Porsche Taycan (2020): Test
761 PS, 1.050 Newtonmeter und 4 Türen, von denen Du zwei sofort vergisst: Der Porsche Taycan tanzt wie ein Sportler, obwohl er so viel wiegt wie ein SUV. Test.
Mit der Beschleunigung fängt es an. Jeder Taycan-Fahrer kann sie ohne Können und Kunst erleben: Einfach voll aufs Antriebspedal, schon versucht die Rückenlehne, Dein Kreuz zu durchdringen. Wenn der Porsche Taycan loslegt, dann besser ohne Smartwatch am Fahrer-Handgelenk – sie könnte den Puls falsch verstehen und Alarm schlagen. Keine Sorge: Deinen Herzschlag spürst Du auch ohne Messgerät.
Der erste Elektro-Porsche der Neuzeit glänzt in der simpelsten aller Auto-Disziplinen. Er katapultiert sich aus der Statik, zieht bis 120 Sachen höllisch stark an. Dann lässt der Zug auf die Gesichtshaut langsam nach. Wieder und wieder kann er das. Wenn es in anderen Elektroautos mit gedrosselter Kraft zu warm wird, rennt der Taycan klug gekühlt weiter.
Das mit dem Sprint kennen wir schon. Seit bei Tesla ein Fahrmodus „lächerlich“ („Ludicrous Mode“, schnellster Fahrmodus) heißt, rennen Stromer schneller als die meisten Verbrenner. Dass der Porsche dem Pionier ein paar Zehntelsekunden abnimmt und mehr Wiederholungen schafft, freut den Stammtisch. De facto ist es aber nebensächlich. Denn Porsche baut kein schnelles Elektroauto. Sondern einen Sportwagen, der elektrisch fährt. Da gibt’s keinen Unterschied? Und ob!
Der Taycan mag die Rennstrecke
Was Division Dragster gern vergisst und der Gentleman Driver weiß: Sportlichkeit beginnt in der Kurve. Genau an dieser Stelle trennen sich Ambition und Erfahrung. Denn die Verbindung aus Elektroauto und Sportwagen zerbricht gewöhnlich an einem Zielkonflikt. Das Auto muss gegen den schweren Akku arbeiten, ihn um die Kurve wuchten und aus dem Schwung zerren. Spätestens hier fühlen sich die meisten Elektroautos an wie das, was sie sind: schwere Fahrzeuge mit starken Motoren.
Der Taycan fährt anders, obwohl Porsche ihn nicht leicht baut. Im Gegenteil, die Limousine wiegt so viel wie ein Audi SQ7 TDI, also fast 2,4 Tonnen. Allein der Akku entspricht auf der Waage einem halben VW Golf. Dazu kommen zwei Motoren, ein Zweiganggetriebe (hinten) und eins mit einer festen Übersetzung (vorn). Und natürlich das ganze andere Chichi, das man heute von einem Porsche erwartet – Assistenz, Leder und Surroundsound, zum Beispiel. Ohne Batterie bleibt vom Taycan ungefähr das Gewicht eines Porsche 911 mit Allradantrieb übrig.
Trotzdem zirkelt der Taycan so handlich und präzise über die Piste, als hätte der Streckenwart mit Patex vorgearbeitet. Er bewegt sich wie ein kompaktes, viel leichteres Auto. Für dieses Kunststück steckt Porsche alle Fahrwerksysteme in das Auto, die hineinpassen. Luftfederung und Wankausgleich stemmen sich gegen jede Rollbewegung, ein sanfter Lenkwinkel an der Hinterachse drückt den Poppes ums Eck. Und ein Sperrdifferenzial an der Hinterachse verteilt Kraft nach außen, damit er sich auf dem Rad abstützen kann.
Mit viel Technik und tiefem Schwerpunkt fährt der Taycan agiler als sportliche Kombis und Limousinen mit Verbrenner – inklusive dem leichteren Panamera. Auf der Rennstrecke fühlt sich der Taycan richtig an. Er hakt sich, ganz Porsche, in die Ideallinie ein und lässt sich nicht von irgendeiner herkömmlichen Trägheit wieder runterschubsen.
