Land Rover Defender II (2020): Erster Test, Bilder, Preise
Der ewige Offroader klettert wieder: Die Neuauflage des Land Rover Defender fährt im Gelände klinischer und auf der Straße schlicht besser. Erster Test.
- Defender 90 und Defender 110: Drei- und fünftürige Version erhältlich
- Alu-Chassis statt Leiterrahmen für die Defender-Neuauflage
- Antrieb: Allrad, Sperre und kurze Untersetzung
- Kamerasysteme finden den Boden wieder
- Assistenz: Wat-Tiefe messen ohne nasse Füße
- On-Road: spurtreu statt spurrillen-gierig
- Preise: 49.700 Euro für den Defender II
- Land Rover Defender II (2020): Technische Daten zum Defender 110
Irgendwann fällt die Welt nach unten aus dem Windschutzscheibenrahmen. Der Land Rover Defender steht auf dem Hügel wie eine Rakete auf der Abschussrampe. Die Front ragt steil gen Himmel, der felsige Boden füllt komplett den Rückspiegel. In solche Situationen (und Winkel) bringt man nicht viele Autos. Wieder heraus noch weniger. Klettern, durchqueren, wühlen, darum geht es bei diesem Modell. Schon beim von 1948 bis 2016 gebauten Vorgänger, und in der Neuauflage von 2020 weiterhin. Defender sind keine SUVs. Und doch mehr als Geländewagen.
Der Land Rover Defender ist genau genommen ein Werkzeug, das wegen seiner ländlichen Hemdsärmeligkeit als urbanes Accessoire taugt. Dass der Neue in einer Daktari-Folge herausstäche wie die Armbanduhr in Ben Hur? Die technische Herangehensweise zählt mehr. Land Rover kappt an dieser Stelle maßgebliche Verbindungen zur Legende. Was der Defender II anders macht? Besser kann? Schlechter erfüllt? Um das herauszufinden, tasten wir uns mit dem fünftürigen Defender 110 Richtung Gipfel.
Defender 90 und Defender 110: Drei- und fünftürige Version erhältlich
Im Konfigurator existiert die dreitürige Alternative Defender 90 bereits, im Autohaus startet die getestete Langversion zuerst. Aufteilung und Namensgebung sind historisch korrekt, aber numerisch inkonsistent: Einst bezeichnete die Zahl den Radstand in Zoll. Bei unserem Testwagen liegen 3,02 Meter zwischen vorderer und hinterer Radnabe, das wären rund 118 Zoll.
Die Gesamtlänge des neuen Defender beträgt 5,01 Meter. Kurze Überhänge vereinfachen die Situation am Fuß des Berges. Böschungswinkel von 38 Grad (vorne) und 40 Grad (hinten) beschreiben Werte, bei denen ein SUV längst die Stoßfänger-Abdeckungen abgestreift hätte. Bis zu einem Rampenwinkel von 28 Grad bleibt das markdurchdringende Schaben eines Felsens am Unterboden aus.
Nur beim vorderen Rampenwinkel gewinnt der 110er-Vorgänger das Datenblatt-Duell (49, 35 und 24 Grad). Wobei man den Defender II für die maximale Bodenfreiheit per Tastendruck anheben muss. Mit 293 Millimetern Bodenfreiheit (plus 75 zur Standard-Stellung) klettern wir über den Offroad-Parcours. Wer aufsetzt, kann das Chassis über die serienmäßige Luftfederung kurzfristig um weitere 70 Millimeter nach oben drücken – und so theoretisch über eine stehende Weinflasche fahren.
1948 läuft der erste Land Rover Defender vom Band. Für das Jahr 2020 legt Land Rover den Klassiker neu auf.
Alu-Chassis statt Leiterrahmen für die Defender-Neuauflage
Ein Alu-Chassis anstelle eines Leiterrahmens im Defender: Das ist, als würde Porsche den 911 von Heck- auf Frontmotor umstellen. Die Puristen ächzen, pragmatische Offroad-Fahrer fürchten zumindest mangelnde Stabilität. Der neue Defender biete die verwindungssteifste Karosse der Markengeschichte, betont Land Rover – und lässt das Mittel der Ingenieure offen sichtbar: Im Bereich des Armaturenbretts sieht man einen Teil des beschichteten Magnesium-Trägers. Der unterstützt die Karosse und den Vorderwagen.
