Zeit, die eines gemeinsam haben: mehr als 200 PS unter der Haube.
BMW M3 (E36) (1992 bis 1999)
Welcher war der beste BMW M3? Eine Ikone ist zweifellos der erste M3 der Baureihe E30 – mit Vierzylinder-Rennmotor der erfolgreichste Tourenwagen aller Zeiten. Das Problem: Der Ur-M3 ist rar und teuer, gepflegte Modelle kosten locker 70.000 Euro. Die Alternative für Motorsport-Fans heißt BMW M3 E36. Von den Rennmaschinen findet man nicht nur deutlich mehr Kandidaten, bei mobile.de stehen im Herbst 2020 Dutzende Inserate. Der 90er-Jahre-M3 ist auch technisch ein Leckerbissen.
Der M3 vereint eine gehörige Portion Understatement mit einem 300-PS-Reihensechszylinder der besonderen Art.
Denn anders als beim Ur-M3 steckt beim M3 E36 ein potenter Reihensechszylinder unter der Haube. Dank Fächerkrümmer und scharfer Nockenwellen leistet das hochgezüchtete Aggregat schon in der Basis-Variante 286 PS. Bei nur drei Litern Hubraum ist das damals eine der höchsten Liter-Leistungen weltweit. Der M3 GT (295 PS) und der M3 3.2 (321 PS) bieten dann noch mehr Leistung. Dazu kommen ein perfekt ausbalanciertes Fahrwerk und klassischer Hinterradantrieb. Fahrspaß pur also, und das zu moderaten Preisen. Ordentliche Exemplare finden sich bei mobile.de ab etwa 15.000 Euro. Weiterer Pluspunkt ist die hohe Alltagstauglichkeit. Als Ableger des Volumenmodells 3er BMW E36 kommen viele Teile des M3 aus dem Konzernregal. Die Technik ist auch solide, die Motoren sind für hohe Laufleistungen gut, sofern der Kühlkreislauf (etwa Thermostat oder Wasserpumpe) gut gewartet wird. Außerdem wurden viele M3 Opfer wilden Tunings, original gebliebene Exemplare sind meist die bessere Wahl.
Mercedes 300 E-24 (1990 bis 1993)
Vierventil-Motoren kommen Anfang der Neunziger groß in Mode. Sie sind effizienter und holen mehr Leistung aus den Brennräumen. Auch Mercedes mischt mit, zunächst mit dem 190 E 2.3-16, dessen scharfen Zylinderkopf die Motorenschmiede Cosworth mitentwickelt. 1990 setzt Daimler mit seinem ersten Vierventil-Reihensechszylinder noch einen drauf. Der neu entwickelte M104-Motor ist mit seinen 220 PS fortan das sportliche Top-Aggregat in der Mittelklasse-Baureihe W124.
Der 300 E mit seinen 180 PS war schon vorher eine Rakete. Der 300 E-24 liefert gegen rund 7.000 Mark Aufpreis noch mal 40 PS mehr. Die möchten aber herausgekitzelt werden, die Höchstleistung liegt erst bei 6.400 Umdrehungen an. Ein Schaltgetriebe, das sonst eher selten war bei 124ern mit Sechszylinder, passt daher besonders gut zum 300 E-24. Wer es komfortabler haben möchte, wählt lieber einen 280 E oder 320 E (ab 1993). Die sind auch mit einem M104 bestückt, der allerdings deutlich leiser und komfortabler läuft. Auch die Ersatzteillage ist bei 280/320 besser als beim eher exotischen 300-24. Vorsicht ist allerdings bei nicht originalen Ersatzteilen geboten: Die zahlreichen Klagen in Internet-Foren lassen sich am besten so zusammenfassen: Finger weg.
