Der Mini Clubman pfeift auf die reine Vernunft
Der Mini Clubman nimmt dem Kombi das Biedere. Er macht Spaß und liefert trotzdem Nutzwert. Das zweitstärkste Modell Cooper S Clubman im Test.
- Der Mini Clubman (Facelift 2019) im Überblick
- Abmessungen, Platzangebot, Karosserie
- Innenraum, Verarbeitung, Materialien
- Antrieb, Motor, Getriebe im Mini Clubman
- Fahrwerk, Lenkung, Fahrverhalten
- Mini Clubman S: Assistenzsysteme und Sicherheit
- Infotainment, Radio, Bedienung
- Ausstattung und Preise
- Fazit: Den Mini Cooper S Clubman muss man wollen
- Mini Clubman II: Technische Daten
Diese Kritik der reinen Vernunft braucht weder Kant noch Kante. Den rundlichen Mini Cooper S Clubman mag man einfach. Dieser Kombi kommt mit überschaubarem Nutzwert und relativ viel Leistung. Er ist der 192 PS starke und straff federnde Beweis, dass Rationalität überschätzt wird. Selbst bei Kompaktwagen mit Kofferraum. Außerdem zeigt er die Grenzen der Retro-Mode auf. Und das auf ganz und gar verzeihliche Weise.
Das alles klappt allerdings nur, wenn man für den speziellen Charme des längsten BMW-Mini empfänglich ist. Was den Sechstürer (!) im Detail ausmacht? Was die getestete zweitstärkste Antriebsvariante mit Frontantrieb auszeichnet? Das und mehr klären wir im ausführlichen Test.
Die zweite Generation des Retro Kombis ist straff, fahraktiv und spaßig.
Der Mini Clubman (Facelift 2019) im Überblick
- Zweite Generation des Retro-Kombis von BMW-Mini
- 102 bis 306 PS. Frontantrieb und Allrad, Sechsgang-Handschalter und Siebengang-DKG
- Straff, fahraktiv, spaßig: Wir testen das zweitstärkste Modell Mini Cooper S Clubman.
- Weniger Laderaum (360 bis 1.250 Liter) und Fahrassistenz als im Segment üblich
Abmessungen, Platzangebot, Karosserie
Jenseits der B-Säule beginnt die unbequeme Wahrheit: In der zweiten Generation tauscht Mini die Unschuld des Clubman gegen mehr Praktikabilität. Die vier klassischen Einstiege und eine Länge von 4,26 Metern bedeuten: Seit dem Modellwechsel 2015 ist Minis Kombi fast so lang wie ein VW Golf mit Schrägheck. Dabei ist der von der Idee eines Clubman weit entfernt. In den 1970er-Jahren ergänzt Mini den klassischen Minimal-Dreitürer um einen Kombi. Die erste Wiederauflage unterm BMW-Dach bleibt nah am Kernmodell. Nun trennt den Clubman eine ganze Fahrzeugklasse vom “normalen“ Mini, der weiter ein Kleinwagen ist.
Noch ein Kompakt-Kombi oder ein beliebiger Pragmatiker ist er also, der Mini Clubman? Ein Gegenargument zeigt der Blick in den Innenspiegel. Aufschwingende Hecktüren ergeben einen senkrechten Balken im Rückspiegel – und sind ziemlich cool. Wo sonst gibt es schon zwei nutzbare Ablagefächer in einer schnöden Heckklappe? Der Gepäckraum bietet links und rechts weitere Ablagemöglichkeiten, außerdem eine Mulde unterhalb des herausnehmbaren Gepäckraumbodens. In Summe: Der langt für den Einkauf im Supermarkt. Für den Besuch im Möbelhaus sind aber die Ladekante zu hoch und das Kofferraumvolumen zu knapp. 360 bis 1.250 Liter verdeutlichen den Unterschied zwischen dem Clubman und einem echten Kombi. In den ähnlich großen Skoda Fabia Combi passen 530 bis 1.395 Liter.
