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Etwa ein Viertel aller Staus werden von Baustellen verursacht. Umso ärgerlicher, wenn dort scheinbar nie jemand arbeitet
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Etwa ein Viertel aller Staus werden von Baustellen verursacht. Umso ärgerlicher, wenn dort scheinbar nie jemand arbeitet

Eine Baustelle nach der anderen hindert uns am Vorankommen auf der Autobahn. Und nirgends weit und breit ist ein Bauarbeiter zu sehen. Was machen die eigentlich den ganzen Tag? Etwa 25 Prozent aller Staus gehen auf das Konto von Baustellen. Umso ärgerlicher ist es, wenn es sich um sogenannte  Schlafbaustellen handelt, auf denen scheinbar niemand arbeitet. Doch es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum Baustellen menschenleer wirken – oder es sogar sind.

Wetterbedingte Arbeiten

Wie in anderen Handwerksbereichen auch, ist die Arbeit auf Autobahnbaustellen von der Witterung abhängig. Steht nach einem Starkregen die Baustelle unter Wasser, bedeutet das Zwangspause für die Arbeiter. Soweit logisch. Aber auch leichter Regen, zu niedrige oder zu hohe Temperaturen können anstehende Arbeiten verzögern. Frischer Asphalt muss binnen 30 bis 60 Minuten verlegt sein. Weil das bei Nässe nicht möglich ist, wird das Personal häufig auf eine andere Baustelle geschickt, an der weniger witterungsabhängige Arbeiten anstehen. Auch Markierungs-, Korrosionsschutz- oder Abdichtungsarbeiten stehen still, sobald der Wetterbericht schlechte Aussichten bereit hält.

Spielt das Wetter mit, und der Asphalt ist verlegt, muss er mindestens 24 Stunden lang aushärten. In dieser Zeit sind dort keine Bauarbeiter zu sehen. Bei Fahrbahndecken aus Beton steht die Baustelle sogar rund zwei Wochen still.

Eine Riesenbaustelle und nur eine Hand voll Arbeiter?

Oft fährt man als Autofahrer kilometerweit durch eine Autobahn-Baustelle, die nur auf einem kurzen Abschnitt wirklich bearbeitet wird. Das wirkt seltsam, doch die Länge der Verkehrsbehinderung bemisst sich nicht am unmittelbaren Arbeitsbereich der Baustelle. Vor Baustellen gibt es sogenannte „Beruhigungsstrecken“. Die sehen dann zwar aus wie Baustellen, sind aber keine. Sie sollen die Geschwindigkeit des Verkehrs frühzeitig herunterregeln oder den Verkehr auf eine andere Spur umleiten. Das dient der Sicherheit der Arbeiter und der Autofahrer.

Die sogenannten "Beruhigungsstrecken" lassen Baustellen oft viel größer erscheinen als sie eigentlich sind
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Die sogenannten "Beruhigungsstrecken" lassen Baustellen oft viel größer erscheinen als sie eigentlich sind

Liegen zwei oder mehrere Baustellen dicht beieinander, wird die Baustellen-Verkehrsführung oftmals aufrechterhalten. Auch hier entsteht der Eindruck, die Baustelle sei riesig und die eingesetzte Truppe von Bauarbeitern dementsprechend klein.

Auf Baustellen wird zudem nach dem Prinzip des „kritischen Pfades“ gearbeitet. Das bedeutet, die Arbeiten erfolgen aufeinander aufbauend. Der Dachdecker kommt auch nicht zur Baustelle, wenn gerade erst das Fundament gegossen wird. Ein weiterer Grund, warum manchmal nur wenige Bauarbeiter an der Arbeitsstelle anwesend sind.

Zerstückelte Ausschreibungen und verschlafene Investitionen

Bei den Ausschreibungen für Bauprojekte werden oft nur Teilaufträge vergeben. Der Gesamtauftrag wird so regelrecht zerstückelt. Für Fahrbahndecke, Markierungen, Leitplanken und Lärmschutz sind häufig verschiedene Firmen zuständig. Das ist politisch gewollt. Kleinere mittelständische Betriebe sollen durch die sogenannte Fach- und Teillosvergabe die Chance auf ein Stück vom Kuchen bekommen. Die Auswirkungen sind jedoch nicht selten ein koordinatorisches Chaos, in dem die Arbeit zum Erliegen kommt.

Zudem stagnierten jahrelang die Investitionen in das Bundesfernstraßennetz, während das Verkehrsaufkommen stetig wuchs. Die Quittung dieser Unterfinanzierung erhalten wir nun in Form von jährlichen Rekord-Staubilanzen. Für das Jahr 2019 ist mit 9,375 Milliarden Euro für Bundesstraßen und Autobahnen ein Rekord-Investitionsvolumen eingeplant. Das ist zwar erfreulich, den Effekt bekommen Autofahrer aber erst in ein paar Jahren zu spüren.

