Der Range Rover I (1972) im Test
Der Range Rover I federte schon bequem, als Geländewagen noch stahlharte Burschen waren: Er ist das erste Luxus-SUV. Lies hier, was nach 50 Jahren davon übrig ist.
Platz unter den Achsen, Allradantrieb und echter Luxus im Innenraum – 1970 ist das neu. Als vor 50 Jahren der erste Range Rover auf den Markt kommt, sind Geländeautos in Europa noch, na ja, Geländeautos eben: Nutzfahrzeuge, meist Militär- oder Arbeitsmaschinen. Spartanisch ausgestattet und robust ausgelegt. Landwirte und Pferdesportler kaufen solche Autos, denn sie sind praktisch auf Acker und Koppel. Für den Alltag sind sie nicht komfortabel genug.
Der Mitbegründer des Luxus-SUV-Segmentes aus dem Hause Jaguar Land Rover.
Der Range Rover ändert dieses Bild. Er verwöhnt seine Passagiere mit dicken, weichen Polstern und einem robusten Fahrwerk. Sogar ein Radio steckt im Auto. Ein Fahrzeug für jeden Tag und jeden Einsatz. Vor allem aber ist er ein Fahrzeug, das die britische High Society schnell schick findet – und es dann weltweit verbreitet. Die Queen zählt den Range Rover immer noch zu ihren Lieblingsautos, fährt damit bis heute noch selbst.
Bis Mitte der 1980er-Jahre ist der Range Rover nahezu konkurrenzlos. Erst dann folgen die ersten Nachahmer wie Monteverdi Safari und die Mercedes G-Klasse in der zivilen Variante. Heute ist das Prinzip des Range Rover so normal wie Toast mit Butter. Er hat Autos wie Audi Q7, BMW X5, Mercedes GLS, Porsche Cayenne oder Rolls-Royce Cullinan inspiriert.
Dabei ist der Range Rover nicht das erste Auto seiner Art. In den USA fahren bereits Jeep Wagoneer (seit 1963) und Ford Bronco (seit 1966) mit einem ähnlichen Ansatz – allerdings vor allem auf dem Land und vornehmlich in den USA.
Der Range Rover I in Kürze:
- Das erste europäische Luxus-SUV
- Geländetaugliches Chassis
- Komfortabler Innenraum
- Kräftiger V8-Motor
- Schaukeliges Fahrverhalten
Ein Luxus-Geländewagen zum Porsche-Preis
Charles Spencer King, Entwicklungschef des Autoherstellers Rover, hat die Idee zum Auto. Er will ein praktisches Nutzfahrzeug in ein Alltagsgefährt mit Komfort für Europa verwandeln. Ihm schwebt ein vielseitiges Auto vor, das sich gleichermaßen für Ackerbau und Viehbetrieb sowie für Boulevard und Alltag eignet. Als Basis dienen stabiler Leiterrahmen, zwei Starrachsen, Langhub-Schraubenfedern, Geländeübersetzung, Alukarosserie und ein starker V8-Benziner.
Der erste Werbeprospekt des Range Rover verspricht: „Er ist erstens ein sieben Tage die Woche nutzbares Luxusmobil, zweitens ein Freizeitauto, das alle Autobahnen und Pisten unter die Räder nimmt, drittens ein Hochleistungs-Reisewagen für lange Strecken und viertens ein robuster Geländegänger.“
1970 kostet der Range Rover in England 2.000 Pfund. Ab 1972 verkauft Rover (nun Leyland) seinen Range Rover für mindestens 23.500 Mark in Deutschland. Damit fährt er in der Preisklasse des Porsche 911. Wenige benutzen ihn als Arbeitsgerät. Er ist viel mehr ein besonderes Auto für Menschen, die sich den Luxus leisten können.
Range Rover I: Zwei Türen, vier Gänge, acht Zylinder
Aus heutiger Sicht wirkt der Range Rover I eher skurril. Er ist ein kombiartiger, hochgelegter Zweitürer mit V8-Motor und plüschiger Ausstattung. Damals ist er eine Pionierleistung. Denn neben der echten Geländegängigkeit fährt der erste Range Rover bis zu 165 km/h schnell. Auf Autobahnen wird er nicht zum Verkehrshindernis. Sein 3,5-Liter-V8 mit 135 PS stammt von Buick, Rover setzt ihn bereits im P6 ein. Geschaltet wird über ein manuelles Viergang-Getriebe.
Einmal in Fahrt, verhält sich der Zweitonner wie ein großes Schiff auf hoher See: Schon ab 60 km/h zischt der Fahrtwind laut an der kantigen Aluminium-Karosserie vorbei, bei Kurvenfahrten neigt sich die Karosserie stark zur Seite. Die besonders weichen Sitze kneifen nach langen Touren nicht am Hintern, halten ihre Passagiere allerdings auch kaum fest. Auf Landstraßen rutschen sie im Auto hin und her. Derweil schlabbert der Anschnallgurt über der Schulter.
