Ein Luxus-Roadster für das ganze Jahr
Der Mercedes SL (R129) setzt vor 30 Jahren neue Maßstäbe bei Komfort und Sicherheit. Damit besticht er bis heute. Ist er einer der besten Sterne aller Zeiten?
Sein Meisterstück. So hat die Mercedes-Designerlegende Bruno Sacco diesen SL später einmal genannt. 1989 kommt der Mercedes-Sportwagen der Baureihe R129 auf den Markt und setzt gleich mehrere Bestmarken. Auf den ersten Blick begeistert viele die zeitlose Optik, weshalb der Roadster prompt den renommierten „Car Design Award“ erhält.
Der R129 ist ein technischer Meilenstein
Dazu kommen viele technische Innovationen, mit denen der Daimler-Konzern den SL ausstattet. Etwa der automatische Überrollbügel: Bei Gefahr eines Überschlags klappt der in 0,3 Sekunden blitzschnell aus. Damals eine Weltneuheit.
Neu sind auch die elektrischen Integralsitze, bei denen Kopfstütze und Sicherheitsgurt in den Sitz integriert sind. Weltpremiere hat das adaptive Dämpfungssystem (ADS): Es passt die Dämpfung automatisch in Sekundenbruchteilen an den jeweiligen Fahrzustand an. Die Bodenfreiheit kann per Knopfdruck verändert werden. Auch das elektrohydraulische Verdeck erfreut, da es den Mitfahrern in 28 Sekunden einen Platz an der Sonne beschert. Selbst wenn diese Zeit heute wie eine halbe Ewigkeit anmutet.
• Motor: 3,2-Liter-Sechszylinder-Benziner
• Leistung: 231 PS
• 0-100 km/h: 8,4 s | Vmax: 240 km/h
Grund genug also, dass Kunden für den SL nach dem Marktstart Schlange stehen. Überfällig ist er ja: Der Vorgänger R107 wird nach 18 Jahren Bauzeit endlich abgelöst. Populär war der auch, wirkte mit seinem Chromschmuck und den barocken Formen aber doch recht altbacken. Auf den neuen SL müssen die Käufer hingegen lange warten. Die Lieferfristen für den R129 betragen anfangs mehrere Jahre.
Angebot an Fahrzeugen ist groß
Da haben es Roadster-Freunde heute deutlich einfacher. Knapp 20 Jahre nach Produktionsende – die letzten R129 laufen 2001 vom Band – ist das Angebot an Fahrzeugen groß. Immerhin werden in zwölf Jahren Bauzeit rund 200.000 Exemplare gefertigt. Für einen Sportwagen ist das eine Menge. Die Auswahl reicht vom frühen 300 SL mit dem soliden, aber etwas trägen M103-Reihensechszylinder und 190 PS bis zum SL 73 AMG mit 525 PS starkem V12.
Welcher der beste ist? Man orientiert sich in der Mitte, wie so oft im Leben. Ein besonders ausgewogenes Preis-Leistungs-Verhältnis bietet der SL 280 mit 193 PS oder der SL 320 mit 231 PS, die jeweils von 1993 bis 1998 angeboten werden. Beide Aggregate entstammen der M104-Motorenfamilie. Diese sahnigen Vierventil-Reihensechszylinder pflanzt Daimler ab 1992 auch der Mittelklasse-Baureihe W124 ein. Ihr Markenzeichen: Sie bieten mehr Leistung als die alten M103-Zweiventiler bei gleichzeitig geringerem Verbrauch.
Deshalb darf es gleich auch ruhig ein SL 320 sein. Zum Beispiel einer in Blau-Metallic, den ein Privatmann aus der Pfalz bei mobile.de anbietet. Der SL 320 von 1994 hat laut Anzeige erst 80.500 Kilometer gelaufen, das heißt für einen M104-Reihensechszylinder praktisch gar nichts. Die Ausstattungsliste ist lang: Klimaautomatik, elektrische Sitze, Tempomat, schwarzes Vollleder, Freisprecheinrichtung. Dieser Roadster ist für ein über 25 Jahre altes Auto geradezu üppig ausgestattet. Als Preis ruft der Besitzer 21.900 Euro auf.
Das wirkt angemessen, denn der Pflegezustand scheint gut zu sein. Der Wagen sei, bevor er ihn erworben habe, nur von zwei Rentnern gefahren worden. Das versichert jedenfalls der Verkäufer. Er selbst habe den SL 320 vor 20 Jahren erworben und stets nur im Sommer aus der Garage geholt. Wegen einer Fahrzeug-Neuanschaffung gebe er den Sportwagen nun ab. Das HU-Siegel ist noch bis Ende 2021 gültig, außerdem soll dem Wagen ein ausgefülltes Service-Scheckheft der Werkstatt beiliegen.