Immerhin bietet der bisher längste Mini in Reihe zwei ausreichend Platz für Kopf und Beine. Jedenfalls auf den äußeren Plätzen. Hinten wie vorne kommt die Türverkleidung den Passagieren unerhört nahe.
Innenraum, Verarbeitung, Materialien
Wir verzeihen dem Mini die innere Enge. Sein Innenraum ist eher Cockpit als Passagierraum. Den Unterschied machen die Kippschalter und das exponierte Kombi-Instrument für Drehzahl und Geschwindigkeit. Es handelt sich um historische Zitate: Ungefähr so sah es im klassischen Mini aus. Klar, einen Infotainment-Screen beherbergt dessen kreisrunde Einfassung an der Mittelkonsole nicht.
Leder-Bezüge mit Farbgebung und Haptik eines Baseball-Handschuhs passen zum Retro-Thema (Chester Malt Brown, 1.790 Euro). BMW-Mini unterschäumt Armaturenbrett, Seitenverkleidung und Armauflage nur geringfügig und unterfüttert die Sitze nicht wie eine Wohnzimmer-Couch. In einem Sportmodell passt das. Gemessen am Sport-Anspruch fällt die Stützung der vorderen Hocker zu niedrig aus, ihre Grundposition ist zu hoch. Eine gute Sitzposition findet man trotzdem: Beinauflage und Lendenwirbelstütze bieten einen weiten Verstellbereich, das Leder-Lenkrad liegt gut in der Hand (100 Euro mit Daumen-Auflage und Lederbezug).
Antrieb, Motor, Getriebe im Mini Clubman
Hinter dem kleinen, aber dicken Dreispeichen-Kranz liegen die mutmaßlich meistgebrauchten Schaltpaddel des Kompaktsegments. Im Mini Clubman S nutzt man sie tatsächlich und schaltet gern durch die sieben Fahrstufen. BMW-Minis Sportversion des Doppelkupplungsgetriebes (200 Euro Aufpreis zum regulären DKG) setzt beim Herunterschalten jeden Befehl um, der noch einigermaßen vertretbare Umdrehungszahlen bringt. Und lässt den aufgeladenen 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner in den weichen Begrenzer laufen, wenn der Fahrer im manuellen Modus nicht nachlegt. So viel Verantwortung macht Spaß. Auf sich gestellt schaltet der 192 PS starke Clubman S leider übertrieben früh zurück und braucht lange zum Sortieren. Hält man aus, mehr aber nicht.
Eigentlich kommt das Aggregat im unteren Drehzahlbereich gut zurecht. Laut Datenblatt liegen 280 Newtonmeter konstant zwischen 1.350 bis 4.600 Umdrehungen an. Dabei ist der Motor weniger wild als wandlungsfähig: Unterhalb von 3.500 Umdrehungen fährt man überraschend undramatisch im Alltag. Dann verbraucht der Mini im Schnitt rund 7 Liter, im zähen Stadtverkehr auch mal 8,5 Liter. Wer akustisch und dynamisch mehr will, muss den Cooper Clubman S drehen. Die Höchstleistung liegt haarscharf vor dem Drehzahl-Limit an, bei 5.000 bis 6.000 Umdrehungen.
Klein, praktisch, günstig: Der Skoda Fabia Combi bietet viel Platz für einen Kleinwagen.
Fahrwerk, Lenkung, Fahrverhalten
Cooper-Modelle federn straff. Immer. Und tendenziell umso unnachgiebiger, je mehr Buchstaben BMW-Mini in die Modellbezeichnung quetscht. Das Modell mit dem S verheimlicht uns Unebenheiten weder im Komfort- noch im Sport-Modus der adaptiven Dämpfer (500 Euro). Doch in der Härte dieses Clubman liegt viel Feinsinn. Es macht einen Unterschied, ob man Schlaglöcher spürt oder in sie hineinplumpst. Der Clubman wirkt dabei souverän, weil er nach dem Schlag kaum nachfedert. Statt Nicken gibt es etwas Rollbewegung, die Hinterachse federt weicher als bei Cooper-Dreitürern.
