Diese SUVs haben das Zeug zum Klassiker
VW Country, Opel Frontera, Toyota RAV4: Vor 25 Jahren kommen die ersten SUVs in Mode. Wir stellen sieben Crossover der ersten Stunde vor.
Groß, komfortabel und absatzstark: SUVs boomen, die mitunter “Stadtgeländewagen” genannten Sport Utility Vehicles bilden inzwischen in Deutschland die größte Fahrzeugklasse bei den Neuzulassungen. Da lassen die Zahlen keinen Zweifel zu. In einer anderen Frage schon: Wann schlug eigentlich ihre Geburtsstunde?
Klar, nach den Ahnen der SUVs muss man im Offroad-Bereich suchen. Modelle wie Toyota Land Cruiser, Nissan Patrol oder Lada Niva kommen hier infrage. Aber das sind waschechte Geländewagen, die in der afrikanischen Savanne oder in der russischen Taiga zurechtkommen müssen.
Das moderne Sport Utility Vehicle kann da in der Regel nicht mithalten. Für die Einkaufsstraße in der Stadt braucht es kein Untersetzungsgetriebe und keine starre Hinterachse. Schick soll der Wagen sein – und irgendwie abenteuerlich aussehen. Das verführt die Hersteller Anfang der 1990er-Jahre zu den ersten Experimenten mit Lifestyle-Offroadern. Das Ergebnis sind zunächst verspielte und mutige Fun-Cruiser und Crossover wie VW Golf Country oder Suzuki Vitara. Später kommen die Faktoren Komfort und Motoren-Power dazu. Die süddeutschen Premium-Marken bringen schwere und starke SUVs wie Mercedes ML, BMW X5 oder Porsche Cayenne auf den Markt. Einige der ersten SUVs stehen heute an der Schwelle zum Oldtimer-Alter. Wir zeigen sieben SUVs mit Klassiker-Potenzial.
VW Golf II Country (1990 bis 1991)
Er gehört zu den größten Flops der VW-Geschichte und gilt doch als Mitbegründer der SUV-Welle. Wie das zusammenpasst? Eigentlich ist es eine geniale Idee der VW-Konstrukteure, einen Golf im Offroad-Look aufzulegen – sie kommt nur etwas zu früh. Bereits 1990 rollt der Golf Country auf den Markt. Basis ist der solide Golf II Synchro mit Allradantrieb. Bei Steyr-Daimler-Puch in Österreich wird dessen Karosserie mit einem Stahlrohrrahmen um zwölf Zentimeter höhergelegt. Dazu kommen verstärkte Federn und Dämpfer sowie Rammschutzbügel an Front und Heck.
Das Ergebnis sieht prima aus, nur leider fehlt die Differenzialsperre. Gepaart mit den schmalen 195er-Sommerreifen hält sich die Geländegängigkeit des Synchro stark in Grenzen, zu schnell bleibt er im Matsch stecken. Förster, Waldarbeiter und andere Outdoor-Aktive winken angesichts eines Kaufpreises von bis zu 42.000 Mark ab. Nach nicht einmal 8.000 verkauften Exemplaren wird die Produktion 1991 wieder eingestampft. Umso begehrter ist der VW Golf Country heute bei Sammlern – besonders, wenn er einen GTI-Motor unter der Haube hat. 50 GTI-Country werden seinerzeit exklusiv an VW-Mitarbeiter ausgeliefert.
Ein Golf für Schlamm und Morast. Das außergewöhnliche SUV im Offroad-Look ist ein wahrer Klassiker.
Opel Frontera (1991 bis 2004)
Aufgebockte Großlimousinen mit Technik aus dem Konzernregal: Auch Opel erkennt den Reiz extravaganter SUVs früh. 1991 stellen die Rüsselsheimer den Frontera vor. Dabei handelt es sich um einen Lizenz-Nachbau des Isuzu Wizard aus der GM-Konzernfamilie. Opels erster Offroader wird aus dem Stand ein Verkaufserfolg: Der Allradantrieb im Frontera schleppt ansehnliche 2,8 Tonnen Anhängelast, sogar ein Untersetzungsgetriebe gehört zur Serienausstattung. Die Motoren übernimmt der Frontera dagegen von der Straßen-Limousine Omega.
