Der Smart Electric Drive (ED, EQ) im Alltagstest
Smart macht Ernst mit Strom: Im August 2019 sollen die letzten Fortwo mit Verbrenner vom Band rollen. Was also taugt der elektrische Smart im Alltag?
- Karosserie, Abmessungen, Platzangebot
- Innenraum, Verarbeitung, Materialien
- Infotainment, Radio, Bedienung
- Assistenzsysteme und Sicherheit
- Antrieb, Getriebe, Motor, Fahrleistungen
- Fahrwerk, Lenkung, Federung, Fahrverhalten
- Ausstattung, Preise, Kosten
- Fazit zum Smart Fortwo ED
- Technische Daten: Smart Electric Drive (EQ)
Daimler stellt Smart komplett auf Strom um. Mitte 2019 schließen die Bestelllisten für die Benziner, bis 2020 sollen sie aus den Autohäusern verschwunden sein. Spätestens dann gibt es den Fortwo als Coupé und Cabrio nur noch elektrisch.
Fragt sich, wie gut der Smart Fortwo Electric Drive, der seit Mitte 2018 EQ heißt, das alte Smart-Versprechen vom perfekten Stadtwagen erfüllen kann. Zwei Wochen lang fuhren wir mit dem Knirps zur Arbeit, nach Hause und für kurze Ausflüge aufs Land. Noch mit dem alten Modell “ED”, bevor Daimler es in “EQ” umbenannte - außer Name und Logo hat sich aber nichts geändert.
Die gute Nachricht: Reichweiten-Angst hatten wir nicht, im Stadtverkehr dafür richtig Spaß. Nur ungern gaben wir den Testwagen zurück. So viel vorweg: Trotz unübersehbarer Schwächen und hoher Preise steht dem Smart der Elektroantrieb ausgezeichnet.
Karosserie, Abmessungen, Platzangebot
Weniger ist mehr, das gilt beim Smart vor allem für die Außenlänge. Die 2,50 Meter der ersten Generation sind leider längst Geschichte, die 3. Generation mit dem Code 453 misst 2,70 Meter. Quer zur Parkspur parkt es sich damit nicht mehr überall problemlos. Aber abends vor der Haustür erspart es nach wie vor manche suchende Runde um den Block. Blöd nur: Mehr als ein Passagier darf nicht mitfahren.
Die 260-350 Liter Gepäckraum, die Daimler angibt, täuschen. Smart rechnet bis zum Dach. Allzu viel passt in der Praxis nicht hinter die Sitze ,,ein Wochenende zu zweit erfordert Disziplin beim Packen. Im Elektro-Smart muss dabei noch der Raum für das Ladekabel eingeplant werden. Die zweigeteilte Heckklappe ist praktisch, außer die Kofferraumabdeckung ist zu. Dann wird es fummelig, schnell klemmt man sich den Finger.
Fahrer und Beifahrer genießen ab der Hüfte aufwärts viel Raum, die Füße werden wegen der Radkästen etwas eingeengt. Die ragen relativ weit in den Innenraum und zwingen den Beifahrer zu einer schrägen Beinhaltung. Der Fahrer muss den linken Fuß leicht anwinkeln.
Innenraum, Verarbeitung, Materialien
Ignorieren wir kurz den Preis von mindestens 21.940 Euro: Allzu wertig wirkt der Smart innen nicht. Es steckt viel hartes, glänzendes Plastik im Cockpit. Das können viele Kleinwagen besser. Daran ändert auch das verspielte Design des Fortwo nicht viel.
Viele Details wirken billig: Die runden Lüftungsdüsen, der klapprige Schieber der Klimaanlage, Hebel und Knöpfe auf dem Mitteltunnel, die Verstellung der Außenspiegel. Immerhin zieht gegen Aufpreis Stoff oder Lederoptik ins Cockpit ein. Immerhin bezieht Smart das Armaturenbrett auf Wunsch mit Stoff. Das wirkt etwas hübscher, kostet aber mindestens 1.390 Euro zusätzlich.
Es hilft nichts, 21.940 Euro ist für diese Qualität schlicht zu teuer. Daran ändert es nichts, wenn der Kunde mehr Geld in höhere Ausstattungen investiert. Selbst die Ledersitze der Prime-Ausstattung (1.990 Euro) führen nicht zu einem deutlich wertigeren Gesamteindruck.
