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Mercedes E 500 in der Frontansicht, fahrend
Quelle: Mercedes
Das „rasende Taxi“: Äußerlich unterscheidet sich der 500 E kaum von einem normalen Mercedes W124

Stell Dir vor, Du bestellst ein Taxi und es kommt ein Rennwagen. So ungefähr müssen sich Mercedes-Fahrer im Jahr 1990 gefühlt haben, als sie sich zum ersten Mal in einen 500 E setzen. Äußerlich ist das neue Spitzenmodell aus Daimlers Mittelklasse-Baureihe 124 kaum von einem biederen 200 D zu unterscheiden, wie er vor 30 Jahren massenhaft als Taxi unterwegs ist. Doch wehe, der Zündschlüssel wird umgedreht: Dann erweckt man eine Höllenmaschine zum Leben.

Der 500 E führt den Achtzylinder in die Mercedes-Mittelklasse ein

Der Wolf im Schafspelz, das Biest im Büroanzug: Zum Mercedes 500 E passen solche Sprachspiele wunderbar. Bei seinem Debüt ist der Mercedes W124 bereits seit sechs Jahren auf dem Markt. Der 500 E nimmt sofort eine Sonderstellung ein: Erstmals pflanzt Mercedes einem Mittelklasse-Modell einen Achtzylinder ein. Der fünf Liter große Vierventil-V8 stammt aus dem SL 500 (R129) und leistet 326 PS. Brachiale 480 Newtonmeter Drehmoment schaufeln die Hinterräder auf die Straße, in sechs Sekunden rast der neue Über-Benz von null auf hundert. Bei 250 km/h Spitze wird elektronisch abgeregelt.

Das kommt gut an. Die Leute reißen sich damals regelrecht um die sportliche Familienlimousine, der Mercedes 500 E ist schnell auf Jahre hin ausverkauft. Der Grundpreis von 135.000 Mark schockt die Käufer nicht. Mit ein paar Extras landen die meisten schnell bei 150.000 Mark.

Mercedes AMG E 60
Mercedes AMG E 60
Der Mercedes E 60 AMG

• Motor: 6,0-Liter-V8
• Leistung: 381 PS
• 0-100 km/h: 5,4 s | Vmax: 250 km/h

Porsche entwickelt den Super-Benz mit

Das Kuriose: Porsche mischt beim Mercedes 500 E mit. Dem Sportwagen-Bauer aus Daimlers Nachbarschaft geht es damals wirtschaftlich nicht sonderlich gut, die Firma steckt in Finanz- und Absatzschwierigkeiten. Da beschließt man bei Mercedes-Benz, der kränkelnden Sportwagen-Schmiede mit einem Gemeinschaftsprojekt zu helfen. Der Deal: Mercedes stellt die Grundkonstruktion des 500 E, Porsche entwickelt auf Basis des R129 eine Vorderachse und eine Bremsanlage, die den besonderen Anforderungen gerecht wird.

Mercedes E 500 in der Seitenansicht, fahrend
Quelle: Mercedes
Das Facelift der damals neuen E-Klasse umfasst unter anderem weiße Blinker, getönte Rückleuchten und eine andere Motorhaube mit Plaketten-Kühlergrill

Das Ergebnis ist bizarr. Bei der Fertigung des 500 E lässt Mercedes zunächst W124-Rohkarossen nach Zuffenhausen liefern – quer durch das Stuttgarter Stadtgebiet. Bei Porsche werden die nicht serienmäßigen Bauteile wie etwa die ausgestellten Kotflügel montiert, weil der aufgeblasene 500er bei Daimler nicht durch die Fertigungsstraße passt. Danach geht es mit dem Lkw zurück nach Sindelfingen zur Lackierung. Die Endmontage wiederum erledigt Porsche. Dazu gehört auch das Einpflanzen des mächtigen V8-Motors.

Optik (fast) wie ein 200er-Mercedes

Auch wenn man es ihm kaum ansieht: Konzipiert ist der Mercedes 500 E ganz klar als Sportlimousine. Mit den dicken Kotflügeln und dem Frontspoiler wirkt er zwar bulliger als ein normaler 124er, andere Spezifikationen wie die dezente Tieferlegung und 16-Zoll-Alufelgen fallen hingegen kaum auf. Porsche-911-Besitzer und andere Sportwagen-Fahrer glotzen ungläubig, wenn ihnen auf der linken Spur plötzlich ein 124er-Mercedes an der Heckschürze klebt.