Der Top-Speed der Limousine liegt bei für damalige Verhältnisse rasanten 237 km/h. Auch T-Modell, Coupé und Cabrio sind mit dem Vierventil-Aggregat erhältlich. Und viele Käufer lassen bewusst das Typenschild am Heck kleben (das sonst gerne abbestellt wird), weil es so schön lang ist, etwa beim Kombi: 300 TE-24. Bei mobile.de stehen 15 Modelle zum Verkauf (Stand: September 2020), die Preise für gut erhaltene Fahrzeuge beginnen bei 12.000 Euro.
Der Mercedes 330 E-24 sorgt mit seinn 220 PS für eine sportliche und spaßige Fahrt.
Porsche Boxster (1996 bis 2004)
Porsche-Klassiker müssen nicht teuer sein. 1996 stellen die Zuffenhausener den neuen Boxster vor. Zunächst machen wie früher beim 924 wieder Schmähungen wie Hausfrauen- oder Sekretärinen-Porsche die Runde. Denn mit 2,5 Litern Hubraum und 204 PS ist der Roadster für Porsche-Verhältnisse eher sanft motorisiert. Aber er soll ja auch anderen Volks-Rennern wie Mazda MX-5, BMW Z3 oder Mercedes SLK Konkurrenz machen.
Das gelingt dem Boxster. Der Sechszylinder-Boxer ist wassergekühlt, eine Premiere bei Porsche. Der Motor sitzt in der Mitte hinter dem Cockpit, das macht Handling und Fahrerlebnis herausragend. Nur schrauberfreundlich ist die Maschine nicht. Von außen kann man nur Öl oder Kühlwasser nachfüllen, für alle anderen Arbeiten am Motor muss der Wagen auf die Hebebühne. Ärgerlich sind anfangs auch Kinderkrankheiten, vor allem Ölverlust und andere Fertigungsprobleme beim Motor. Die sind bei den meisten Kandidaten aber längst behoben, heute gilt der Boxster unter HU-Prüfern als ein Volkssportler mit sehr haltbarer Technik. Ein Pluspunkt ist auch, dass sich der Roadster viele Teile mit dem etwas später vorgestellten neuen 911er (Typ 996) teilt.
2000 wächst der Boxster-Motor dann auf 2,7 Liter und 220 PS, der Boxster S mit 3,2 Litern liefert sogar 252 PS. Wer Lust auf ein besonderes Porsche-Abenteuer hat, findet hier eine gute Alternative zum 911er. Mehr als 300 Inserate finden sich bei mobile.de (Stand: September 2020), ab 20.000 Euro bekommt man gut gepflegte Modelle.
Gegen Aufpreis ist der 718 Boxster auch als „S“-Variante mit 50 zusätzlichen Pferdestärken verfügbar.
Honda NSX (1990 bis 1997)
Kaum zu glauben, aber mit dem NSX zeigt Honda Porsche, Lamborghini oder Ferrari, dass man auch in Japan Superportwagen bauen kann. 1990 kommt die Flunder auf den Markt und brennt ein Technik-Feuerwerk ab. Als eines der ersten Serienautos überhaupt besteht die Karosserie aus rostbeständigem Aluminium. Ein Mittelmotor mit 274 PS sorgt für agiles Handling. Das Feintuning des Boliden übernimmt der dreimalige Formel-1-Weltmeister Ayrton Senna höchstpersönlich. Auf der Rennstrecke kann Senna dem NSX einiges abverlangen. Mit Pleueln aus Titan verträgt der V6 Drehzahlen bis 8.000 Umdrehungen und erreicht 270 km/h Spitze.
Sensationell ist die Alltagstauglichkeit des Honda NSX. Mit einem Verbrauch von 9 bis 10 Litern hat der Japaner nur sehr wenig Durst. Auch die Wartungskosten sind für einen Supersportwagen moderat. Die Technik ist exquisit, aber nicht kapriziös wie bei einem Maserati Biturbo oder komplizierten Ferrari. Das mache den NSX umgänglich wie einen normalen Civic, loben Autojournalisten seinerzeit. Dieser gute Ruf hatte allerdings unerwünschte Folgen: Er führte dazu, dass viele NSX-Käufer die Wartung vernachlässigten. Und mit Reparaturstau wird auch der Unterhalt eines NSX sehr kostspielig. Wichtig beim Kauf ist daher eine nachvollziehbare Historie. Außerdem sollte man Sound- und Klimaanlage gut inspizieren, beide quittieren im Alter gerne ihren Dienst.
