So funktionieren Mild-Hybride
Ein Mild-Hybrid kann nicht rein elektrisch fahren, aber mit elektrischer Unterstützung Sprit sparen. Wie die Technik das macht? Das liest Du hier.
Hybride funktionieren. Das beweist Toyota seit einer gefühlten Ewigkeit mit dem Prius, nicht ganz so lange mit weiteren Modellen. Jenseits von Toyota findet man derartige Vollhybride bisher selten. Seit 2019 setzen sich stattdessen zunehmend Mild-Hybride durch. Hier fällt die elektrische Unterstützung etwas schwächer aus als beim Vollhybrid, rein elektrisch können Mildhybride gar nicht fahren. Entsprechend gerät das Spritspar-Potenzial geringer, doch dafür ist der konstruktive Aufwand nicht so hoch. Lies hier alles zur Mild-Hybrid-Technik.
Die Mild-Hybrid-Technik in Kürze
- Etwa 10 Prozent weniger Verbrauch durch elektrische Unterstützung
- Geringere Stromstärken als bei Voll- oder Plug-in-Hybrid
- Integrierter oder riemengetriebener Startergenerator als Elektromotor
- Erweitertes und komfortableres Start-Stopp-System
In einem Vollhybrid arbeitet der Benzinmotor so oft wie möglich im Bereich des höchsten Wirkungsgrades. Der liegt beim aktuellen Toyota Prius bei etwa 2.200 Touren, beim Vorgänger etwas höher. Ein stufenloses Getriebe, das die Übersetzung variabel anpasst, eignet sich am besten, um das zu bewerkstelligen. Der Nachteil: Die Geräuschkulisse passt oftmals nicht zur gefühlten Beschleunigung. Europäische Ohren hören das nicht immer gern. Geschmackssache: Trotzdem stellt Toyota heute in Städten wie Berlin und Barcelona mit dem Prius eines der beliebtesten Taxi-Modelle.
Deutsche Hersteller gingen bei ihren Vollhybriden lieber Kompromisse ein, um die Geräuschkulisse angenehmer zu gestalten. Meistens auf Kosten der Effizienz. Und das kostete deren Hybrid-Modelle letztendlich die Daseinsberechtigung, sie verkauften sich kaum.
Seit 2019 bietet Hyundai den Tucson Diesel als Mildhybrid mit 48-Volt-Technik an.
Trotzdem gilt die Hybridisierung als erprobtes Mittel zur Verbrauchssenkung. Also verzichten viele Hersteller mittlerweile auf die Möglichkeit, tatsächlich elektrisch zu fahren. Sie bauen Mild-Hybride, die elektrisch unterstützen und den Diesel oder den Benziner entlasten. Das reduziert Kosten und Aufwand der Elektrifizierung deutlich, der Durst sinkt immerhin spürbar.
Der Mild-Hybrid und sein Startergenerator
Wichtigstes Mittel des Mild-Hybriden ist ein sogenannter Startergenerator, ein einfacher Elektromotor, der dem Verbrenner bei der Arbeit hilft. Er kann für kurze Zeit etwas Kraft beisteuern, den Motor anlassen und Strom erzeugen. Die Aufgabe der Lichtmaschine übernimmt er in allen Fällen vollständig, die des Anlassers zumindest zum Teil.
Ein Startergenerator lässt sich an unterschiedlichen Positionen des Autos platzieren. Audi nutzt die Lücke, die die fehlende Lichtmaschine hinterlässt. Von hier aus wird der Startergenerator über einen Riemen mit der Kurbelwelle verbunden. Diese Konstruktion nennt sich Riemen-Startergenerator (RSG). Der Vorteil: Er lässt sich bei bereits bestehenden Motortypen einsetzen. Kia und Hyundai verfolgen eine ähnliche Taktik, BMW auch. Hier starten Motorisierungen mit RSG 2020 zunächst in Diesel-Modellen der 3er-Reihe und in den SUVs X3 und X4. Bei Volkswagen macht der aktuelle Golf 8 als 1.5 eTSI den Anfang.
In der neuesten Generation fährt der VW Golf als 1.5 eTSI mit 48-Volt-Mildhybrid.
Mercedes tauscht bei einigen Motoren ebenfalls Lichtmaschine gegen RSG. In den großen Limousinen und SUVs betreibt man in Stuttgart aber mehr Aufwand. Dort sitzt der Startergenerator zwischen Motor und Getriebe direkt an der Kurbelwelle. Ohne Riemen gelingt eine bessere Kraftübertragung. Dafür ist der Konstruktionsaufwand deutlich größer. Mercedes hat die Antriebe speziell für den sogenannten integrierten Startergenerator (ISG) entwickelt. Den Anfang macht schon im Sommer 2017 die S-Klasse (S 450), 2018 folgen weitere Baureihen, darunter die SUVs GLE und GLS sowie einige AMG-Modelle. Ab 2020 setzt Mercedes erstmals einen ISG in Verbindung mit einem 2,0-Liter-Vierzylinder im E-Klasse Facelift ein.
