"Wenn wir uns nicht ändern, werden wir überholt"
"Menschsein" ist für Bajram Bekirovski der Schlüssel zum Erfolg. Privat und geschäftlich. Der Autohändler über die Zukunft seiner Branche.
Eine große Marke und jahrelange Erfahrung sind Voraussetzung für große Erfolge? Von wegen. Bajram Bekirovski gründet sein erstes eigenes Autohaus 2013. Schon drei Jahre später schafft er es unter die Top Ten beim Internet Sales Award. Und das mit einer Marke, die längst nicht etabliert ist: Modelle von SsangYong stehen neben Kia auf seinem Firmengelände in Dormagen. Im harten Wettbewerb mit den großen Herstellern besteht der 43-Jährige mit wachsendem Erfolg. Dabei sieht er eine große Veränderung in der Branche aufziehen und hat auch schon Ideen, mitzuwirken.
Herr Bekirovski, wird es künftig noch analoge Autohäuser geben?
Wir sind nicht nur Autoverkäufer, sondern Mobilitätsdienstleister. Ob wir verkaufen, vermieten oder Fahrzeuge zum Teilen anbieten, ist nebensächlich. Auch wenn in ferner Zukunft alles online geschieht, benötigen wir Stellen, bei denen der Kunde sein Fahrzeug abholt. Das wird meiner Meinung nach immer bleiben.
Dazu kann ich einen breiten Service anbieten und mich um alles kümmern, was online bestellt wird: Probefahrt, Hol- und Bring-Service, Reifenwechsel, Finanzierung, Waschen, Inspektionen oder Fahrzeugtausch. Autos müssen noch lange verwaltet werden und benötigen deshalb Dienstleister, die sich um alles kümmern. Und der bin ich. Aus Leidenschaft.
Was bieten Sie offline, was es digital nie geben wird?
Alles was wir hier machen, gibt es nur einmal. In der Realität. Wir sind einmalig, weil wir Menschen sind. Wir sind ein kleines Team von 20 Mitarbeitern und jeder muss hier mitdenken, sich mit den anderen nicht nur vertragen, sondern sie übergreifend bei ihren Aufgaben unterstützen. Nur so können wir gemeinsam Kunden dienen. Es geht nicht um mich als Chef, sondern nur um den Kunden. Das muss jeder Mitarbeiter, egal ob Verkäufer, Mechaniker oder Aufbereiter, verinnerlichen. Wir sind ein Team, das gut funktioniert, flexibel ist und auf Trends schnell reagieren kann. Wir müssen uns ständig verändern, damit wir nicht überholt werden. Und wir müssen es online übertragen, damit es möglichst viele Kunden mitbekommen. Dann wird das wieder offline in die Realität über Bande zurückgespielt.
Welche Trends, Chancen und Herausforderungen sehen Sie in der Branche?
Wir müssen schneller werden, zu digitalen Unternehmen wie Amazon oder ebay aufschließen. Nicht bald, sondern sofort. Allein wie wir heute Autos kaufen, dauert noch zu lange. Ich kann mir Infos über ein Auto besorgen, kann es aber nicht online kaufen. Bei Tesla geht das, da gibt es einen Kaufen-Button. Bei uns bietet das keine Plattform an. Warum kann ich kein Auto wie einen Flug buchen? Auswählen, konfigurieren, anklicken, kaufen und bezahlen? Fertig.
Warum ist das so wichtig?
Weil ich dann weiß, dass ein realer Kunde eine tatsächliche Kaufabsicht hat. Ich kann ihm direkt ohne Umschweife ein genaues Paket anbieten, alles, was er benötigt: Winterreifen, Probefahrt, Finanzierungsangebot, Anmeldung. Mit dem direkten Kontakt kann ich den Kunden direkt pflegen und ihn so versuchen zu überzeugen, das Auto bei mir zu kaufen. Es geht ja nicht immer um den Preis, sondern um das Produkt. Besonders bei Gebrauchtwagen gibt es nur diesen einen Wagen, für den sich der Kunden interessiert.
Der Kia Sportage zählt zu Kias wichtigsten Modellen auf dem deutschen Markt.
Was zeichnet einen guten Autoverkäufer aus?
Er muss vor allem Mensch sein. Seine Kunden so behandeln, wie er gerne behandelt wird: Höflich, zuvorkommend und bescheiden. Dazu muss er leidenschaftlicher Verkäufer sein, für den Job brennen. Gerne mit Menschen in Kontakt treten, freundlich und ein guter Team-Player sein. Disziplin gehört dazu, ebenso wie die Gabe, gut zuhören zu können. Wenn er das alles hat, ist er automatisch erfolgreich.
Und was treibt Sie an?
Ich brenne für Autos, und schon lange für die beiden koreanischen Marken. Aber ich arbeite auch sehr gerne mit Menschen zusammen, muss mit ihnen immer im Kontakt stehen. Dabei ist es egal, ob es Kunden sind, Mitarbeiter oder Familienmitglieder. Ein Grund, warum ich nicht weiter wachsen will. Mach eins, aber mache es richtig. Ich kann ja nur ein Auto fahren und nicht zwei gleichzeitig.