Im Porsche 911 (991) sitzt der Motor noch dort, wo er hingehört. Im Heck.
Porsche Taycan (2020): Bremsverhalten |Die Bremen kämpfen
Die Motoren des Taycan balancieren ihre Kraft entlang der Traktion an die jeweils bedürftigen Räder. Wer sich traut, kann ihn dennoch aus der Stabilität locken. Dafür muss das ESP (bei Porsche: PSM) deaktiviert werden, zumindest ein bisschen. Auf „Sport“ rutscht sein Heck beim Herausbeschleunigen ein Stück aus der Spur. Ohne beschützende Eingriffe geht er aus dem Stand quer, vermutlich auch in voller Fahrt. Unter Software-Aufsicht liegt das Auto sicher. Nur auf der Bremse wagt er sich in einen diffusen Bereich zwischen Kontakt und Drift.
Apropos Bremse: Die gelingt Porsche beim Taycan besonders gut, weil sie sich ganz gewöhnlich anfühlt. Hinter den Kulissen wechseln sich zwei Bremssysteme ab. In der Regel schleppen die Elektromotoren das Auto in Richtung Stillstand und erzeugen dabei Strom. Zusätzlichen Schwung fängt eine riesige Reibbremse ein. Welche Bremse gerade arbeitet, kann man kaum spüren. Druckpunkt, Gefühl und Hebelkräfte wirken beinahe wie vom Verbrenner kopiert.
Allerdings spürt man auf der Bremse das, was der Taycan sonst so toll verbirgt: Seine Masse macht ihn in der Verzögerung träge, trotz einer Zehnkolben-Bremsanlage mit 42-Zentimeter-Keramikscheiben an der Vorderachse. Er stoppt noch auf Sportwagen-Niveau, aber nicht so mühelos, wie ein 911 oder ein Cayman es können.
• Motor: 4.0-l-Sechszylinder-Saugmotor
• Getriebe: Sechsgang-Handschaltgetriebe
• 0-100 km/h: 4,5 s | Vmax: 293 km/h
Porsche Taycan (2020): Innenraum|Spärlicher Innenraum
Ein kleiner Makel, den wir dem Taycan verzeihen. Weil er sich sonst keine Patzer leistet. Und weil er ganz ohne Weltretter-Umweltschützer-CO2-Staubsauger-Image auftritt. Er ist ein großartiger Sportwagen, weil er elektrisch fährt, nicht obwohl. Sein Gerüst aus Kraft, Anzug, Ausdauer, Stabilität und Faszination funktioniert nur in genau dieser Konstellation.
Alles andere wirkt nebensächlich im Taycan. Innenraum? Hat er. Vorn kann Walter Röhrl (1,96 Meter) gut sitzen, seine Frau Monika (einen Kopf kleiner) hat hinter ihm Platz. Da sitzt im Taycan aber niemand, trotz schuhgroßer Aussparungen im Fußboden. Reihe zwei bedeutet in Porsche-Sportwagen: Ablage. Im Sonderfall Taycan: großzügige Ablage. Viel mehr gibt der Kofferraum auch nicht her, aber das Golfbag sollte passen.
Digital sieht es aus im Auto. Das muss offenbar so sein, denn Strom passt zu Bildschirm wie neuerdings Säuseln zu Rennstrecke. Analog misst nur noch die Uhr im Cockpit. Ein bisschen Tradition in einem Auto, das eigentlich genau das nicht braucht: den Bezug zur Vergangenheit.
Den gibt es trotzdem an anderen Stellen. Zum Beispiel beim Schriftzug. Der schnellste Taycan heißt Turbo S, weil das bei Porsche nun mal so ist. Muss man nicht verstehen, kann man aber akzeptieren. Denn so geht Hierarchie ohne Missverständnisse: Taycan Turbo S (brutal schnell) > Taycan Turbo (kaum langsamer) > Taycan 4S (immer noch verdammt schnell). Zwischen ganz oben und ganz unten liegen rund 80.000 Euro, 170 kW (alte Währung: 231 PS), 10 km/h Topspeed und lächerliche 50 Kilometer Reichweite.