Dieser Schock-Moment funktioniert bis heute, denn die Fahrleistungen eines 500 E sind nach wie vor überragend. Und weil bis 1995 insgesamt fast 10.500 Exemplare gebaut werden, ist das Angebot an Fahrzeugen ordentlich. Bei mobile.de finden sich Dutzende Offerten, darunter etliche Autos in gutem Pflegezustand und mit relativ wenig Kilometern. Wegen seines Sonderstatus war der Mercedes 500 E von Anfang ein Liebhaberauto und wurde von seinen Besitzern meist gut gepflegt.

Mercedes E 500 in der Ansicht von hinten links, stehend
Quelle: Mercedes
Mindestens 135.000 Mark mussten Kunden für einen 500 E hinblättern

So wie ein 500 E in Brillantsilber-Metallic, den ein Privatmann aus Bielefeld bei mobile.de anbietet. Im Frühjahr 1992 wurde der Wagen erstzugelassen, damit bekommt der Fast-Oldtimer in zwei Jahren das H-Kennzeichen.

Besonders reizvoll bei dem westfälischen Über-W124 ist die geringe Laufleistung von nur 126.000 Kilometern. Für Kenner gibt der Verkäufer die Fahrgestellnummer mit an.

Die Ausstattung ist edel und reichhaltig

Danach wurde der 500 E nach Japan erstausgeliefert, was den niedrigen Kilometerstand erklärt. Die Ausstattungsliste ist lang: schwarzes Leder, Airbag für Fahrer und Beifahrer, Klimaautomatik, elektrische Sitze, CD-Wechsler im Kofferraum: Der Mittelklasse-Benz hat eine üppige Aussteuer. Sogar eine Lackkonservierung gibt es ab Werk.

Die hat dem silbernen 500 E offenbar gutgetan. Das Fahrzeug sei „absolut rostfrei“ und habe keinerlei Wartungsstau, versichert der Verkäufer. „Der V8 läuft super und der Wagen fährt sich top.“ Der Preis von 25.000 Euro wirkt fair.

Denn es gibt doppelt so teure 500 E beziehungsweise E 500 – so heißt der Über-Benz nach der Modellpflege 1993 –, die deutlich mehr Kilometer auf dem Buckel haben. Das muss kein Kaufhindernis sein. Die V8-Aggregate der M119-Motorenfamilie sind grundsätzlich für hohe Laufleistungen gut. Wichtiger ist der allgemeine Pflege- und Wartungszustand, wenn man mit einem 500 E liebäugelt.

V8-Aggregate brauchen Pflege

Denn dieses Spezialkonstrukt von Porsche und Mercedes ist mit keinem normalen W124 zu vergleichen. Das offenbart sich zunächst beim Anblick des Motorraums: Es war Millimeterarbeit der Porsche-Mitarbeiter, den fetten V8 dort zu implantieren. Selbst geschickte Schrauberhände haben es da bei Reparaturen schwer.

Eine Schwachstelle beim M119 sind die Gleitschienen der Steuerkette. Diese Schienen sind aus Kunststoff und werden im Alter brüchig. Oft kommt ein verschlissener Kettenspanner dazu. Eine gelängte Steuerkette ist die Folge, die im schlimmsten Fall überspringen oder reißen kann. Um einen schweren Motorschaden zu vermeiden, sollten Gleitschienen, Kettenspanner und Steuerkette beim M119 daher prophylaktisch erneuert werden – wenn möglich, bereits vor einer Laufleistung von 200.000 Kilometern.

Mercedes E 60 AMG in der Seitenansicht, stehend
Quelle: Mercedes
Noch einen drauf setzt der E 60 AMG mit brachialen 381 PS

Zündaussetzer und unrunder Leerlauf können auf einen maladen Motorkabelbaum hinweisen – eine weitere typische Schwachstelle, den alle W124-Benziner mit den neuen Vierventil-Motoren haben. Beim 500 E kommen wegen des hohen Gewichts und der geballten Kraft im Vorderwagen malade Traggelenke und Spurstangen dazu. Und auch Rost kann ein Thema sein: Neuralgische 124er-Stellen sind die Hinterachs- und Wagenheberaufnahmen, die vorderen Kotflügel sowie die Scheibenrahmen. Wenn diese Luft ziehen, zeigt sich das an milchigen Stellen auf dem Glas.