Ebenfalls in ein paar Jahren – nämlich 2021, startet die Autobahn GmbH. Die bundeseigene GmbH übernimmt Bau, Planung, Betrieb, und Finanzierung des 13.000 Kilometer langen Autobahnnetzes. Die Bundesländer geben dafür langjährige Zuständigkeiten ab. Von dem „Alles aus einer Hand“-Prinzip verspricht sich der Bund unter anderem schnellere Planung und direktere Finanzierung.

Die 24-Stunden-Baustelle

Doch warum werden Bauarbeiten an neuralgischen Stellen nicht schneller durchgeführt. Nach dem Motto: Augen zu und durch? Die Idee Bauzeiten mit zusätzlicher Nachtarbeit oder gar einen 24 Stunden-Betrieb zu verkürzen ist nicht neu. Doch der 24-Stunden-Betrieb bringt einen hohen Mehraufwand mit sich: Belästigung von Anwohnern (Lärmschutz), Probleme im Bereich des Arbeitsschutzes und des Arbeitsrechts. Nicht immer erlauben die Tarifverträge den Dreischichtbetrieb anstandslos.

Die Zulieferer müssen ihren Betrieb ebenfalls auf die Nacht ausweiten. Die personellen Kapazitäten der Baufirmen müssen berücksichtigt werden. Es gilt: Der Mehraufwand einer Nachtbaustelle soll dem durch die Verkehrsbehinderung entstehenden volkswirtschaftlichen Schaden gegenübergestellt werden. Laut der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) soll diese Entscheidung „gesamtwirtschaftlich sinnvoll getroffen“ werden. 

Was können Baufirmen dafür?

Wie bereits beschrieben, gibt es viele Gründe, warum auf Autobahnbaustellen nicht zu jeder Zeit Bauarbeiter zu sehen sind. Schwarze Schafe gibt es aber auch unter den Baufirmen. Einige Baustellen werden nur errichtet, um den vertraglich vereinbarten Baubeginn zu gewährleisten. Der eigentliche Bau kann jedoch wegen fehlender personeller Kapazitäten oder Maschinen noch gar nicht erfolgen.

Schlechtes Baumanagement und die mangelhafte Kommunikation zwischen Bauherren und Behörden tragen Ihres dazu bei. Das soll sich ab 2021 mit der neuen Autobahn GmbH bessern. Hoffentlich.

Was kann gegen Schlafbaustellen getan werden?

2011 sagte der damalige Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) den Schlafbaustellen medienwirksam den Kampf an. Eine Meldestelle wurde eingerichtet. Autofahrer sollten auf stillliegende Baustellen hinweisen. In zwei Jahren gingen mehr als 3.000 Hinweise beim Ministerium ein. Mit wenig Konsequenzen. Nur ein Bruchteil der Baustellen wurde als Schlafbaustelle eingestuft und die Anzahl derer, bei denen eine Bauzeitverkürzung erwirkt werden konnte, lag im Promille-Bereich.

Ein "Bonus-Malus-System" kann in vielen Fällen die Arbeiten vorantreiben
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Ein "Bonus-Malus-System" kann in vielen Fällen die Arbeiten vorantreiben

In der Vergangenheit wurden gute Erfahrungen mit dem „Bonus-Malus“-Prinzip gemacht. Wird die Baufirma früher als im Vertrag festgehalten mit den Baumaßnahmen fertig, winkt eine Zulage. Braucht sie länger, wird das Honorar gekürzt.

Am Beispiel der Sanierung der Autobahn A115 (AVUS) in Berlin hat sich gezeigt, dass ein „Bonus-Malus-System“ nicht nur zur effizienteren Durchführung der Baumaßnahmen führt, sondern wegen der Bauzeitverkürzung massiv Kosten eingespart werden können. Die Arbeiten an der Stadtautobahn wurden Ende 2012 knapp ein Jahr vor dem eigentlichen Fertigstellungstermin abgeschlossen.

Zusammenfassung

Baustellen nerven. Und diese eine Baustelle, die gefühlt seit zehn Jahren unseren Weg zur Arbeit verlängert, noch viel mehr. Manchmal gibt es gute Gründe, warum eine Baustelle stillsteht oder gerade keine Bauarbeiter zu sehen ist. Und auch, dass an einigen Stellen die Voraussetzungen um effektiv zu Bauen fehlen.

Die Verantwortlichen haben das erkannt – so scheint es. Deutlich gestiegenes Investitionsvolumen und effizienteres Planungs- und Baumanagement der Autobahn GmbH werden das Problem nicht gänzlich lösen. Es im besten Fall aber mindern. Ganz ohne Baustellen geht es nicht. Aber in Zukunft vielleicht mit weniger Einschränkungen.

Was noch nervt:

Das nervt! Ärgernisse im Straßenverkehr Teil 1: Blinkermuffel

Das nervt! Ärgernisse im Straßenverkehr Teil 2: Phantomstau

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