Warum verkaufen Sie gerade die Marken SsangYong und Kia?
Aus Überzeugung. Ich finde die Autos der beiden Marken wirklich gut. Design, Technik und Qualität stimmen, dazu kommt noch eine lange Gewährleistung, eine große Vielfalt der Modelle und ein fairer Preis. SsangYong ist eine außergewöhnliche Marke, stellt vornehmlich SUV mit Diesel her. Damit sind die robusten Autos eher etwas für Pferdesportler, Jäger und Landwirte.
Mit SsangYong haben Sie eine ungewöhnliche Marke zum Start in die Selbstständigkeit genutzt. Warum?
Naja, um nicht der x-beliebige freie Händler einer x-beliebigen Marke zu sein, die es mehrfach in der Stadt gibt. SsangYong war 2011 frisch auf dem deutschen Markt, das hatte was von Start-up-Atmosphäre. Ich konnte offizieller Fachhändler werden und bei der Markenentwicklung mitwirken. Das war eine tolle Zeit. Und ist es immer noch. 2017 kam dann Kia hinzu und jetzt bin ich quasi ein koreanisches Autohaus.
Die Pkw von SsangYong sind robust und günstig und vor allem: selten.
Wie unterscheiden sich die Kunden beider Marken?
Unsere Kunden kommen aus einem Umkreis von 100 Kilometern. SsangYong-Kunden suchen bewusst das Besondere: ein großes, günstiges und robustes Auto mit einem unschlagbaren Preis-Leistungs-Verhältnis. Kia-Kunden fühlen sich in diesem Umfeld auch wohl, legen mehr Wert auf Design, Qualität und ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Das bekommen Sie bei anderen Händlern vielleicht auch.
Nicht in dieser Kombination und nicht mit einem so tollen Team. Wir leben und lieben den Autoverkauf, empfangen Gäste, wie wir es auch privat tun würden. Wir sind höflich, fröhlich, hilfsbereit, zugänglich, ohne aufdringlich zu sein. Dazu arbeiten wir absolut transparent. Unsere Preiskalkulation ist ebenso transparent wie unser Service. Das honorieren die Kunden.
Ist das so wichtig?
Und ob. Die meisten Kunden kommen topinformiert ins Autohaus. Die wissen genau, wie viel was kostet und wo sie es günstiger bekommen. Zu uns kommen Kunden, um letzte Fragen beantwortet zu bekommen und einen Kontakt zum Auto herzustellen. Autokaufen ist emotional, das sind am Ende meist Bauchentscheidungen. Mein Team und ich, wir wollen nicht nur beraten, sondern auch, dass der Kunde am Ende bei uns kauft. Es geht natürlich ums Geschäft, aber es soll für beide Seiten passen. Jeder muss mit einem guten Gefühl aus den Verhandlungen kommen.
Wie viele Autos haben Sie 2019 verkauft?
Insgesamt waren es 650 Fahrzeuge, davon rund die Hälfte Neufahrzeuge. Die andere Hälfte verteilt sich auf junge Gebrauchte und Gebrauchtwagen, neben Fahrzeugen von SsangYong und Kia auch andere Marken.
Benziner, Diesel oder Elektro? Welchen Antrieb bevorzugen Sie?
Ganz klar Elektro. Wer ein Elektroauto einmal gefahren ist, der will nichts anderes mehr. Der Antrieb ist mit Verbrennungsmotoren nicht zu vergleichen. Seit der ersten E-Auto-Fahrt bin ich intravenös elektrifiziert.
Welche Pläne haben Sie für ihr Unternehmen?
Wir werden weiter an uns arbeiten, die Prozesse für den Kunden optimieren, damit er möglichst bequem Leistungen buchen kann. Online und offline, dazu suchen wir noch ein paar interessante Zusatzangebote. Dazu werden wir die Service-Werkstatt ausbauen, um einen schnelleren und besseren Service bieten zu können. Beim Autohandel ist ein gutes Produkt wichtig. Doch ebenso wichtig ist ein guter Service und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kunden. Denn der letzte Führerscheinneuling ist noch lange nicht geboren.
Wie kamen Sie eigentlich nach Dormagen?
Wir hatten vorher ein Autohaus in Köln Worringen, zur Pacht. Als absehbar war, dass ich das Grundstück nicht kaufen konnte, habe ich mich nach Alternativen umgesehen. Die Stadt Dormagen, nur wenige Kilometer vom Kölner Norden entfernt, hatte zu dem Zeitpunkt ein attraktives Wirtschaftsförderungsprogramm mit guten Ideen und ich konnte ein Grundstück kaufen. 2017 kamen die Bagger, im Januar 2018 sind wir hier eingezogen. Bis jetzt fühlen wir uns hier sehr wohl. Und ich gehe davon aus, dass dieses Gefühl noch lange anhält.
Herr Bekirovski, wir bedanken uns für dieses Interview.