Infotainment, Radio, Bedienung
Ein schlichtes Radio mit Bluetooth und Monchrom-Mini-Display gehört im Smart EQ zur Serienausstattung. Damit lässt sich Musik gut streamen. Wem das nicht reicht, dem hilft das Cool & Media Paket für 770 Euro Aufpreis. Es bringt einen 7-Zoll-Touchscreen, Navigation und Android Auto ins Fahrzeug. Android Auto ohne teures, fest installiertes Navi? Würde in einem Stadtflitzer viel SInn ergeben, ist aber leider nicht lieferbar. Immerhin gibt es eine Smartphone-Halterung (100 Euro), mit der sich Google Maps oder ähnliche Apps nutzen lassen.
Ebenfalls nicht Premium: Die serienmäßige Audioanlage klingt wie ein Kofferradio im Schuhkarton. Alternativ bietet Smart ein JBL-System mit acht Lautsprechern und Subwoofer an. Der Subwoofer lässt sich herausnehmen. Fährt er mit, klaut er Platz im Kofferraum.
Ist das komplette Multimedia-Angebot an Bord, gibt es immerhin keine Rätsel auf. Die Kacheln für Navi, Radio und Fahrdaten erklären sich von selbst. Das alles ist recht einfach gestaltet – und sieht nicht so richtig nach Zukunft aus.
Assistenzsysteme und Sicherheit
Serienmäßig baut Smart einen Bremsassistenten, einen Knie-Airbag, Tempomat, Seitenwind-Assistent und Berganfahrhilfe in den Smart. Der Seitenwind-Assistent ist nötig, wegen des kurzen Radstands: Andernfalls würde der kleine Zweisitzer auf freier Strecke zu instabil fahren. Ein Spurhalteassistent kostet 380 Euro Aufpreis, die (normalerweise überflüssige) Einparkhilfe hinten 300 Euro, die ebenso überflüssige Rückfahrkamera 345 Euro.
Mehr Assistenten gibt es nicht, nicht einmal LED- oder Xenonscheinwerfer. Der Smart leuchtet immer mit Halogen. Das LED-Paket für 550 Euro bietet Schlussleuchten und Tagfahrlicht in LED, dazu Nebelscheinwerfer mit statischem Abbiegelicht. Stichwort Sicherheit: Den Einklemmschutz für die elektrischen Fensterheber koppelt Daimler an die gehobenen Ausstattungen. Immerhin die Aufpreispolitik erinnert also an Mercedes.
Antrieb, Getriebe, Motor, Fahrleistungen
Der elektrische Smart fährt unverkennbar wie ein Smart. Nur besser. Kein orgelnder Dreizylinder, kein mitunter störrisches Doppelkupplungsgetriebe - der Elektro-Smart mit seiner festen Übersetzung dreht problemlos hoch und stellt immer genug Power bereit. Lediglich der Übergang vom Bremsen in den Schubbetrieb klappt nicht ganz so harmonisch. Die Bremsenergie-Rückgewinnung wirkt dann mitunter etwas ruppig.
Der Elektromotor, den Renault zuliefert, leistet 60 kW (82 PS) und 160 Newtonmeter Drehmoment. Zu wenig für großen Sport, aber den erwartet im Smart auch niemand. Von der Ampel weg macht dem Flitzer keiner was vor, Tempo 60 schafft er in 4,9 Sekunden. In der Stadt macht das richtig Spaß. Bei höheren Geschwindigkeiten wird es zäher (0-100 km/h: 11,5 s) - aber im Überlandverkehr wäre der Elektro-Smart ja auch fehlbesetzt.
Der Akku speichert 17,6 kWh Energie, was laut Datenblatt für 145-160 Kilometer Reichweite genügen soll. Der Durchschnittsverbrauch im WLTP-Messzyklus beträgt 15,7-13,5 kWh pro 100 Kilometer. Das wirkt eher etwas konservativ: In der Stadt brauchten wir im schlechtesten Fall 15,4 kWh laut Bordcomputer. Im besten Fall waren es 12,7 kWh. Wer in Ruhe ins übernächste Dorf fährt, kann auch mit 12,1 kWh auskommen.
Im Alltag sollten Elektro-Smart-Fahrer mit einer Reichweite von rund 130 Kilometern kalkulieren. Dann ist man auf der sicheren Seite. Im Stadtverkehr muss man längst nicht täglich laden - und der relativ kleine Akku ist schnell wieder gefüllt. Sechs Stunden vergehen an der Haushalts-Steckdose von 20 bis 100 Prozent, an einer Wallbox nur 3,5 Stunden. Wer weder zuhause noch am Arbeitsplatz laden kann, wird jedoch auf die Dauer nicht glücklich werden mit dem Smart. Dafür ist auf die Verfügbarkeit öffentlicher Ladesäulen in den meisten Städten noch nicht genug Verlass.
