John DeLorean: Die tragische Geschichte eines Genies
Bürgerkrieg, Kokaindeal: John DeLorean war einer der schillerndsten Automanager. Der DMC-12 wurde sein Vermächtnis. Seine Firma zerbrach daran.
Ein Design für die Ewigkeit, eine Technik für den Schrottplatz und ein zweites Leben als Hollywood-Star: Es gibt wohl kaum ein Auto, dessen Geschichte so kurz und vielfältig ist, wie die des DMC-12. Seinen Schöpfer John DeLorean macht das Auto erst weltberühmt und treibt ihn dann in den Ruin.
Die Kinotrilogie “Zurück in die Zukunft” (ab 1985) macht den DeLorean DMC-12 weltberühmt.
DeLoreans Aufstieg
John Zachary DeLorean legt ab Mitte der 1950er Jahre einen kaum vergleichbaren Aufstieg in der US-amerikanischen Automobilindustrie hin. Er arbeitet als Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei der Packard Motor Company. 1956 wechselt er zu General Motors. Dort wird er innerhalb weniger Jahre mehrmals befördert. 1961 ist er Chefingenieur bei Pontiac, vier Jahre später leitet er bereits die gesamte Pontiac-Abteilung. Weitere vier Jahre vergehen, bis er zum Chef von Chevrolet aufsteigt. Ende der 1960er Jahre wird er zum Vorstandsmitglied und Vizepräsidenten der gesamten Pkw- und Lkw-Produktion von General Motors. So schnell er die Karriereleiter hinaufprescht, so rasant wächst auch sein Ego.
Das „ethische Auto“: Ein vielversprechender Anfang
Doch John DeLorean will mehr: ein Auto, das seinen Namen trägt. Es soll ein besonderer, konkurrenzloser Sportwagen werden – anders als alles, was es am Markt gibt. DeLorean will ein, wie er es nennt, „ethisches Auto“ bauen. Nach seinem Verständnis muss sein Auto nachhaltig sein und ein hohes Maß an Sicherheit bieten.
Der Sportwagen muss besonders leicht sein, um mit einem kleinen Motor bei guten Fahrleistungen möglichst wenig Kraftstoff zu verbrauchen. Eine Edelstahl-Haut schützt das Auto vor Rost und macht es langlebiger als Konkurrenzprodukte. Für die Sicherheit der Insassen plant DeLorean den Einbau eines Airbags und die Verwendung einer GFK-Karosserie.
DeLoreans Konzept passt in den Zeitgeist der amerikanischen Gesellschaft. Der Ölboykott der arabischen Staaten zwei Jahre zuvor hat den Amerikanern ihre Abhängigkeit vom stetigen Fluss an den Zapfsäulen vor Augen geführt. Zudem verzeichnen die USA zu Beginn der 1970er Jahre horrende Unfallzahlen mit rund 45.000 Verkehrstoten pro Jahr. Die Gesellschaft sehnt sich nach mehr Verkehrssicherheit.
1975 gründet er die DeLorean Motor DeLorean Motor Company (DMC). Noch im Jahr der Firmengründung entwirft niemand geringeres als Design-Ikone Giorgio Giugiaro DMCs erstes Serienfahrzeug – den DMC-12. Die Reaktionen auf die ersten Studien des Autos sind überwältigend. Journalisten und potenzielle Kunden sind begeistert vom futuristischen Design mit den extravaganten Flügeltüren und dem zeitgemäßen Konzept. Noch bevor das erste Fahrzeug vom Band läuft, liegen bereits 20.000 Kundenbestellungen vor.
Unter den rennstreckentauglichen Mittelmotor-Sportlern ist diese 3,82 Meter lange Lotus Elise das leichteste Auto.
John DeLorean und der Nordirland-Deal
DMC ist Ende der 1970er Jahre kein etablierter Autohersteller. Um loslegen zu können, ist das junge Unternehmen auf das Geld von Investoren angewiesen. Das Auto in den USA zu produzieren, ist viel zu teuer. DeLorean sucht deshalb im Ausland nach einem attraktiven Standort für seine Fabrik. Konkret sucht DeLorean nach einer Produktionsstätte mit möglichst hoher Arbeitslosigkeit und einer Regierung, die aus diesem Grund bereit ist, ihn finanziell zu unterstützen.
