Land Rover Defender 2020 im Test
Der Land Rover Defender 2020 wird modern und wirkt noch immer aus der Zeit gefallen. Oder wieder? Offroader im Alltagstest.
Über den Defender muss man nicht viele Worte machen. Wer das Urgestein aus der automobilen Eisenzeit nicht kennt, hört bei Autos sowieso nicht zu. So mechanisch und analog wie der Ur-Defender ist kaum ein Neuwagen. Kein Wunder, seit 1948 wird er gebaut, die wesentliche Konstruktion ändert sich bis zum Produktionsende 2016 nicht.
Das macht den Charme des hoffnungslos veralteten Hardcore-Geländewagens aus. Immer ist klar: Wer sich dafür entscheidet, kauft einen fabrikneuen Oldtimer. Mit der Neuauflage 2020 ändert sich das. Land Rover stellt den neuen Defender auf eine komplett neue Plattform. Er wird riesig, digitaler, komfortabler und soll trotzdem Gelände können.
Abmessungen, Platzangebot
Wer den Ur-Defender kennt, weiß: Platz ist Luxus. Nicht zwischen den Vordersitzen, aber außen. Gut für den Offroad-Parcours, weil man sich ohne Mühe aus dem Fenster hängen kann, ansonsten eher unkomfortabel. Im Defender 2020 gibt es derartige Probleme nicht. Fahrer und Beifahrer finden reichlich Luft und Bewegungsfreiheit, am Kopf genau wie an den Ellenbogen. Zu nah kommen sie sich ebenfalls nicht. Bei einer Breite von mehr als zwei Metern mit eingeklappten Außenspiegeln wohl auch kein Wunder. War der Defender nicht mal angenehm schlank? War er, keine 1,80 Meter misst der alte in der Breite. Der neue ist meist das breiteste Auto auf dem Parkplatz.
Lang ist er auch. 5,02 Meter inklusive Ersatzrad, das urtypisch und unpraktisch an der seitlich öffnenden Hecktür hängt. Ohne sind es rund 4,76 Meter. Passagiere bringen entsprechend auch lange Beine unter, Sitzriesen können Hut tragen. Den Kofferraum kleidet Land Rover mit geriffeltem Hartplastik aus. Das sieht zwar nicht edel aus, lässt sich aber nass ausspritzen. Mit 972 Litern passt zudem der ein oder andere Keiler ins Abteil, bei umgelegter Rückbank reichen 2.277 Liter für Großwild. Die Version mit sieben Sitzen lädt mit 916 bis 2.233 Litern immer noch ausreichend ein.
Innenraum, Materialien, Verarbeitung
Im Innenraum bemüht Land Rover sich, das Moderne mit dem Rustikalen zu vereinen. Das gelingt recht gut. Kunststoff und weiche Textilstoffe wechseln sich ab, die klare Form wirkt klassisch, die Einfassung vor dem Beifahrer fungiert zugleich als Griff – für wilde Ausritte. Die Instrumente sind als Digital-Display ausgelegt, das Infotainment fügt sich unauffällig ins Armaturenbrett ein.
1948 läuft der erste Land Rover Defender vom Band. Für das Jahr 2020 legt Land Rover den Klassiker neu auf.
Land Rover steckt relativ viel Hartplastik ins Auto, was der Preisklasse nicht ganz angemessen erscheint. Die Lenkradspeichen etwa fühlen sich eher günstig an, der Mitteltunnel ebenfalls. Leider knarzt es in unserem Testwagen auch hier und da vom Dachholm, was auf suboptimale Verarbeitung hindeutet. Die hellen Sitzbezüge erwiesen sich zudem als empfindlich für Schmutz oder Jeansabrieb. Im Testwagen schimmerten die Flächen bläulich.