Nicht falsch verstehen, vordere und hintere Federbeine stemmen sich in der Kurve immer noch ordentlich gegen die Fliehkraft. Das agile Eigenlenkverhalten des Kernmodells überträgt BMW-Mini auf den vergleichsweise langen Radstand von 2,67 Metern. Einlenken, vom Gas gehen, nachlenken – dann wird das Heck lebendig. Mini stimmt den Schleuderschutz ESP und die Antriebs-Schlupfregelung eventuell sogar zu konservativ ab. Immerhin lassen sich die Systeme (innerhalb weiter Grenzen) deaktivieren. Dann merkt man: Unser frontgetriebener Testwagen kommt mit frühen Gaseinsätzen durchaus zurecht.
Was der Mini Cooper S Clubman nicht kann: zwischen Lenken und Dämpfen differenzieren. Über den Fahrmodus-Schalter (serienmäßig) kann man die Arbeitsweise der Lenkung beeinflussen. In Sport-Stellung reagiert der Kombi rund um die Mittelstellung herrlich scharf auf Befehle. Mit dem lascheren Ansprechverhalten im Normal-Modus harmoniert das hohe Handmoment nicht so richtig. Nur: Die Dämpfer wechseln immer mit in die Angriffsstellung.
Mini Clubman S: Assistenzsysteme und Sicherheit
Unser Testwagen verfügt über BMW-Minis volles Angebot an elektronischen Assistenten. Die hohe Schule der Teil-Autonomie ist das nicht. Einen Spurhalter hat die Marke nicht im Programm. Damit entfällt die Chance auf einen Stauassistenten. Den adaptiven Tempomaten (150 Euro) nutzen wir im Stadtverkehr ebenfalls selten. Auf der Autobahn passt dessen vorsichtige Auslegung ganz gut, auf der Landstraße fährt man sowieso lieber selbst.
Das Bild der Rückfahrkamera (400 Euro) wirkt scharf und hochauflösend genug für einen Netflix-Abend, für die Sicht bei Dunkelheit und Regen sowieso. Daneben lässt sich ein selbst lenkender Park-Assistent (800 Euro mit Parkpiepsern) in den Clubman konfigurieren. Über den “Driving-Assistant” (600 Euro) erhält man unter anderem Fernlicht-Assistenten, City-Notbremsfunktion und eine Verkehrszeichenerkennung. Identifizierte Tempolimits projiziert unser Cooper S Clubman auf das ausfahrbare Head-up-Display (600 Euro).
Infotainment, Radio, Bedienung
Irgendwie paradox: Die Einfassung des Infotainments zitiert das Cockpit aus Urzeiten der Marke. Betagt wirkt aber eher die Darstellung am Screen selbst. Andere Kompaktwagen ziehen eine größere digitale Show ab als dieser Mini auf dem größten lieferbaren System (Connected Navigation Plus-System, 2.550 Euro).
Aber bräuchte es so eine Show überhaupt? Wichtiger als die Darstellung ist im Alltag die Bedienbarkeit. Die funktioniert im Mini prima, auch aufgrund der engen Verbindung nach Bayern. Auf der Mittelkonsole sitzt der bewährte Dreh-Drück-Steller von BMW. Auf dem springt man intuitiv und denkbar einfach durch das Menü. Irritierend ist nur, dass der Mini mitunter auf einer Drehrichtung besteht und die andere ignoriert. Zur Not kann man das System über den Touch-Screen bedienen. Für Klima und Co. gibt es stylishe Kipptasten.