Seine Wahl fällt auf Nordirland. Protestanten und Katholiken bekriegen sich dort seit Jahren. Hohe Arbeitslosigkeit und wenig Hoffnung auf eine politische Lösung ermöglichen DeLorean einen guten Deal. Er verhandelt mit Nordirland und der britischen Regierung. Den Briten ist alles Recht, was zur Linderung der Situation in Nordirland beiträgt. 2.000 neue Arbeitsplätze sind in ihren Augen ein guter Anfang. Deshalb finanzieren sie die Fabrik im nordirischen Dunmurry nahezu im Alleingang. Miete muss DMC in den ersten drei Jahren nicht zahlen. Außerdem stellt die britische Regierung für einen späteren DMC-Börsengang 94,5 Prozent des Aktienkapitals (54 Millionen Pfund) zur Verfügung, erwirbt aber nur 5,5 Prozent der Stimmen. Im Klartext: Die britische Regierung finanziert die Party, bekommt aber nicht einmal ein „+1“ für die Einladung.
Der ehemalige DMC-Manager William Haddad beschreibt den Vertrag mit den Worten „the deal of DeLoreans dreams.“ (Der Deal, von dem DeLorean geträumt hat). Den „Traumdeal“ unterzeichnen die Briten am 28. Juli 1978. Waghalsig verspricht DeLorean, in nur 18 Monaten produktionsbereit zu sein.
Die Entwicklung des DMC-12
Der DMC-12 ist zu dieser Zeit noch gar nicht fertig entwickelt. Für die Serienreife fehlt dem jungen Unternehmen die Erfahrung. Eine Anfrage bei Porsche wird wegen zu geringer Vorlaufzeit abgelehnt. Mindestens fünf Jahre brauche eine seriöse Entwicklung des Fahrzeugs ihrer Einschätzung nach. So lange will DeLorean nicht warten. Spätestens 1980 soll die Serienfertigung beginnen. Bis dahin sind es nur noch zwei Jahre.
Letztlich erklärt sich Lotus bereit und kooperiert mit DeLorean. Wegen des hohen Zeitdrucks orientiert sich Lotus eng an seinem Modell Esprit. DeLoreans strenger Zeitplan ringt dem britischen Sportwagenbauer einen Kompromiss nach dem anderen ab. Das Fahrzeug wird schwerer als erhofft. Aus dem zuvor versprochenem Verbrauch von 8 Litern auf 100 Kilometer werden 15 Liter. GM kann den für das Konzept wichtigen Airbag nicht liefern. Viele Teile, darunter die Türen, die Edelstahl-Haut und die GfK-Karosserie, sind für die Massenproduktion ungeeignet. Der angepeilte Verkaufspreis von 12.000 Dollar erweist sich ebenfalls als unrealistisch. Bis zum Ende der Frist 1980 gelingt es nicht, dem DMC-12 unzählige Kinderkrankheiten auszutreiben. DeLoreans Absprachen mit der britischen Regierung und anderen Investoren lassen jedoch keine weitere Entwicklungszeit zu. Der DMC-12 muss jetzt gebaut werden.
Der Lamborghini Countach ist ein zweitüriger Mittelmotor-Sportwagen. Er wurde in verschiedenen Versionen von 1974 bis 1990 produziert.
Der DMC-12: Ein qualitatives Desaster
Die Produktion in Nordirland läuft an. Doch kaum haben die ersten DMC-12 die Fertigungshallen verlassen, stehen sie wieder vor der Tür. Die Qualität der ersten 400 Exemplare ist so miserabel, dass eine Reparatur gar nicht lohnt. Die Modelle werden einfach komplett neu aufgebaut.
Die Spaltmaße sind katastrophal. Wenn Wasser in die Türschwellen gelangt, frieren sie im Winter zu. Überschlägt sich das Fahrzeug, sind die Insassen wegen der Flügeltüren im Wagen gefangen. Dach und Fenster sind oft undicht. Letztere lassen sich wegen der leicht rundlichen Form der Türen nicht richtig versenken. Schwache Kontakte am Sicherungskasten und ausfallende Benzinpumpen lassen den DMC-12 häufig gar nicht erst anspringen. Automagazine berichten über Instabilität bei hohen Geschwindigkeiten, monieren die schlechte Sicht und die schwache Leistung des 132-PS-V6-Motors. Die Vorderradaufhängung führt zu gleich zwei Rückrufen direkt hintereinander. Um die Fahrzeuge wenigstens in einen einigermaßen verkaufsfähigen Zustand zu bekommen, gibt DMCs Qualitätskontrolle pro Fahrzeug zusätzlich 3.000 Dollar aus.