Fahrwerk, Lenkung, Federung, Fahrverhalten
Auch beim Fahrverhalten gilt leider: Der elektrische Smart Fortwo lenkt und federt, wie ein Smart Fortwo eben lenkt und federt. Die Lenkung ist leichtgängig, bietet aber wenig Rückmeldung. In der Stadt kein echtes Problem. Die straffe Federung und der kurze Radstand sorgen für den bekannten “Hoppel-Effekt”. Daran lässt sich bei 2,70 Metern Fahrzeuglänge nicht wirklich etwas ändern. Immerhin wirkt der Wagen damit agil und wendig.
Die größte Smart-Sensation ist und bleibt der Wendekreis von gerade mal 6,95 Metern. Er kommt um jede noch so enge Kurve und lässt sich auch in vielen Nebenstraßen oft in einem Zug wenden. Das ist im Stadtverkehr wirklicher Komfort. Im ED fällt das noch mehr auf als im Benziner, weil der Antrieb sich so unkompliziert fährt.
Ausstattung, Preise, Kosten
21.940 Euro kostet der Smart EQ, für 25.200 Euro steht das Cabrio in der städtischen Garage. Für diesen Preis gibt es bereits vollwertige Autos mit vier Sitzen, oder auch fast zwei Smart mit Benziner. Sicher, wer einen Smart kauft, tut das trotz des Preises - nicht deswegen. Weil es eben bisher nicht wirklich eine Alternative zum Smart gibt. Immerhin gibt es 4.000 Euro Elektrobonus.
Trotzdem darf man von einem Daimler und zu diesem Preis mehr erwarten. Mehr Verarbeitungs- und Materialqualität und mehr Inklusiv-Ausstattung. Unser Testwagen kostete laut Preisliste mehr als 28.000 Euro. Dafür bekommt man eine neue Mercedes A-Klasse. Oder einen Renault Zoe mit 22-kWh-Akku und allen verfügbaren Optionen plus einen schönen Urlaub.
Fazit zum Smart Fortwo ED
Daimler kann diese Preise verlangen, weil der Smart keinen echten Konkurrenten hat. Wenn Kürze über alles geht, wird sich daran vorerst nicht viel ändern. Allerdings hat in Aachen die Serienproduktion des e.GO Life begonnen. Der misst sehr kompakte 3,35 Meter und bietet in der Topversion 145 km Reichweite ab 19.900 Euro. Wer mit weniger zurechtkommt, bekommt ihn später schon für 15.900 Euro - abzüglich Umweltprämie.
Kann das Aachener Strom-Start-up dem Smart Fortwo in die Suppe spucken? Noch ist er in seiner Klasse konkurrenzlos. Kein anderer Hersteller baut ein so konsequentes Stadtauto in Großserie. Im städtischen Alltag fällt es daher leicht, die Schwächen des Smart zu übersehen und den Preis in gewonnene Lebensqualität umzurechnen. Flink im Verkehr, kaum eine Parklücke zu klein - das überzeugt. Wenn mehr als zwei Personen mitfahren wollen, hilft er leider nicht weiter.
Der Schritt, den Smart nur noch elektrisch anzubieten, ist konsequent. Denn mit seinem gelungenen Antrieb ist der Strom-Smart als ED oder EQ schon bisher der bessere Smart. Wenn man den Preis vergisst.
Technische Daten: Smart Electric Drive (EQ)
- Antrieb: Fremderregter Drehstrom-Synchronmotor
- Leistung: max. 60 kW (82 PS)
- Drehmoment: 160 Nm
- 0-100 km/h: 11,5 s
- Höchstgeschwindigkeit: 130 km/h
- Verbrauch: 15,7–13,9 kWh/100 km (WLTP)
- CO2: 0 g/km
- Testverbrauch: 13,2 kWh/100 km
- Länge: 2.695 mm
- Breite: 1.663 mm
- Höhe: 1.555 mm
- Radstand: 1.873 mm
- Leergewicht: 1.085 kg
- Kofferraum: 260-350 l
- Basispreis Smart Fortwo EQ: ab 21.940 Euro
- Preis des Testwagens (ED): 28.682 Euro