Motor, Antrieb, Getriebe
Im Testwagen steckt ein starker Benziner mit 3,0 Litern Hubraum, sechs Zylindern und 400 PS sowie 550 Newtonmetern Drehmoment. Als Mildhybrid bekommt er Unterstützung von einem kleinen Elektromotor (integrierter Startergenerator, ISG). Klar, dass es nicht an Kraft und Vortrieb mangelt. Dynamiker wünschen sich eventuell etwas mehr Spontaneität beim Kick-down, doch in Wahrheit mangelt es dem P400 genannten Antriebsstrang an nichts. Der Reihensechser-Turbo klingt sogar ganz gut. Doch so richtig zum Defender passen, mag er nicht. Wir wünschen uns einen kräftigen Diesel. Dann fiele der Verbrauch mit gut 14 Litern im Stadtverkehr und etwas mehr als 11 Litern auf unserer gemütlichen Pendelstrecke nicht so hoch aus.
Alternativ passt natürlich ein dicker V8-Benziner in den Bug. Nicht, weil es sowas schon beim Ur-Modell gab, sondern weil das aktuelle Modell ganz klar mit der Mercedes G-Klasse konkurriert. Ein richtiges Angeberauto verkauft sich eben erst richtig gut mit V8-Gurgeln (in der G-Klasse fährt der überwiegende Teil der verkauften Autos sogar als AMG vom Hof). Das weiß auch Land Rover und legt einen 5,0-Liter-V8 mit 525 PS auf, der von einem Kompressor beatmet wird.
Wer es sparsamer mag, bekommt neben drei Dieseln mit 200, 249 und 300 PS einen Plug-in-Hybrid, der einen 2,0-Liter-Vierzylinder mit einem Elektromotor kombiniert. Die Systemleistung beträgt 404 PS, das Drehmoment 640 Nm. Verbrauch: 2,8 bis 2,9 Liter auf dem Papier. Dafür sollte man allerdings dafür sorgen, dass der Akku meist voll ist, damit die elektrische Reichweite von 43 Kilometern weitgehend ausgenutzt werden kann. Ein 2,0-Liter-Benziner mit 300 PS steht ebenfalls in der Preisliste, der verbraucht jedoch zumindest auf dem Papier nicht weniger als der P400.
Fahrverhalten, Fahrwerk
Der getestete Defender steht auf der optionalen Luftfederung. Was, seien wir ehrlich, für harten Offroad-Einsatz abseits der Zivilisation keine gute Idee ist. Im Alltag hingegen schon. Der Brocken federt erstaunlich harmonisch über Buckel, Kanten und Wellen. Dazu rollt er sogar ganz gut ab und kippelt selbst bei niedrigen Geschwindigkeiten nicht zu viel.
Dass er seinen fast zwei Meter hohen Aufbau und seine knapp 2,4 Tonnen Gewicht nicht allzu behänd um die Kurven bekommt, wird niemanden überraschen. Dafür ist er nicht gemacht.
Sondern fürs Gelände? Nun ja, eventuell. In der Praxis wird der Defender genau wie alle anderen Land Rover und Range Rover nur selten harte Trails unter die Reifen bekommen. Dass er es könnte, konnten wir auf einer ersten Testfahrt ausprobieren. Kurze Überhänge, große Böschungswinkel (38 Gradvorne, 40 Grad hinten), bis zu 28 Grad Rampenwinkel, 90 Zentimeter Wattiefe, maximal 300 Millimeter Bodenfreiheit (bei angehobenem Luftfahrwerk) sprechen für sich, wenn man Offroad versteht. Ein sperrbares Mitteldifferenzial gibt es serienmäßig das an der Hinterachse optional. Wie sie arbeiten, wie der Defender sich neigt, wie er wankt oder wie tief er watet, lässt sich im Infotainment-Display verfolgen. Genau wie der Streckenverlauf von steilen Abhängen, die sich ohne Kamerabild hinter der Motorhaube verstecken würden.
Er kann also. Und das gehört ja auch zur Markenidentität, also muss er. Dass er außerdem komfortabel federt und gut geradeaus läuft, stellt den eigentlichen Wandel dar. Denn wer einmal einen Ur-Defender über lange Strecken auf der Autobahn bewegt hat (insbesondere einen 90er mit kurzem Radstand) weiß: Es ist eine Tortur. Der neu nervt nur ganz leicht mit etwas lauterem Windgezischel bei höheren Geschwindigkeiten. Aber: Nicht so sehr wie die Mercedes G-Klasse.