Ausstattung und Preise
Mindestens 24.300 Euro veranschlagt Mini für die Basisvariante des Clubman, mindestens 30.050 Euro für den Cooper S Clubman mit Sechsgang-Handschaltung. Die gefahrene Sportvariante des Doppelkupplungsgetriebes steigert den Startpreis auf 32.610 Euro. Man erkennt das zweitstärkste Modell nach der bespoilerten Top-Variante (John Cooper Works) an der Lufthutze an der Front, zwei Endrohren am Heck und 17-Zoll-Alufelgen in den Radkästen. Zum restlichen Ausstattungsumfang ab Werk: Der Preis des abgebildeten Testwagens liegt 18.200 Euro oberhalb des Einstiegspreises.
Für 48.310 Euro gibt es bereits wesentlich größere Kombis. Allerdings wenige tatsächlich vergleichbare Modelle, also kleine bis kompakte Kombis mit viel Leistung. Der 204 PS starke Kia Proceed (ab 33.690 Euro mit DKG) ist schon ganz etwas anderes. Anhand der Abmessungen kommt der Skoda Fabia Combi (ab 16.190 Euro) am nächsten. Der ist allerdings nicht als Sportversion erhältlich. Klassische Kompakt-Sportler wie Audi S3 oder VW Golf GTI passen bei Länge und Leistung, tragen aber kein Kombi-Heck. Kompakte Rundenzeiten-Jäger von Honda oder Renault sehen die Sache mit dem Sport ungleich ernster und konkurrieren allenfalls mit dem 306 PS starken Top-Clubman.
Soll heißen: Der Mini Cooper S Clubman hat seine Nische, in der er relativ allein ist. Es gibt keinen anderen kleinen Kombi, der Kleinfamilientauglichkeit, sportliche Kompetenz und Retro-Charme unter einen Hut bringt. Gemessen daran ist das Angebot breit gefächert: Neben dem getesteten Cooper S mit Frontantrieb bietet Mini die Allradvariante Cooper S Clubman All4 (ab 34.200 Euro, nur Automatik). Unter der Bezeichnung Cooper SD gibt es einen Ableger mit Frontantrieb und 190 PS starkem Diesel. So viel technische Vielfalt gibt es bei wenigen Modellen der Marke.
Fazit: Den Mini Cooper S Clubman muss man wollen
Du bist im Geiste ein Buchhalter und im Herzen ein Spediteur? Dann läuft die Sache nicht zwischen Dir und dem Mini Clubman. Bei aller Sympathie für den Kombi. Wer den besten Deal sucht oder viel einladen will, ist beim Mini Cooper S Clubman generell falsch. Seine Daseinsberechtigung ist, dass viele Menschen gern viel Geld für Stil und Spaß ausgeben. Solange sie im Alltag trotzdem zurechtkommen. Der zweitstärkste Clubman schafft das mit einer spaßigen Fahrwerksauslegung und gerade noch vertretbarer Motorleistung, ohne sozial anzuecken. Bemerkenswert für ein Sportmodell mit überschaubarem Nutzwert.
Mini Clubman II: Technische Daten
Modell | Mini Cooper S Clubman II (F54), seit 2015, Überarbeitung 2019 |
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Motor | 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner |
Leistung | 192 PS (141 kW) bei 5.000 bis 6.000 U/min |
Drehmoment | 280 Nm bei 1.250 bis 4.600 U/min |
Getriebe | 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, Frontantrieb |
0-100 km/h | 7,2 s |
Geschwindigkeit | 228 km/h |
Verbrauch laut Hersteller | 6,5 l/100 km (kombiniert nach WLTP) |
CO2-Ausstoß | 147 g/km |
Abgasnorm | Euro 6 d-TEMP |
Abgasreinigungssystem | Otto-Partikelfilter |
Länge | 4.266 mm |
Breite | 1.800 mm |
Höhe | 1.441 mm |
Leergewicht | 1.460 kg |
Kofferraum | 360 bis 1.250 Liter |
Basispreis Mini Clubman (als „One“) | 24.300 Euro |
Basispreis Mini Cooper S Clubman | 30.050 Euro |
Basispreis Testfahrzeug Mini Cooper S Clubman DKG-Sportvariante | 32.610 Euro |
Gesamtpreis Testfahrzeug | 48.310 Euro |