Gleichwohl sagen Kenner heute, dass der NSX technisch seiner Zeit um gut zehn Jahre voraus gewesen sei. Heute ist der Nippon-Ferrari erst recht eine Ikone. Vor allem, weil man ihm kaum ansieht, wie schnell und gut er ist. 23 Fahrzeuge sind bei mobile.de inseriert (Stand: September 2020). Ihre Preise beginnen bei gut 60.000 Euro.
Mit dem NSX zeigt Honda Porsche, Lamborghini oder Ferrari, dass die Japaner großartige Supersportwagen bauen können.
Audi A8 3.7/4.2 (1995 bis 2002)
Dass Firmenchefs oder Politiker mit einem Audi vorfahren, ist Anfang der 90er-Jahre noch relativ neu. Luxuriöse Staatskarossen kamen früher entweder von BMW oder Mercedes. Das ändert sich mit dem Audi V8, der allerdings nur ein aufgeblähter Audi 200 ist. Mit dem ersten A8 (D2) gelingt Audi 1994 endgültig der Durchbruch in der Oberklasse. Bei der Luxuslimousine handelt es sich um eine technische Neukonstruktion, die Maßstäbe setzt. Dazu gehören die erste Aluminium-Karosserie in einem Oberklasse-Großserienmodell und der Allradantrieb Quattro. BMW 7er (E 38) und Mercedes S-Klasse (W140) bieten so etwas nicht.
Einstiegsmotorisierung beim Audi A8 ist wie bei der Konkurrenz ein Sechszylinder mit 174 PS (später 193 PS). Besser passt zu der schweren Limousine aber der große Achtzylinder. Beim 3.7 sind es 230 PS, ab 1998 sogar 260 PS mit abgeregelten 250 km/h Spitze. Allerdings muss man den Allradantrieb beim 3.7 dazukaufen, serienmäßig laufen die „kleinen“ V8-Modelle mit nicht ganz standesgemäßem Frontantrieb vom Band. Serie ist Quattro dagegen beim 4.2 mit 300 PS und satten 400 Newtonmetern Drehmoment.
Rost ist beim ersten A8 dank der Aluminium-Karosserie kaum ein Thema. Dafür verlangt die komplizierte Technik besonderes Augenmerk: Der Zahnriemenwechsel (alle 120.000 Kilometer) dauert fünf Stunden, besser also, der Vorbesitzer hat sich um diesen Eingriff bereits gekümmert. Auch normale Inspektionen und Wartungsarbeiten wie neue Bremsen kosten einiges – Oberklasseauto eben. Ein ordentlicher Pflegezustand ist beim Audi A8 daher wichtigstes Kriterium.
Ab 1998 steht übrigens noch eine Langversion, der 4.2 Liter, mit 310 PS zur Verfügung. In diesem Jahr wird der Sozialdemokrat Gerhard Schröder Bundeskanzler – chauffieren lässt er sich mit einem gepanzerten Audi A8 4.2. Bei mobile.de stehen im Herbst 2020 knapp 200 Exemplare zum Verkauf. Gut 10.000 Euro müssen Interessenten investieren.
Die Limousine mit klassischer Optik feiert 2002 Premiere. Der A8 ist mit einem Turbo-Benziner ausgestattet und besteht überwiegend aus Aluminium.