Dessen Aggregate machen auch im Frontera eine ordentliche Figur, zumindest gilt das für die modernen Direkteinspritzer-Diesel. Die älteren Selbstzünder neigen dagegen zu Überhitzungen im schweren Frontera, die Zylinderkopfdichtung brennt gern durch. Auch Ölverlust, Elektrikprobleme und undichte Hinterachsen machen vielen Frontera-Fahrern seinerzeit Probleme. Kenner raten daher zum Frontera B (ab 1998), der etliche Kinderkrankheiten seines Vorgängers überwunden hat.
1991 startete der Verkauf des amerikanischen Geländewagens. 29 Jahre später gilt er als beliebter Klassiker.
Suzuki Vitara (1988 bis 1998)
Wie aus Geländewagen weich gespülte, populäre SUVs wurden? Als entscheidender Zwischenschritt dieser Evolution könnte irgendwann der Suzuki Vitara Anerkennung finden. Die erste Generation erscheint schon 1988 und überzeugt mit einer Robustheit, die rustikalem Geländebetrieb in Wald und Bergland standhält. Das Allradgetriebe hat echte Nehmerqualitäten, auch Rost am Rahmen kommt selten vor. Dazu gesellen sich langlebige Motoren, wobei der 1,6er mit 97 PS etwas schwächlich ist. Besser, man wählt den 2,0-Liter-V6 mit 136 PS.
Und doch: Trotz dieser Talente ist der Vitara eines der ersten Lifestyle-Modelle mit erhöhter Bodenfreiheit. Als Dreitürer gibt es ihn sogar als Cabrio. Daneben ist ein größerer Fünftürer erhältlich, der das Fundament für spätere Komfort-SUV-Nachkommen legt. 1998 folgt der Suzuki Grand Vitara mit zuschaltbarem Allradantrieb. Spätere Vitara-Generationen bieten ihn sogar nur noch optional an. Die ganz spezielle Kombination aus echtem Lifestyle und richtigen Offroad-Talenten findet man jedoch vor allem bei der ersten Generation. Das gilt vor allem für die Roadster-Variante X-90 – ein klarer künftiger Klassiker.
Ob als Cabriolet oder Fünftürer: Das populäre SUV überzeugt mit seinem robusten Wesen.
Toyota RAV4 (1994 bis 2000)
Zu den ersten waschechten SUVs zählt der RAV4 von Toyota. Die Japaner machen 1994 keinen Hehl daraus, dass dieses Auto kein Geländewagen, sondern ein Fun-Cruiser ist. Statt Leiterrahmen besitzt der hochgelegte Kompakte eine selbsttragende Karosserie. Auch Starrachsen sind ihm ein Fremdwort, der Allradantrieb ist eher für die Straße gemacht. Kurzum: Das Lifestyle-SUV ist geboren. Vor allem als Dreitürer eignet sich der Toyota mit nur 3,72 Metern Länge prima als “Stadtgeländewagen”.
Trotzdem oder genau deswegen kommt der RAV4 bei der Kundschaft gut an. Ein VW Tiguan ist schließlich auch nur ein höher gelegter Golf, oder? Toyotas RAV4 bietet Corolla-Technik, sieht aber aufregender aus. Und ein bisschen Gelände kann er ja auch mit seiner erhöhten Bodenfreiheit und den kurzen Überhängen beim Blechkleid. Und Autobahn: Knapp 190 km/h sind drin mit dem Zweiliter-Vierventiler. Kurzum: ein Multitalent – heute nennt man das Crossover.
1994 begründet der Toyota RAV4 das Segment der Stadt-Geländewagen.