Rundherum gibt es viel hartes Plastik und mehr Haltegriffe als in der S-Bahn. Teile des Innenraums ummanteln die Briten mit einem Schaumstoff, der haptisch zwischen Moosboden und Heizungsrohr-Isolierung liegt. Einen Teppichboden gibt es im Test-Defender nicht. Statt der großen Mittelkonsole kann in Reihe eins ein dritter Einzelsitz stehen. Zwei zusätzliche Plätze in Reihe drei gibt es alternativ, nicht aber zusätzlich. Bedeutet: Fünf, sechs oder sieben Sitzplätze sind im Defender 110 denkbar, jeweils einfach gestaltet und mäßig tailliert. Wer mehr Luxus will, hat den Innenraum seines Autos noch nie mit dem Gartenschlauch gereinigt.
Antrieb: Allrad, Sperre und kurze Untersetzung
Vier Antriebswellen, acht automatische Gänge und ein sperrbares Mitteldifferenzial gibt es in jedem Defender. Den Unterschied machen die optionale Differenzialsperre an der Hinterachse und der Motor über der Vorderachse. Land Rover bietet einen Vierzylinder-Turbobenziner mit 300 PS (P300) oder einen 3,0-Liter-Sechszylinder-Reihenmotor mit 400 PS. Ein aufgeladener 2,0-Liter Diesel ist mit 200 oder 240 PS erhältlich.
Wir klettern mit dem stärksten Diesel. Am besten klappt das, wenn die „Low“-Taste für die kurze Getriebe-Untersetzung an der Instrumententafel leuchtet und die Drehzahlmesser-Nadel Richtung Fahrertür zeigt. Bei frühen 1.400 Umdrehungen liefert der Vierzylinder das volle Drehmoment von 430 Newtonmetern.
Der Range Rover Evoque:
Allrad, Geländetauglichkeit und modische Optik.
Kamerasysteme finden den Boden wieder
Der Infotainment-Screen könnte in solchen Situationen die Arbeitsweise von vorderem und hinterem Diff zeigen. Außerdem über den Winkelmesser sagen, wie nahe wir dem Maximum von je 45 Grad für Steigung und Neigung kommen. (Faustregel: weniger nah als vermutet, wie in jedem ernsthaften Offroader).
Stattdessen wechseln wir in entscheidenden Momenten ins Kamera-Menü. Die Welt verschwindet kurz vor dem höchsten Punkt einer Kuppe aus dem Sichtfeld der Windschutzscheibe. Nun erfassen nach unten gerichtete Kameralinsen den Boden. Auf zwei Arten kann man den Untergrund betrachten: über drei getrennte Aufnahmen (zweimal Rad, einmal Boden) oder über die kombinierte Version, die auf dem Screen die Motorhaube verschwinden lässt. Letzteres Bild wird an den Übergängen unangenehm schummerig. Will man den Reifen spitze Steine ersparen, ist das Clear Sight genannte Programm am Screen dennoch aktiv.
Assistenz: Wat-Tiefe messen ohne nasse Füße
Bergsteigen und Offroad-Fahren ergeben dasselbe Gefühl: Am höchsten Punkt fürchtet man den Weg hinab. Im Defender kann man einen Teil der Arbeit an die Bergabfahrhilfe delegieren. Die wählt Speed und Bremseingriffe nach eingelegtem Gang, weshalb man den Pistolen-Schaltknauf häufig in die manuelle Gasse rückt. Für den Untersetzungswechsel verlangt Land Rovers neues Kernmodell nach dem Leerlauf, aber nicht nach Gefummel an irgendwelchen Hebeln. Differenziale sperrt man über den Infotainment-Screen, als ginge es um einen Radiosender-Wechsel. Oder man überlässt die Entscheidung hierüber gleich direkt der Elektronik.