Land Rover Range Rover 4.2 HSE (1994 bis 2002)
Der um die Jahrtausendwende langsam aufkommende SUV-Hype macht auch klassische Geländewagen immer attraktiver. Ein Geheimtipp ist der Range Rover LP/P38A der zweiten Modellgeneration von 1994 bis 2002. Diese Luxus-Hochbeiner haben noch die schönen eckigen Rundungen, aber bereits viel moderne Komfortsysteme an Bord. Die feinen Ledersitze etwa könnte man auch in ein britisches Club-Zimmer stellen. Das Platzangebot im „Range“ ist ebenfalls enorm. Liebhaber schwärmen von der tollen Soundanlage, doch der Hörgenuss endet nicht bei den Boxen. Wenn der Achtzylinder-Motor aus Aluminium angelassen wird, kommt das Grinsen von ganz allein.
Rauchigen Klang bieten alle V8 beim Range Rover, auch der 4,0 mit 190 PS im SE. Um das über zwei Tonnen große Dickschiff standesgemäß zu bewegen, sollte es aber schon der 4,6 HSE sein. Der leistet 224 PS und knickt auch bei forscheren Gelände- oder Landstraßen-Manövern nicht ein. Allerdings sollte man die Tankanzeige im Blick halten. Unter 15 Litern Durchschnittsverbrauch lässt sich der Range Rover nicht bewegen. Zudem sind die Preise für Ersatzteile ziemlich saftig. Technik und Motoren gelten als robust. Als Schwachstelle gilt der Kofferraum. Hier kann Wasser eindringen, das sich dann in der Reserveradmulde sammelt. Grund ist oft eine malade Heckklappen-Dichtung. Die Austauschteile sollen inzwischen besser verarbeitet sein.
Wer mit diesen Problemzonen leben kann, bekommt mit dem Range Rover einen vollwertigen Geländewagen. Insgesamt 13 sind bei mobile.de inseriert (Stand: September 2020, Preis: ab 4.500 Euro). 2002 kommt dann die eher auf SUV weich getrimmte dritte Modellgeneration.
Der Range Rover bietet einen rauchigen Klang mit seinen 190 PS und sorgt für eine sportliche Fahrt
Volvo 960 3.0i 24V (1990 bis 1998)
Ab den frühen Neunzigern werden die Autos immer langlebiger. Der Grund: Der Rostschutz wird deutlich verbessert, dazu kommen hohe Technik- und Sicherheitsstandards. Bei Volvo avanciert der 940/960 zu einem Langzeitauto, das mit etwas Pflege ewig halten kann. Korrosion ist kein Problem, auch die Technik ist grundsolide. Laufleistungen von einer halben Million Kilometer sind beim 900er keineswegs selten.
Die Vierzylinder im 940 reichen aus. Wer sich etwas gönnen möchte, greift zum 960 mit Sechszylinder. Top-Modell ist der laufruhige 3.0i mit 24 Ventilen und 204 PS. Der Vorteil: Statt der holprigen Starrachse hinten bei den Vierzylindern bekamen die 960er-Limousinen eine aufwendige Mehrlenkerachse spendiert. Noch beliebter ist der Kombi mit Ladefläche im Kleinlaster-Format. Weiterer Pluspunkt: Der Volvo 900 (ab 1996 heißen die Modelle V90/S90) läuft noch mit klassischem Hinterradantrieb vom Band.
Mit Korrosion haben 960-Fahrer selten Probleme, da die Bleche sehr gut gegen Rost geschützt sind. Dafür fällt hin und wieder der Tacho aus. Der muss dann an Spezialfirmen zur Reparatur geschickt werden – Kostenpunkt: 200 Euro + Ein- und Ausbaukosten. Die Ersatzteillage ist, was Verschleißteile betrifft, hervorragend. Für den Zahnriemen-Wechsel braucht man allerdings Spezialwerkzeug, das nicht jede Werkstatt hat.
1998 geht die Ära des Hinterradantriebs bei den Schweden zu Ende, Liebhaber schwärmen beim 940/960 deshalb heute vom „letzten echten Volvo“. Bei mobile.de stehen 35 Volvo 960 zum Verkauf (Stand: September 2020). Ab 7.500 Euro bekommt man gut erhaltene Modelle.