Das Projekt gerät außer Kontrolle
Im Jahreswechsel 1981/1982 sind die USA von heftigen Schneestürmen betroffen. In mehreren Staaten wird der Ausnahmezustand ausgerufen. Die Witterungsverhältnisse und die gleichzeitig voranschreitende Rezession bringen den US-Autohandel zum Erliegen. Doch nicht nur das belastet DeLoreans Firmenkasse. Trotz der heiklen Situation spart der Gründer an nichts. An gar nichts. Hunderttausende Dollar fließen in Kunstgegenstände für die teuren New Yorker Büroräume. Einige ihm direkt unterstellte Mitarbeiter sollen bis zu 75.000 Dollar im Monat verdient haben. DeLorean rechnet über die Firma eine Marketingagentur ab, die einzig und allein dazu dient, ihn als Person in der Öffentlichkeit zu promoten. In internen Memos ist die Rede von goldenen Wasserhähnen für das Gästehaus der nordirischen Fabrik und von Unternehmenschecks für persönliche Ausgaben und verschwenderischen Restaurant- und Hotelrechnungen. Dem einstigen Wunderkind der Branche entgleitet die Kontrolle über sein Projekt.
Um das Vertrauen seines Hauptinvestors, der britischen Regierung, nicht zu verlieren, beginnt DeLorean das Projekt aufzublasen. Er stellt mehr Mitarbeiter ein und steigert die Produktionszahlen von 50 auf 80 Fahrzeuge pro Woche. Doch zu diesem Zeitpunkt wird er den DMC-12 schon kaum mehr los. Hunderte Exemplare stehen auf dem Fabrikgelände auf Halde.
Anfang 1982 geht dem Unternehmen endgültig das Geld aus. Ein weiteres Finanzierungsgesuch seitens DeLorean lehnt die britische Regierung ab. Für sie hat die Aufrechterhaltung der Fabrik in Dunmurry zwar hohen politischen Wert, aber nicht um jeden Preis. Daraufhin kann DeLorean die Fabrikarbeiter nicht mehr bezahlen. Noch im Januar 1982 werden 1.100 der 2.4000 Arbeiter entlassen. Drei Monate später verlässt auch der Rest die Fabrik.
In einem letzten Aufbäumen lässt sich John DeLorean im Herbst desselben Jahres auf einen Kokain-Deal ein, um neues Kapital heranzuschaffen. In die Wege geleitet wird das Geschäft allerdings von einem Informanten des FBI zusammen mit der amerikanischen Drogenvollzugsbehörde “DEA”. Die Übergabe des Kokains findet in einem Hotel in Los Angeles statt, welches die Drogenfahnder mit versteckten Kamers ausgestattet haben. Als klar wird, dass DeLorean den Deal durchziehen würde, betreten weitere Beamte das Hotelzimmer und nehmen den Manager fest. Mit dem Kokain in den Händen sagt John DeLorean: “Das ist besser als Gold!” Ein Video dieser Szene wird später der Presse zugespielt. Kurios ist, dass zu dieser Zeit bereits neue Investoren gefunden waren und DMC auf den Kokain-Deal finanziell nicht angewiesen war.
Das Ende
Während der Manager vor Gericht um seine Freiheit kämpft, tritt das Unvermeidliche ein: DMC meldet Konkurs an. Die Fabrik in Nordirland wird aufgelöst und die Produktionsmittel weitgehend verkauft. DeLorean wird zwar von allen Anklagepunkten freigesprochen, fasst in der Automobilbranche jedoch nie wieder Fuß. Eines seiner Ziele erreicht John Zachary DeLorean sogar ohne sein Zutun. Die Film-Trilogie „Zurück in die Zukunft“ macht den DMC-12 weltberühmt – das Auto, das seinen Namen trägt. Die erfolgreichen Filme konservieren das bis heute futuristisch anmutende Design des Fahrzeugs für die Ewigkeit. 2005 verstirbt John DeLorean im Alter von 80 Jahren in Summit, New Jersey.
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