Nissan Skyline und GT-R-Tuner Top Secret
Seit mehr als 30 Jahren tunt Kazuhiko Nagata Fahrzeuge von Nissan, besonders GT-R und Skyline. Ein Besuch in seiner Werkstatt in Tokio.
Tokio – Es ist ein trauriger Anblick. Alte japanische Autos schmiegen ihr rostiges Blech aneinander, als wollten sie sich gegenseitig wärmen. Ihr Lack ist längst großflächig gerissen und bröckelt in handtellergroßen Stücken von den Karosserien. Darunter blüht es braun und löchrig. Anderen quillt der Gammel aus den Fugen. Dieser Ort wirkt wie ein exotischer Autoverwerter.
Er ist ja auch einer, irgendwie. Nur nicht im klassischen Sinne. Neben den abgestellten Autos, von denen kaum ein Europäer je hörte, schraubt nämlich eine japanische Legende. Kazuhiko Nagata hat hier seine Werkstatt. “Top Secret”, steht an der großen, weißen Halle. Nur wenige Firmen können besser mit Nissans sportlichsten Autos umgehen.
Vor allem die Modelle GT-R und Skyline GT-R bekommen hier neue Fahrwerke, leichte Karosseriemodifikationen oder aufwendige Komplettumbauten. Vor allem aber haucht der Tuner den Motoren mehr Leistung ein. Deutlich mehr.
Antrieb und Plattform kommen aus Bayern, das Fahrwerk aus Japan. Nach 17 Jahren legt Toyota die Supra 2019 neu auf.
Mehr als 1.000 PS aus Sechszylinder-Motoren
Wie zum Beweis parkt in einer Ecke der Halle ein Nissan GT-R der Baureihe R35. Sein 3,8-Liter-V6-Motor bekam neue Turbolader, veränderte Kolben, Ventile und eine spezielle Einspritzung. Statt der serienmäßigen 485 PS leistet er nun 1.110 PS. Wie schnell er genau ist, weiß nicht einmal Nagata. Jedenfalls deutlich schneller als die serienmäßigen 310 km/h: „Wir sind damit schon gut 30 km/h schneller gefahren. Dann ging uns aber die Straße aus. Der GT-R müsste noch schneller fahren.“
Das erscheint ihm aber nicht wichtig. Dem Nissan-Schrauber geht es vor allem um die Zuverlässigkeit der Motoren. „Der Motor ist haltbar und vollgasfest. Da sieht man, was ein Nissan GT-R wirklich kann“, ist sich Nagata sicher. Genau deshalb hat er sich vor rund 30 Jahren auf Nissan-Fahrzeuge spezialisiert. „Nissan baut für mich zeitlose, schöne Autos. Dazu sind die Motoren des GT-R und Skyline robust und lassen sich gut tunen“, erklärt er.
Seine Arbeit spricht sich in der Tuning-Szene seit Jahren rum. Nagata gilt als GT-R-Spezialist mit hohem Qualitätsanspruch. Mittlerweile kommen die Kunden aus der ganzen Welt. Sie kaufen Leistungssteigerungen wie die des GT-R, aber auch Karosseriearbeiten und Fahrwerksoptimierungen, um ihre Autos zu individualisieren. Nagata setzt dafür auch spezielle Wünsche um.
Moderne GT-R-Technik im Skyline R32
Zum Beispiel den Umbau eines Nissan Skyline R32 aus den jungen 1990er-Jahren, der mittlerweile die Technik des GT-R R35 in sich trägt. „Es ist nicht ganz einfach, in ein fast 30 Jahre altes Auto neue Technik einzubauen und daraus einen neuen Supersportwagen im alten Gewand zu zaubern. Aber wir haben es geschafft“, sagt Nagata. Turbolader und das Transaxle-Getriebe stammen ebenso vom neuen Modell wie das Cockpit.
Für Show-Effekte lässt sich das Getriebe vor der Hinterachse beleuchten – im Fahrzeugboden gibt eine Plexiglasscheibe den Blick auf die Schaltbox frei. Zusätzliche Lüftungslöcher in Front und Motorhaube sorgen für mehr Luft für die Verbrennung und Kühlung. Schlitze in den Kotflügeln lassen die Hitze der Bremsen schneller entweichen. Blank polierte Ansaugbrücken und penibel geschweißte Edelstahl-Ausgleichsbehälter zeugen von akkurater Arbeit und Liebe zum Detail.
