Kia E-Niro (2019): Erster Test mit dem elektrischen Kompakt-SUV
Kia bietet den E-Niro in zwei Varianten an. Mit dem größeren Akku soll die Reichweite bis zu 455 Kilometer betragen. Erste Fahrt im elektrischen Kompakt-SUV.
Zugegeben, andere Elektrische sind der breiten Masse geläufiger als der 2018 vorgestellte Kia E-Niro. Dabei ist das 4,375 Meter lange Kompakt-SUV im wachsenden Feld der Stromer eine solide Option, bietet veritablen Alltagsnutzen und hohe Reichweite.
Wie weit der Koreaner mit einer Batterieladung kommt? Hängt von der Wahl des Modells ab. Kia bietet eine Version mit kleinem Akku und weniger Leistung sowie ein Modell mit größerem Stromspeicher und höherer Leistung an. Der E-Niro mit 100 KW-Elektromotor (136 PS) bezieht seine Energie aus einem 39,2 KWh großen Akku, schafft laut Hersteller 289 Kilometer. Beim Modell mit 150 KW (204 PS) steckt eine 64 kWh große Batterie zwischen den Achsen – Kia stellt hier eine Reichweite von bis zu 455 Kilometern in Aussicht.
Der Einstiegspreis für den schwächeren E-Niro liegt bei 35.290 Euro. Wir rollen mit der 39.090 Euro erhältlichen stärkeren Version vom Parkplatz. Blick aufs Instrumenten-Display: Der Speicher ist zu 97 Prozent gefüllt, der Kia verspricht 430 Kilometer Reichweite. Und liefert uns einen Vorschlag zu deren Steigerung: Würden wir die Klimaanlage deaktivieren, wären es 441 Kilometer.
Kia E-Niro: Ein Sparer, kein Sportler
Bis zur Marke von 25 km/h summt der E-Niro vor sich hin. Klingt bemüht futuristisch, erfüllt aber einen Zweck: So sollen unaufmerksame Fußgänger das herannahende E-Auto bemerken. Vom Motor selbst hört man kaum etwas, generell wirkt der Niro gut gedämmt.
Man schwimmt problemlos im Verkehr mit – in jedem der vier Fahrprogramme. Neben dem kreuzbraven Eco-Modus und dem Reichweiten-Fördernden Eco-Plus-Programm kann der Fahrer zwischen Normal und Sport wählen. In letzterem wird die Gaspedal-Kennlinie signifikant zugespitzt. Dann sind die Vorderreifen recht schnell überfordert und die Antriebs-Schlupfregelung greift ein. Generell lässt der Fronttriebler den Fahrer deutliche Antriebseinflüsse in der Lenkung spüren. Allrad ist beim Niro übrigens keine Option.
Nein, sportlich ist der E-Niro wirklich nicht. Doch er fühlt sich agiler an, als die Gewichtsangabe vermuten ließe. Je nach Größe des Batterie-Pakets liegt das Gewicht zwischen 1.667 und 1.866 Kilogramm. Doch die gewichtigen Akkus sind im Unterboden untergebracht, womit der Schwerpunkt relativ niedrig liegt.
Kia E-Niro: Bremsen per Paddel
Wobei, meistens will man mit diesem Kompakt-SUV sparen, nicht glühen. Effizientes Energie-Haushalten ist im Kia kein Selbstläufer, eher ein Auftrag an den Piloten. Am besten klappt die Energie-Rückgewinnung, wenn der Fahrer das Tempo nicht nur über Gas- und Bremspedal reguliert, sondern vornehmlich die Paddels hinter dem Volant nutzt. Wo in der Verbrenner-Welt Wandler- oder Doppelkupplungsgetriebe in einen anderen Gang geschickt werden, beeinflusst man im E-Niro die Rekuperations-Stufe. Derer vier gibt es: In Stufe 0 rollt der Kia bei Gas-Wegnahme relativ frei, in Stufe drei bremst er beim Lupfen schon merkbar ab. Allerdings nicht – wie etwa der BMW i3 und einige andere Stromer – bis zum Stillstand. Dafür muss man beim E-Niro die linke Wippe gezogen halten – die Verzögerung gibt Kia mit 0,23 g an. Wer doch instinktiv die Fußbremse nutzt, muss nicht gleich die Route umplanen – die Auswirkung auf die Reichweiten-Unterschiede liegt im niedrigen Prozentbereich.
Es braucht Gewöhnung, ehe die Bedienung sitzt. Doch bis man virtuos auf dem Rekuperations-Paddel-Klavier aufspielt, hilft ein einziger langer Zug an der rechten Wippe. Dann wählt man mit dem Fahrmodus gleich die Stufe vor. Der Niro kalkuliert das Verkehrsaufkommen in seine Rekuperations-Strategie mit ein. Allerhand sonst wofür es sich zu bremsen lohnt, jedoch nicht. Also etwa Kreuzungen, Kreisverkehre oder Geschwindigkeits-Limits.
Im Laufe seines Produkt-Lebenszyklus wird der E-Niro cleverer. Die neue Infotainment-Hardware soll bei der Routenplanung Ladestopps und -Orte einplanen. Für Ende 2019 kündigte Kia außerdem eine App an, mit der sich grundlegende Vitaldaten und Ladestand des Autos über das Smartphone überprüfen lassen.