Prima ist die Ersatzeillage. Weil der Mercedes W124 über 2,5 Millionen Mal gebaut wurde, gibt es die üblichen Verschleißteile in Hülle und Fülle. Schwieriger wird es bei spezifischen Komponenten für das Topmodell 500 E beziehungsweise E 500. Noch einmal teurer wird es, wenn man ein AMG-Modell unterhalten muss. Der E 63 AMG toppt 1993 mit sechs Litern Hubraum noch einmal die Leistung und bringt es auf 381 PS.

Eine vielleicht noch interessantere Alternative ist der 400 E. Der kommt zwar nur auf 279 PS und beschleunigt etwas langsamer. Dafür hält er wegen der längeren Übersetzung bei der Endgeschwindigkeit locker mit dem 500 E mit. Das Reizende beim 400 E: Er ist günstiger in der Anschaffung und weil er wie ein normaler Serien-124er aussieht, ist er das perfekte Understatement-Auto.

Mercedes E 500
Mercedes E 500
Der Mercedes E 500

• Motor: 5,0-Liter-V8
• Leistung: 326 PS
• 0-100 km/h: 6,1 s | Vmax: 250 km/h

Erst ins Büro, dann auf die Nordschleife

Wer die Legende fahren möchte, kommt dagegen nicht um einen 500 E beziehungsweise E 500 herum. „In der Woche fein angezogen ins Büro, an freien Tagen auf die Nordschleife“ – mit dem Mercedes 500 E kein Problem, schreiben Heribert Hofner und Tobias Zoporowski in ihrem Buch „Mercedes-Benz W124. Eine Klasse für sich“. Mit keiner anderen Serienlimousine der Neunziger seien scheinbare Gegensätze so überzeugend aufgehoben wie bei diesem Auto. Oder anders ausgedrückt: Biest und Buchhalter, Sportwagen und Familienkutsche – mit dem Mercedes 500 E gibt es das alles in einem. Das macht ihn so unwiderstehlich.

Mercedes 500 E: Technische Daten

Modell Mercedes 500 E (1990 bis 1993)
Motor 5,0-Liter-Achtzylinder-Benziner
Leistung 326 PS (240 kW)
Drehmoment 480 Nm bei 3.900 U/min
Getriebe Vierstufen-Automatik
0-100 km/h 6,1 s
Geschwindigkeit 250 km/h
Verbrauch ca. 15,0 l/100 km
Gewicht 1.700 kg
Länge 4.750 mm
Breite 1.796 mm
Höhe 1.408 mm
Radstand 2.800 mm

Der Mercedes E 500 in Bildern

Mercedes E 500in der Frontansicht, fahrend
Mercedes E 500 in der Seitenansicht, fahrend
Mercedes E 500 in der Frontansicht, fahrend
Mercedes E 500 in der Heckansicht, fahrend
Mercedes E 500
Mercedes E 500 in der Ansicht von hinten links, stehend
Innenraum des Mercedes E 500
Mercedes E 60 AMG in der Seitenansicht, stehend
Mercedes E 500 in der Ansicht von hinten rechts, stehend
Quelle: Mercedes
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1993 kommen die Modellpflege und die Umbenennung in Mercedes E 500
Quelle: Mercedes
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Das Facelift der damals neuen E-Klasse umfasst unter anderem weiße Blinker, getönte Rückleuchten und eine andere Motorhaube mit Plaketten-Kühlergrill
Quelle: Mercedes
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Das „rasende Taxi“: Äußerlich unterscheidet sich der 500 E kaum von einem normalen Mercedes W124
Quelle: Mercedes
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1990 führt die Sportlimousine V8-Motoren in Daimlers Mittelklasse ein
Quelle: Mercedes
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Geschäftsleute, aber auch leistungshungrige Familienväter reißen sich um den 500 E
Quelle: Mercedes
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Mindestens 135.000 Mark mussten Kunden für einen 500 E hinblättern
Quelle: Mercedes
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Die meisten Kunden leisten sich eine Top-Ausstattung mit Leder, elektrischen Sitzen, Klimaanlage und anderen teuren Extras
Quelle: Mercedes
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Noch einen drauf setzt der E 60 AMG mit brachialen 381 PS
Quelle: Mercedes
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Der E 60 AMG ist besonders rar, gepflegte Exemplare werden mit weit über 100.000 Euro gehandelt
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