Der Pininfarina Battista im ersten Test
Vorsicht, Starkstrom! Der Pininfarina Battista bringt 1.900 PS auf den Handlingkurs in Nardò. Erste Mitfahrt bei Nick Heidfeld.
René Wollmann war mal ein richtiger Petrolhead. Beim Mercedes-Haustuner AMG hat er einst angefangen. Da ging es noch um V8-Benziner, die ungestört von milder Hybridisierung ganz alleine ihre ölige Arbeit verrichten durften. Doch abtrünnig wurde er schon dort. Erst verantwortete er den Elektrosportler SLC eCell, dann brachte er das Project One mit auf den Weg.
Bei Pininfarina hebt er nun als Entwicklungschef den ersten Hyper-Sportwagen der Akku-Ära aus der Taufe. Porsche oder Tesla wirken mit Taycan und Model S wie leistungstechnische Leichtgewichte gegen das Auto, das der Hersteller Pininfarina Battista nennt. Selbst ein Rimac Concept One verliert im Autoquartett haushoch gegen ihn. Fast 1.400 kW (1.900 PS) bringt der Battista auf die Straße, dazu fallen 2.300 Newtonmeter Drehmoment über die Räder her. Es soll das stärkste Auto sein, das je in Italien gebaut wurde.
Vier Motoren an zwei Achsen mit 1.900 PS
Wollmann gibt zu, dass die elektrische Antriebstechnik es leichter mache, derartige Leistungswerte darzustellen. Wo Verbrenner-Ingenieure ihre liebe Mühe haben, ihre vielzylindrigen Triebwerke auszuquetschen und trotzdem haltbar konstruieren müssen, können Elektrotechniker einfach vier Motoren einbauen. Jeder ist kaum größer als ein Schuhkarton und hat trotzdem mehr Power als viele Sportwagen. Im Battista sitzen zwei Motoren an der Vorderachse, die jeweils 250kW (340 PS) leisten. Zwei weitere an der Hinterachse stellen je 450 kW (612 PS) bereit.
Soweit der leichtere Teil der Aufgabe. Schwieriger ist es, die Maschinen mit ausreichend Energie zu versorgen. Im Battista sind dafür 7.000 Lithium-Ionen-Zellen zuständig. Ihre Gesamtkapazität beläuft sich auf 120 kWh. Die elektrische Reichweite laut WLTP liegt bei mehr als 500 Kilometern. Damit das Akkupaket in vertretbarer Zeit zu laden ist, bedarf es eines Ladegeräts mit ordentlich Leistung. Bis zu 250 kW sind im Battista möglich. Damit dauert es 25 Minuten, bis der Akku von 20 auf 80 Prozent gefüllt ist. Er soll schließlich nicht nur zwei bis drei Runden auf der Rennstrecke schaffen. Pininfarina vermarktet den Battista als Gran Turismo. Reisetauglich sollte er also sein.
Echtes Torque Vectoring mit top Reaktionszeit
Für Dynamik, vor allem in Kurven, muss das Zusammenspiel der vier Motoren optimal abgestimmt werden. Torque Vectoring nennt man das, wenn das Antriebsmoment in jeder Situation optimal auf die Haftungssituation und den Fahrzustand angepasst wird. Sauber gelöst, so Wollmann, lasse sich mit den vier Motoren „eine bislang unerreichte Form des Toque Vectorings darstellen“. Jeder Motor wird einzeln angesteuert, bedient sein eigenes Rad und kann das Drehmoment in wenigen Millisekunden umkehren. So lässt sich die Kraft besser verteilen als mit jeder Traktionskontrolle. Von einer auf Bremseingriffe angewiesenen Stabilitätskontrolle ganz zu schweigen.
Mit dem Porsche Cayenne betritt der Sportwagenhersteller 2002 erstmals das SUV-Terrain.
Verantwortlich dafür, das Potenzial auch auszunutzen, ist heute Nick Heidfeld. Der ehemalige Formel-1-Pilot fährt mittlerweile in der Formel E und kennt sich also aus mit schnellen Stromern. Er schließt seinen Rennanzug und begibt sich auf Jungfernfahrt. Nach Monaten im Labor und im Simulator geht es auf den Handlingkurs des Highspeed-Ovals in Nardo.