Kia E-Niro: Reichweite in der Praxis
Die angegebenen 455 Kilometer Reichweite (laut WLTP-Zyklus) scheinen einigermaßen Realitätsnahe. Nach der ersten Fahrt über 45 Kilometer erreichten wir mit einer Restreichweite von 402 Kilometern das Ziel – zur Erinnerung: 430 waren bei Fahrtantritt angegeben. Bei vielen E-Autos öffnet sich die Schere zwischen Prognose und tatsächlicher Reichweite in die entgegengesetzte Richtung.
Nächster Versuch, diesmal mit 85 Prozent Akkuladung und 354 Kilometern angezeigter Reichweite. Nach 47,2 Kilometern über Landstraßen und ein kurzes Stück französischen Autobahn (maximal 110 km/h) standen 309 Kilometer Reichweite im Display. Klar, bei überwiegend ökonomischer Fahrweise, doch zum Verkehrs-Hindernis wurden wir nicht. Den Verbrauch gab der Bordcomputer mit 14,3 kWh pro 100 Kilometern an, der Ladestand fiel auf 75 Prozent.
Bei flotter Fahrweise im Sportmodus zeigte der Bordcomputer mehr als 25 kWh. Die gleiche Strecke legten wir im Eco+-Fahrmodus und gesitteter Herangehensweise mit 12,2 kWh Durchschnittsverbrauch. Hieße in der Praxis: Von Berlin nach Hamburg (rund 290 Kilometer) sollte man mit diesem Auto problemlos kommen, selbst wenn der Gasfuß zwischendurch juckt.
Kia E-Niro: Die Konkurrenz aus dem eigenen Konzern
Es gibt auch Kritikpunkte. Beim Laden hinkt der E-Niro weiten Teilen der elektronischen Konkurrenz hinterher. Ist die Schnell-Ladesäule noch so potent: Mehr als 100 KW fließen nie in den Akku. Damit vergehen rund 40 Minuten, während der Akku von 20 auf 80 Prozent aufgefüllt wird. Der kleinere erhältliche Akku lädt noch einmal langsamer, da hier andere Zellen eingesetzt werden. Außerdem stört das weiche Bremsgefühl. Denn, mal ehrlich, gelegentlich nutzt man die Fußbremse natürlich doch noch. Aus haptischer Sicht ist der Innenraum des E-Niro kein Highlight, doch in Ordnung gehen Materialauswahl und Verarbeitung allemal.
Die Konkurrenz kommt aus dem eigenen Konzern. Der Hyundai Kona Elektro nutzt praktisch die identische technische Basis wie der Kia, wird in denselben Leistungs-Varianten gefertigt. Doch das Mini-SUV ist mit 4,18 Metern kleiner als der E-Niro aus der hochbeinigen Kompaktklasse. Außerdem fasst dessen Kofferraum mit 451 bis 1.405 Litern (im Vergleich zu 322 bis 1.114 Liter beim Hyundai) wesentlich mehr. Daneben ist ein weiterer Kia mit diesen Antrieben erhältlich: Der kleinere Soul kostet ab 33.900 Euro mit dem schwächeren Motor, ab 37.900 Euro stecken stärkerer Motor und größerer Akku im Chassis.
Soul, Kona, E-Niro – aktuell gibt es kaum mehr Reichweite fürs Geld. Wer viel Platz im Innenraum braucht ist mit dem getesteten E-Niro am besten beraten. Das Kompakt-SUV ist darüber hinaus auch als Hybrid ( ab 26.990 Euro) und Plug-In-Hybrid (ab 33.990 Euro) erhältlich – dann freilich ohne das vorangestellte E als Namenszusatz.
Kia E-Niro 2019: Technische Daten
- Modell: Kia E-Niro 100-kW-Version
- Motor: Permanentmagnet-Synchronmotor
- Leistung: 100 kW (136 PS)
- Drehmoment: 395 Nm
- Antrieb: Frontantrieb, einstufiges Reduktionsgetriebe
- 0-100 km/h: 9,8 s
- Geschwindigkeit: 155 km/h
- Akkukapazität: 39,2 kWh
- Verbrauch (WLTP): 15,3 kWh
- Reichweite: 289 km (WLTP)
- Ladedauer 20-80 %, 7,2 kW: 3:45 h
- Ladedauer 20-80 % Hashaltssteckdose: ca. 11:15 h
- Gewicht (EG): 1.667 kg
- Akkugewicht: 315 kg
- Länge: 4.375 mm
- Breite: 1.805 mm
- Höhe: 1.560 mm
- Radstand: 2.700 mm
- Kofferraumvolumen: 451-1.405 l
- Marktstart: 6. April 2019
- Preis: ab 35.290 Euro
Modell: Kia E-Niro 150-kW-Version
- Motor: Permanentmagnet-Synchronmotor
- Leistung: 150 kW (204 PS)
- Drehmoment: 395 Nm
- Antrieb: Frontantrieb, Reduktionsgetriebe
- 0-100 km/h: 7,8 s
- Geschwindigkeit: 167 km/h
- Akkukapazität: 64 kWh
- Verbrauch (WLTP): 15,9 kWh
- Reichweite: 455 km (WLTP)
- Ladeleistung: max. 100 kW
- Ladedauer 20-80 %, 7,2 kW: 5:50 h
- Ladedauer 20-80 % Haushaltssteckdose: ca. 17:50 h
- Gewicht (EG): 1.812 kg
- Akkugewicht: 453 kg
- Marktstart: 6. April 2019
- Preis: ab 39.090 Euro