Porsche Taycan (2020): Reichweite und Ladeleistung|So schnell lädt der Taycan
Ach ja, die Reichweite. Wichtiges Thema beim Elektroauto. Hier hinkt der Taycan hinterher, denn Porsche baut ihn nicht zum Hypermilen (ohne Auffüllen möglichst weit kommen). Zwei Batterien stehen zur Wahl, beide heißen irgendwas mit „Performance“. Eine speichert knapp 80 kWh, die andere gut 93 kWh. Realistisch packt der Taycan ungefähr 400 Kilometer mit der großen, im Spaßmodus deutlich weniger.
Dafür lädt er fix: Die Ladeleistung des Taycan entspricht der Motorleistung eines Porsche Cayman GTS, nämlich 270 kW. Das geht nur, wenn Temperatur, Stromzufuhr, Akkustand, Windrichtung und Sternzeichen samt Aszendenten stimmen. Auf unserer Fahrt, nein, während unserer Pause, ziehen zwei weitere Autos gleichzeitig Strom. Unser Taycan lädt mit deshalb mit maximal 150 kW. Immerhin: die Leistung des ersten Porsche Boxster.
Beim ersten Mal ist es spannend, dem Diagramm beim Aktualisieren zuzusehen. Nach zehn Minuten haben wir trotzdem keine Lust mehr und ziehen mit 100 zusätzlichen Kilometern Reichweite ab. Erst sparsam, weil wir wissen wollen, was mit konstant 130 km/h geht (ca. 20 kWh pro 100 km). Dann wieder mit ordentlich Saft, denn dafür baut Porsche ihn ja, den ersten Elektro-Sportwagen.
Übrigens: Turbo S muss nicht draufstehen auf dem Taycan. Der 4S fährt ohne die ganz heftigen Spannungsspitzen, macht aber fast genauso viel Spaß.
Kein Verbrenner – trotzdem Turbo. Die zwei Synchronmotoren im Taycan Turbo leisten zusammen 625 PS.
Porsche Taycan: Technische Daten
Modell | Porsche Taycan 4S mit Performancebatterie Plus | Porsche Taycan Turbo S |
---|---|---|
Motoren | zwei permanenterregte Synchronmaschinen, je eine pro Achse | zwei permanenterregte Synchronmaschinen, je eine pro Achse |
Leistung | 420 kW (571 PS) Peak; 350 kW (490 PS) | 560 kW (761 PS) Peak; 460 kW (625 PS) |
Drehmoment | 650 Nm | 1.050 Nm |
0-100 km/h | 4,0 s | 2,8 s |
0-200 km/h | 13,3 s | 9,8 s |
Geschwindigkeit | 250 km/h | 260 km/h |
Getriebe | feste Übersetzung (Vorderachse), Zweigang-Automatik (Hinterachse) | feste Übersetzung (Vorderachse), Zweigang-Automatik (Hinterachse) |
Akkukapazität | 93,4 kWh (brutto); 83,7 kWh (netto) | 93,4 kWh (brutto); 83,7 kWh (netto) |
Stromverbrauch (NEFZ) | 25,6 kWh pro 100 km | 26,9 kWh pro 100 km |
Ladeleistung | 11 kW (AC) bis zu 270 kW (DC) | 11 kW (AC) bis zu 270 kW (DC) |
Reichweite (WLTP) | 389 - 464 km | 390 - 416 km |
Gewicht | 2.295 kg (EU-Norm, inkl. Fahrer) | 2.370 kg (EU-Norm, inkl. Fahrer) |
Länge | 4.963 mm | 4.963 mm |
Breite | 1.966 mm | 1.966 mm |
Höhe | 1.379 mm | 1.379 mm |
Radstand | 2.900 mm | 2.900 mm |
Kofferraumvolumen | 366 Liter (hinten), 81 Liter (vorn) | 366 Liter (hinten), 81 Liter (vorn) |
Basispreis | 103.802 Euro | 181.638 Euro |
Marktstart | Januar 2020 | Januar 2020 |