Mercedes M-Klasse (1997 bis 2005)
Ende der 1990er-Jahre entdeckt die automobile Oberklasse das SUV-Segment für sich. Knuffigen Spaßmobilen wie dem Suzuki Vitara werden protzige Highend-Offroader zur Seite gestellt. 1997 macht Mercedes-Benz mit der neuen M-Klasse den Anfang. Der ML (W163) sieht aus wie ein Geländewagen, soll aber gleichzeitig den hohen Komfort-Ansprüchen der Daimler-Kundschaft genügen.
Das klappt zunächst nicht in allen Details. Viele Bauteile des in den USA produzierten ML sind nicht so hochwertig, wie es die Kunden von anderen Modellen aus Stuttgart gewohnt sind. Beim ML 230 kommt ein schwächlicher Motor dazu. Mit 150 PS ist der Vierzylinder aus der E-Klasse mit dem mehr als zwei Tonnen schweren SUV überfordert. Der V6 im ML 320 (220 PS) kann da schon mehr. Wirklich überzeugend sind die Fahrleistungen der M-Klasse mit V8-Motor. Ein ML 430 oder ein ML 500 machen heute noch Spaß. Facelift-Modelle ab 2002 zeichnet ein überarbeitetes Fahrwerk sowie eine aufgehübschte Karosserie aus.
Die M-Klasse eröffnet das SUV-Segment des Herstellers. Ihr hoher Komfortstandard überzeugt sofort.
BMW X5 (1999 bis 2006)
BMW reagiert 1999 mit dem X5 (E53) auf den Wurf von Mercedes. Der bullige Allradler ist das erste SUV der Münchner. Mit Vierzylindern wie bei der Konkurrenz müssen sich X5-Fahrer nicht begnügen. Einstiegsmotorisierung ist der 3.0i mit Reihensechszylinder und 231 PS. Deutlich mehr Drehmoment bieten aber die Diesel-R6 – oder man nimmt direkt einen der wuchtigen Achtzylinder.
Der BMW X5 4.4i etwa schafft trotz weit mehr als zwei Tonnen Leergewicht über 200 km/h. Ein 4,6is oder 4,8is bringt es sogar auf mehr als 240 km/h – auf der Autobahn, wohlgemerkt. Für schwere Geländeeinsätze ist ein X5 weniger gut geeignet. Seine Stärken liegen eindeutig auf der Straße. Dort zeigt sich der schwere Brocken aus Bayern auch heute noch forsch bis brachial im Auftritt.
Der letzte X5 der Baureihe E53 lief 2006 vom Band. Heute zählt das SUV zu den kommenden Klassikern.
Porsche Cayenne (2002 bis 2010)
Ein aufgebockter Porsche: Der 2002 vorgestellte Cayenne sorgt bei Porsche-Fans für große Irritationen. Schließlich haben die Zuffenhausener bis dato ausschließlich Sportwagen gebaut. Der Cayenne ist das erste SUV der Sportwagenmarke, aber auch in “SUV” steckt ja das Wort Sport. Mag der neue Allradler auch weit mehr als zwei Tonnen wiegen, lahm ist er keineswegs.
Mit dem Porsche Cayenne betritt der Sportwagenhersteller 2002 erstmals das SUV-Terrain.
Schon mit der Basismotorisierung – einem 250 PS starken V6 – rennt der Cayenne 214 km/h Spitze. Die V8-Versionen S, GTS oder Turbo S schaffen zwischen 240 und wahnwitzigen 270 Kilometern pro Stunde. Damit ist der erste Cayenne (Typ 9PA) seinerzeit das schnellste Serien-SUV. Mit VW Tuareg und Audi Q7 teilt er sich die Plattform und viele technische Komponenten. Das erleichtert heute die Ersatzteilbeschaffung. Ordentlich erhaltene Cayenne der ersten Generation finden sich zurzeit schon für unter 10.000 Euro – nicht viel Geld für einen Porsche, noch dazu einen so großen.