Die Lenkung des Range offenbart seine Gelände-Gene. Sie verlangt vom Fahrer ständige Korrekturen. Zwischen Fahrer und Beifahrer thront eine Mittelkonsole von ungefähr einem halben Meter Breite. Unter ihr verrichtet das voluminöse Getriebe seinen Zweitjob als Heizung. Um die vier Gänge zu wechseln, braucht es Geduld und viel Feingefühl. Die Box stellt sich so störrisch an, dass man auf Landstraßen am liebsten im zweiten oder dritten Gang bleibt. Der Range Rover stapft mit viel Drehmoment locker durch jede Kurve.
Der Range Rover Evoque:
Allrad, Geländetauglichkeit und modische Optik.
Klassischer Luxus und schrullige Lösungen im Ranger Rover I
Sein Cockpit strahlt weniger Noblesse aus als heutige Fahrzeuge dieses Segments. Das Armaturenbrett besteht beim ersten Range Rover noch aus schnödem Kunststoff. Zwei Rundinstrumente liefern Infos über Geschwindigkeit, Laufleistung, Tankfüllstand und Wassertemperatur. Aus dem Lautsprecher knistert und knarzt es, manuelle Fensterheber und hintere Ausstellfenster ersetzen die Klimaanlage.
Dafür thronen die Passagiere aber entspannt über dem Verkehr und genießen die Aussicht aus den großen Scheiben. Fünf Passagiere passen locker hinein. Drei von ihnen müssen aber klettern, man kommt nur schwer an den klappbaren Vordersitzen vorbei. Erst 1981 reicht Range Rover einen Fünftürer nach. Dafür gibt die horizontal geteilte Kofferraum-Klappe eine großzügige Ladefläche frei.
Lange ruht sich Range Rover auf dem Erfolg seines Fahrzeugs aus – die erste Generation wird fast 25 Jahre lang gebaut und optisch kaum verändert. Erst 1994 kommt die zweite Generation auf den Markt, eine dritte Generation 2001. Die ersten Modelle sind heute sehr gesucht. Fahrbares Material gibt es für 20.000 bis 40.000 Euro, gut erhaltene Fahrzeuge selten unter 50.000 Euro.
Das Segment, das der Range Rover schuf
Seit 2012 verkaufen die Briten das heute noch aktuelle Modell, wahlweise mit vier, sechs oder acht Zylindern und einer Leistung zwischen 275 PS und 565 PS. Mindestens 105.900 Euro kostet ein Range Rover heute – immer noch die Preisklasse eines Porsche 911. Im Gegensatz zu vielen neuen SUVs setzt der Brite nach wie vor jenseits des Asphalts Maßstäbe, bleibt weiterhin dank seiner Allradtechnik mehr Geländewagen als SUV.
Dennoch ist vom ersten Range Rover nur noch die Grundidee übrig: Bodenfreiheit, Allradantrieb, Komfort und Alltagsnutzen. Moderne Luxus-SUVs leisten heute mehr als 600 PS und fahren bis 250 km/h schnell – einige sogar noch deutlich schneller. Was heute zählt, ist selten die Geländegängigkeit. Dafür eine hohe Sitzposition in Verbindung mit einem sehr sportlich abgestimmten Fahrwerk.
Was vom Range Rover I bleibt, ist der Luxus. Der hat aber neue Maßstäbe angenommen. Seine Kinder im Geiste bieten handvernähtes Leder, Holz, Aluminium, Assistenz- und Soundsysteme. Allradantrieb gibt es weiterhin – der dient aber eher dazu, die Leistung auf die asphaltierte Straße zu bekommen. Vor 50 Jahren ist das undenkbar. Andererseits ist damals schon der erste Range revolutionär.
Übersicht Luxus-SUVs (2020)
- Aston Martin DBX
- Audi Q7
- Bentley Bentayga
- BMW X7
- BMW X5
- Jaguar F-Pace
- Lamborghini Urus
- Maserati Levante
- Mercedes Maybach GLS
- Porsche Cayenne
- Range Rover
- Rolls-Royce Cullinan
- Tesla Model X
Range Rover I (1970): Technische Daten
Modell | Leyland Range Rover |
---|---|
Motor | 3,5 Liter V8 |
Leistung | 96 kW (130 PS) |
Drehmoment | 280 Nm |
0-100 km/h | ca. 17 s |
Geschwindigkeit | 165 km/h |
Verbrauch | ca. 16 l/100 km |
Länge | 4.470 mm |
Breite | 1.890 mm |
Höhe | 1.770 mm |
Radstand | 2.540 mm |
Leergewicht | 1.800 kg |
Kofferraumvolumen | 1.020-2.160 l |
Basispreis 1972 | 23.500 DM |