Assistenzsysteme und Infotainment
In früheren Defendern nannte man das Infotainment Radio und Assistenz gab es nicht. Jedenfalls nicht im heutigen Sinne. Doch ein heutiges Auto kommt ohne nicht aus. Also hilft er natürlich beim Spur halten, hält die Geschwindigkeit, warnt den Fahrer, wenn er müde wird, erkennt Verkehrsschilder und bremst im Notfall autonom. Im getesteten Defender 110 SE kommt noch ein Toter-Winkel-Warner hinzu. Wer mehr will, wählt das Assistenz-Paket mit adaptivem Tempomaten und Kollisionswarner fürs rückwärts ausparken. Andere können mehr, doch der Defender fährt einigermaßen auf Höhe der Zeit.
Das Kompakt-SUV gilt als eines der vielseitigsten Autos. Es beherrscht die lange Autobahnfahrt ebenso gut wie das steile Klettern im Gelände.
Genau wie beim Infotainment. Wobei uns das Pivi Pro genannte System nicht in jeder Lage überzeugt. Zuweilen reagiert der 10-Zoll-Touchscreen erst mit Verzögerung auf Inputs. Die Bedienung gelingt im Grunde übersichtlich, dass wir lange nach einem Menüpunkt für die Sitzheizung suchen, erklärt sich beim Blick in die Ausstattungsliste: Es war keine an Bord. Ist sie vorhanden, steuert man sie über den gleichen Drehknopf wie die Klimaanlage, nur dass man vorher darauf drücken muss.
Preis, Ausstattung, Fazit
Schnäppchenpreise gibt es bei Land Rover nicht. Die Preise für den Defender II starten bei 52.700 Euro, doch dafür gibt es nur den „Kurzen“ mit drei Türen. Der Defender 110 kostet mindestens 55.600 Euro, unser P400 startet bei 68.900 Euro, in der Ausstattungsvariante SE werden daraus bereits 80.300 Euro. Bei ziemlich üppiger Ausstattung mit großem Infotainment, digitalen Instrumenten, LED-Scheinwerfern und vielen anderen Annehmlichkeiten. Der Testwagen bringt zusätzlich das Black Pack für robustere Optik, beide Offroad-Paket für robuste Fahreigenschaften, das Winterpaket und einige weitere, primär optische Extras mit. Insgesamt landen wir bei fast 90.000 Euro.
Zu viel? Nicht, wenn man die G-Klasse als Vergleich hernimmt. Die zielt aus unserer Sicht auf eine ganz ähnliche Zielgruppe – wenn man den Preis nicht berücksichtigt – startet aber jenseits der 100.000 Euro mit 286-PS-Diesel.
Mit dem Defender hat sie gemeinsam, dass beide vom Image des unzerstörbaren Geländewagens zehren, der überall durchkommt. Dass im Alltag kaum jemand diese Kompetenz nutzt und braucht? Geschenkt. Der komplette SUV-Boom wäre nicht denkbar ohne das Bedürfnis der Kunden, mehr Auto haben zu wollen, als sie brauchen. Für den Defender spricht, dass er einlösen kann, was er verspricht. Das und seine schiere Größe sorgen dafür, dass er aus der Zeit gefallen wirkt. Immerhin das hat er noch gemeinsam mit dem Vorgänger.
Land Rover Defender: Technische Daten
Modell | Defender 110 P400 |
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Motor | 3,0-l-Reihensechszylinder-Turbo, mit ISG |
Leistung | 400 PS (294 kW) b. 5.500-6.500 U/min |
Drehmoment | 550 Nm b. 2.000-5.000 U/min |
0-100 km/h | 6,1 s |
Geschwindigkeit | 191 km/h |
Verbrauch | 9,6-9,9 l/100 km |
CO2-Ausstoß | 220-227 g/km |
Länge | 4.758 mm (5.018 mm mit Reserverad) |
Breite | 2.008 mm (eingeklappte Seitenspiegel) |
Höhe | 1.967 mm |
Radstand | 3.022 mm |
Kofferraumvolumen | 972-2.277 l |
Gewicht | 2.361 kg |
Anhängelast | 3.500 kg |
Preis | ab 80.300 Euro |