Dabei bevorzugt der Tuner selbst ein anderes Modell: den Skyline GT-R aus der Generation R33. Leistung und Geschwindigkeit faszinieren ihn besonders. „Vom R33 habe ich am meisten gelernt, der lässt sich am besten umbauen, modifizieren und verbessern. Er fährt besonders sportlich, ist breiter und länger, hat deutlich mehr Vorteile als sein Vorgänger“, sagt Nagata.
Die Tuningszene liebt den Skyline
Gefragt sind die starken Nissan-Coupés mittlerweile quer durch alle Baureihen. Nostalgiker lieben die alten Modelle, die noch den Namen Skyline trugen. Die historischen Varianten mit ihren Saugmotoren und der Amerika-lastigen Optik. Und die jüngeren aus den 1990er-Jahren. Ihre Top-Version GT-R mit ihren breiten Karosserien, den großen Schürzen und den ikonischen “RB26”-Motoren sind heute legendär. Der Nissan GT-R ist ein Nachfolger im Geiste, aber kein Skyline mehr, sondern ein eigenes Modell.
Vor Jahrzehnten gab die japanischen Tuning-Szene den Autos den Beinamen Godzilla. Den hat der GT-R übernommen. „Weil das Auto mit dem V6 unheimlich kräftig ist, dazu sehr robust und langlebig, fast unzerstörbar. Der V6-Motor ist etwas ganz Besonderes und hat einen unverwechselbaren Klang. Je nach Drehzahl schreit und brüllt er wie das Filmmonster“, meint Nagata.
Godzilla ist ein Tier, das seine Energie durch Atomstrahlen erhält und seit 1954 im Kino Angst und Schrecken verbreitet. Nur in der aktuellen Hollywood-Fassung wird es zum Retter. Für Nagata ist das Filmungeheuer seit langer Zeit schon ein Held – in Form der Skyline-Fahrzeuge. Denn durch sie konnte er seine Leidenschaft und sein Hobby in einen Beruf verwandeln.
Kazuhiko Nagata: Vom heimlichen Schrauber zum “Top Secret”-Chef
Schon mit 16 Jahren schraubt der Japaner an Autos. In der Schule entwickelt er bei einem Projekt mit Toyota ein Fahrzeug, holt sich nach der Schulzeit bei der Marke einen Job. Doch seine Liebe gilt den schnellen Modellen von Nissan. Mit 22 Jahren wechselt er zu der in Japan bekannten Tuner-Firma Trust, arbeitet dort fünf Jahre. Neben Nissan-Fahrzeugen schraubt er an anderen Modellen herum. Nur in seiner Freizeit, abends nach Dienstschluss, widmet er sich ausschließlich seiner Lieblingsmarke.
• Motor: 2,0-l-Vierzylinder-Benziner
• Leistung: 184 PS
• 0-100 km/h: 6,5 s | Vmax: 219 km/h
Doch die Arbeit wird zu viel, Nagata hat Angst, wegen seiner Nebentätigkeit unehrenhaft entlassen zu werden. In Japan eine große Schande. Also nimmt er seinen ganz Mut zusammen, kündigt und macht sich mit einem Tuning-Betrieb selbstständig. Der Name „Top Secret“ bedeutet für ihn nun, dass er nicht mehr im Verborgenen arbeiten muss. „Ich hatte das Versteckspiel satt und wollte mich ganz meiner großen Leidenschaft widmen – dem Nissan Skyline“, sagt der heute 56-Jährige.
In Japan sind der GT-R und sein Vorgänger Skyline die Supersportwagen schlechthin. Die erste Skyline-Reihe unter Nissan-Regie kommt 1968 als konservative Limousine auf den Markt. Von diesem Modell leitet Nissan im Februar 1969 die Version PGC 10 ab – eine reine Motorsportvariante. Als Antrieb dient ein 2,0-Liter-Sechszylinder mit 160 PS Leistung. Damit fährt der Skyline 2000 GT-R rund 200 km/h schnell.
Mit dem späteren Typ C110 ergänzt Nissan den ersten GT-R um ein Coupé – erstmals mit den heute noch typischen vier runden Heckleuchten. „Ich mag die Coupés der 60er- und 70er-Jahre immer noch, diese reine, schnittige Form“, sagt der Tuner. Er kann sie einfach nicht verschrotten. Genau deshalb sammelt er sie rund um seine Halle – ganz gleich, in welchem Zustand.