Ernsthafte Offroad-Abenteurer schicken den Kollegen vor einer Wasserdurchfahrt mit einem Stock in die Fluten. Um zu sehen, ob der Wasserstand noch mit der maximalen Wat-Tiefe vereinbar ist. Beim neuen Defender ermitteln Sensoren an den Außenspiegeln die Tiefe. Mit bis zu 90 Zentimeter tiefem Gewässer kommt der Land Rover Defender zurecht, der Vorgänger schafft 50 Zentimeter.
On-Road: spurtreu statt spurrillen-gierig
Offroad fährt der neue Defender mindestens so ernsthaft wie sein Vorgänger, nur weniger rustikal. Elektronische Assistenten und aufwendige Technik erleichtern viele Situationen. Doch bei Problemen könnte der Dorfschmied am Rande der Binnenwüste überfragt sein, jedenfalls eher als beim Vorgänger.
Gegenargument: Bei aller Gelände-Folklore spielt die deutsche Realität weniger auf Wüstensand denn auf geteerten Haupt-, Bundes- und Schnellstraßen. Und auf festem Untergrund fährt die Neuauflage dem Klassiker klar davon. Bei moderater Fahrweise bleiben Rollen und Nicken des Aufbaus im vertretbaren Bereich. Die Lenkung ist introvertiert, aber hinreichend präzise. Außerdem folgt sie Spurrillen weniger gierig als in jedem Defender zuvor. Ein Argument, das im Duell mit dem logischen Konkurrenten Jeep Wrangler zählen kann. Generation vier des Ami-Offroaders (ab 47.000 Euro als Basis-Dreitürer, 51.000 Euro als Fünftürer) ist ähnlich traditionsreich wie der Landi, doch dem eigenen Ursprung technisch näher: mit Leiterrahmen, zweiter Quersperre für die Vorderachse und weniger Elektronik.
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Preise: 49.700 Euro für den Defender II
Welches Konzept weiter klettert, wird sich zeigen. Und zählt mehr als der letzte Cent beim Basispreis. Auf den Mindestpreis einer Mercedes G-Klasse (ab 97.200 Euro) ist es vom neuen Defender dann doch ein signifikanter Sprung: Ab 49.700 Euro startet der Defender 90, ab 55.600 Euro der getestete Defender 110 (jeweils mit 200-PS-Diesel).
Wobei: Im Konfigurator kann man versinken wie in Treibsand. Neben den klassischen Ausstattungslinien gibt es unzählige Gimmicks vom Dachzelt mit Leiter (statische Dachlast 300 Kilogramm) bis zur Seilwinde. Die echte Freiheit beginnt eben erst, wenn die zivilisierte Welt aus dem Rückspiegel verschwunden ist. Dass sie aus dem Windschutzscheibenrahmen verschwinden kann, ist eine Grundlage, um so weit draußen überhaupt anzukommen. Und sei es nur hypothetisch.
Land Rover Defender II (2020): Technische Daten zum Defender 110
Modell | Land Rover Defender II 110 (Fünftürer) D240 AWD |
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Motor | 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbodiesel |
Getriebe | Achtgang-Automatik mit kurzer Gelände-Untersetzung, sperrbarem Mittel-Diff (Serie) und sperrbarem Hinterachs-Diff (optional) |
Leistung | 240 PS (177 kW) bei 4.000 U/min |
Drehmoment | 430 Nm bei 1.400 U/min |
Geschwindigkeit | 188 km/h |
Beschleunigung | 9,1 s |
Verbrauch laut Hersteller | 7,6 bis 7,7 l/100 km |
CO2-Ausstoß | 199 bis 204 g/km |
Länge | 5.022 mm |
Höhe | 1.967 mm |
Breite | 2.105 mm (inkl. Außenspiegel) |
Radstand | 3.022 mm |
Kofferraumvolumen | bis zu 1.946 Liter |
Gewicht | 2.323 kg |
Anhängelast | bis zu 3.500 kg |
Basispreis Defender 110 | ab 55.600 Euro |
Basispreis Testmodell Defender 110 D240 AWD | ab 59.800 Euro |
Marktstart | Mitte 2020 |