Von Calma bis Furiosa: Beschleunigung wie in der Formel 1
Man darf davon ausgehen, dass Heidfeld schon genug schnelle Autos gefahren hat, um sich nicht mehr so leicht überraschen zu lassen. Doch als er im schlichten Cockpit des Battista das Fahrprogramm von „Calma“ auf „Furiosa“ stellt und den rechten Fuß senkt, staunt er doch. Und wünscht, er hätte seinen Helm nicht in der Box zurückgelassen. Der Battista beschleunigt derart brutal, dass sein Kopf beim Kickdown heftig gegen den Sitz knallt. „Selbst die Autos in der Formel E beschleunigen nicht so brutal“, sagt er. Und die wiegen weniger als die Hälfte des gut zwei Tonnen schweren Battista.
Weniger als zwei Sekunden sollen vergehen, bis der Battista aus dem Stand auf Tempo 100 beschleunigt. Die Marke von 200 km/h fällt nach weniger als sechs Sekunden, weitere sechs Sekunden später stehen 300 km/h auf dem Tacho. Dann geht es noch 50 km/h weiter, bis die Höchstgeschwindigkeit anliegt.
Schwer beherrschbar ist der Battista deswegen noch lange nicht. Heidfeld wundert sich eher, wie präzise und unaufgeregt der Wagen sich auf Kurs halten lässt. Wie eng er ihn an der Ideallinie führen kann, ohne dabei hektisch am Lenkrad zu sägen. Zwei Finger genügen.
Präzision mit Schubumkehr
Beinahe noch mehr als die brachiale Beschleunigung begeistern Heidfeld die Agilität und Präzision des Battista. Die vier individuell angesteuerten Motoren tun offenbar tatsächlich, was Wollmann versprochen hat. Mit rasend schneller Schubumkehr beherrschen sie perfektes Torque Vectoring. Nahezu ohne Verzögerung gehen sie ans Werk, halten den Battista stabil auf Kurs und lassen ihn berauschend agil um die Kurven fliegen.
Die „günstige“ Alternative zum beliebten 911-Modell. Mit herstellereigener Motorisierung rollt der Basis-944 mit 150 PS über den Asphalt.
Heidfeld bremst extrem spät an, zieht mit wahnwitziger Geschwindigkeit durch die Radien und steht absurd früh am Gas. Dabei bliebt der Battista trotz des hohen Gewichts erstaunlich unbeeindruckt von Fliehkräften, neigt sich kaum, verliert nie die Contenance. Der Mitfahrer schon eher, wenn er nach ein paar Runden mit Nick Heidfeld erstmal einen Bogen ums Buffet macht.
Neues Selbstbewusstsein für Pininfarina
Für Pininfarina kann man die Bedeutung des Battista gar nicht hoch genug einschätzen. Er ist Zeichen eines neuen Selbstbewusstseins. 90 Jahre lang bauten die Italiener die schönsten und spektakulärsten Autos. Allerdings im Auftrag anderer Hersteller. Der Battista ist das erste komplett eigene Produkt.
Wobei das nicht ganz stimmt. Pininfarina stemmt den Battista nicht alleine. Akkus, Antrieb und Monocoque aus Karbon entstehen in Kooperation mit dem kroatischen Start-Up Rimac. Das baut auf der gleichen technischen Basis den C2. Der wird der erste Konkurrent des Battista. Ein weiterer Rivale kommt aus Großbritannien. Lotus will mit dem „Evija“ eine neue Ära einläuten – mit 2.000 PS.
Aber vermutlich ist der Markt für Superreiche begrenzt, die sich einen Battista genauso gerne in die Sammlergarage stellen wie einen Evija oder C2. Oder alle drei. Fall sie sie ergattern. Denn die Stückzahlen derartiger Hypercars verhalten sich umgekehrt proportional zum Preis. 150 Exemplare will Pininfarina vom Battista bauen. Wieviel er genau kostet, verraten sie nicht. Um die zwei Millionen Euro dürften es wohl werden. Aber wer danach fragen muss, kann ihn sich eh nicht leisten.