Elektrische Unterstützung beim Anfahren
Beide Varianten, RSG und ISG, können Verbrennungsmotoren komfortabler und schneller starten als ein Ritzelanlasser. Der Fahrer merkt davon fast nichts, der Startvorgang fühlt sich an wie der Gangwechsel einer flinken Automatik. Deshalb bleibt der Verbrenner immer dann stehen, wenn er gerade nicht gebraucht wird, zum Beispiel beim sogenannten „Segeln“ ohne Last. Das spart Sprit.
Wie ein Vollhybrid hilft ein Mild-Hybrid auch dort, wo ein Verbrenner wenig effizient arbeitet. Zum Beispiel beim Anfahren. Ein bisschen elektrisches Drehmoment entlastet Benziner oder Diesel und spart so Sprit. Hier ist der ISG besser, denn er kann mehr Kraft übertragen.
Wie viel man letztendlich spart, hängt von vielen Faktoren ab. Der Fahrstil ist weiterhin entscheidend, außerdem die Art des Mild-Hybrid-Systems. Audi gibt eine Verbrauchsreduzierung von 0,5 bis 0,7 Litern pro 100 Kilometer im Alltag an. Kia rechnet mit ungefähr 10 Prozent weniger Durst als ohne Startergenerator.
48-Volt-Technik in Großserie
In den seltensten Fällen genügt das reguläre Bordnetz, um einen Startergenerator effizient zu betreiben. Die Leistungsgrenze hierfür liegt bei ungefähr 3 Kilowatt (ca. 4 PS) – zu wenig für den gewünschten Effekt. Viele Hersteller rüsten deshalb ein zweites Bordnetz mit einer Spannung von 48 Volt nach. Hier fallen die Kabelquerschnitte dünner aus, es lassen sich bis zu 25 Kilowatt (34 PS) übertragen.
Hyundai, Kia, BMW und Mercedes setzen aktuell auf das 48-Volt-Netz, Mazda arbeitet mit einem 24-Volt-Bordnetz. Audi setzt 48 Volt nur bei Motoren mit sechs oder mehr Zylindern ein. Vierzylinder bekommen Mild-Hybride mit einer Spannung von 12 Volt. Suzuki bietet Mild-Hybride ausschließlich mit 12 Volt an. Diese Autos sparen im Vergleich weniger Sprit, weil der Elektromotor mit weniger Leistung unterstützt. Jedenfalls in der Theorie, wenn alle anderen Parameter identisch sind. In der Praxis spielen viele weitere Faktoren und die konkrete Umsetzung eine große Rolle.
Mercedes rüstet große Sechszylinder wie den GLE 450 seit 2018 mit Mildhybridsystem aus.
Volvo hat seit 2019 ebenfalls Mild-Hybride im Programm, beschränkt sich aber aktuell noch auf die SUV-Modelle Volvo XC90 und Volvo XC60. Seat und Skoda sind ebenfalls mit den ersten Modellen am Start, Ford, Subaru, die PSA-Gruppe und Renault folgen. Die Strategie ist in allen Fällen ähnlich, die Umsetzung variiert.
Vollhybride sparen im Vergleich mehr Sprit als Mild-Hybride. Sie verwenden aber eine höhere Spannung. Im Hochvoltbereich ab 60 Volt gelten zusätzliche Sicherheitsauflagen. Hinzu kommt eine aufwändigere Konstruktion. Letztendlich sind sie deshalb bedeutend teurer. Mild-Hybridsysteme lassen sich in bestehende Modelle einbauen. Das Mehrgewicht des Systems kompensieren sie problemlos.
Zusätzliche Extras mit 48 Volt
Ein angenehmer Nebeneffekt: Die höhere Spannung des 48-Volt-Netzes eröffnet neue Möglichkeiten. Audi und Mercedes setzen zum Beispiel elektrisch angetriebene Verdichter ein. Sie sitzen im Ansaugstrang und verdichten die Luft, bevor die Turbolader ihre Gedenksekunde überwunden haben. Die Autos sprechen spontaner an und verbessern so Beschleunigung und Abgase.
Einige Hersteller nutzen das 48-Volt-Netz außerdem für einen Wankausgleich. In den Stabilisatoren sitzen Elektromotoren, die das Chassis entgegen der Kurvenrichtung verspannen. Die Karosserie rollt weniger und bleibt in schnellen Kehren schön gerade. Diesen Effekt spürt man besonders bei großen SUVs.
Insgesamt lohnen sich Mild-Hybride für Hersteller und Kunden. Beide freuen sich über einen geringeren Verbrauch. Autobauer können zusätzliche Extras in die Aufpreisliste schreiben. Die Hybride werden in kleinen Fahrzeugklassen vorerst eine Sonderausstattung bleiben – für Basismodelle sind sie noch zu teuer. Doch bis hinunter in die Kompaktklasse kommen 2020 diverse Modelle mit 48-Volt-Mildhybrid hinzu. Die Hersteller können in den Volumen-Segmenten nicht mehr auf die Technik verzichten, weil hohe Strafzahlungen drohen, wenn sie die CO2-Ziele der EU verfehlen. Da zählt jedes Gramm.