Ganzjahres-Einsatz muss kein Problem sein
Auch wenn die Preise für den Mercedes SL R129 ansteigen: Es finden sich auch Fahrzeuge unter 10.000 Euro, meist mit hohen Laufleistungen. Die müssen grundsätzlich kein Kaufhindernis sein. Allerdings sollte man sich die Wartungshistorie genau ansehen. Denn selbst wenn der R129 Langzeitqualitäten hat – viele Exemplare beweisen dies bis heute im Ganzjahreseinsatz –, ganz ohne Schwachstellen ist der Roadster nicht.
So kann Korrosion ein Thema sein, gerade wenn der Sportwagen auch im Winter gefahren wird. Zwar rostet der SL deutlich seltener als der W124, mit dem er sich Fahrwerk und andere Komponenten teilt. Die Wagenheberaufnahmen sowie die Aufhängungen der Raumlenker-Hinterachse gehören trotzdem bei beiden Modellen zu den neuralgischen Stellen. Auch an Radläufen, Kotflügeln, im Motorraum sowie an den Türunterkanten kann der Mercedes SL rosten.
Nebenaggregate können im Alter schwächeln
Die Technik gilt grundsätzlich als solide, die Motoren sind potenzielle Langläufer. Für ihre Nebenaggregate gilt dies nur bedingt. Bei den Vierventil-Sechszylindern und -Zwölfzylindern verabschiedet sich früher oder später die Zylinderkopfdichtung. Darüber hinaus werden die Motorkabelbäume im Alter brüchig, was sich durch Startprobleme und Zündaussetzer bemerkbar machen kann. Ein Austausch ist dann zwingend notwendig, andernfalls drohen zerschossene Motorsteuergeräte bis hin zum Fahrzeugbrand.
1998 stellt Mercedes beim SL auf die neuen, günstigeren M112-Sechszylindermotoren um. Diese V6-Aggregate sind in Sachen Laufkultur und Klang aber keine besonders beliebte Alternative zu den bewährten M104-Reihensechsern. Der R6 im 300 SL-24 hat zudem den Ruf eines Brüllmotors, der seine Leistung von 231 PS erst bei hohen Drehzahlen abrufen kann.
Auch bei den Achtzylindern ziehen viele Liebhaber den 500 SL mit dem M119-Motor (320 PS) dem modernen M113-Aggregat (306 PS) vor. Größte Schwachstelle bei den V8 sind die Kunststoff-Gleitschienen der Steuerkette. Wenn hier keine Wartungshistorie vorliegt, sollten diese nach einem Kauf besser prophylaktisch erneuert werden.
Mit dem Speedster hatte Opel ein paar Jahre lang einen wahren Roadster im Programm.
Sechs- oder Achtzylinder ist die beste Wahl, Vorsicht beim V12
Bei den Zwölfzylindern ist Vorsicht angebracht. Zwar ist der Auftritt eines 600 SL mit seinen 540 Newtonmetern Drehmoment und 394 PS Leistung majestätisch. Die Wartungs- und Unterhaltskosten sind es aber auch. Ein Austausch der Zylinderkopfdichtung beispielsweise kostet locker 3.000 Euro. Schließlich wollen zwei Zylinderbänke bedient sein. Einen Sonderstatus haben zudem die AMG-Versionen, viele spezifische Ersatzteile kosten einen Extra-Aufschlag.
Fazit
Das bessere Auto ist der bessere Kauf – diese alte Regel gilt beim Mercedes SL R129 ganz besonders. Autos für ein paar Tausender mögen zwar verlockend günstig sein. In die Beseitigung von Wartungsstau können dann locker noch einmal einige große Scheine fließen. Wer dagegen etwas mehr Geld für ein gepflegtes Auto ausgibt, darf sich über einen Youngtimer der Extraklasse freuen. Denn in puncto Komfort, Sicherheit und Leistung besticht der Mercedes SL R129 bis heute.
Technische Daten Mercedes SL 320 (1993 bis 1998)
Modell | Mercedes SL 320 |
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Motor | Sechszylinder-Benziner |
Leistung | 231 PS (170 kW) |
Drehmoment | 315 Nm bei 3.750 U/min |
Getriebe | Fünfstufen Automatik |
0-100 km/h | 8,4 s |
Geschwindigkeit | 240 km/h |
Verbrauch | ca. 11,0 l/100 km |
Leergewicht | 1.850 kg |
Länge | 4.499 mm |
Breite | 1.812 mm |
Höhe | 1.296 mm |
Radstand | 2.515 mm |