Jaguar XE (2019) Alltagstest: Britische Mittelklasse
Mit dem XE zielt Jaguar auf die deutsche Mittelklasse. Wie sich die britische Limousine nach dem Facelift mit Diesel im Alltag schlägt, liest Du im Test.
- Abmessungen, Kofferraumvolumen, Platzangebot, Karosserie
- Innenraum, Verarbeitung, Materialien
- Jaguar XE Facelift Diesel: Antrieb, Motor, Getriebe
- Fahrwerk, Lenkung, Fahrverhalten
- Infotainment, Radio, Bedienung
- Assistenzsysteme und Sicherheit
- Preis, Ausstattung, Fazit: Jaguar XE als Alternative
- Jaguar XE D180 S R-Dynamic (2019): Technische Daten
Jaguar fährt in der Mittelklasse auf verlorenem Posten. Jedenfalls hierzulande. Im Jahr 2018 verkauften die Briten gut 1.100 Exemplare des Jaguar XE, bis Oktober 2019 waren es 575. Selbst Exoten wie Alfa Romeo Giulia oder der Kia Stinger sind erfolgreicher. In der Mittelklasse dominiert der Flottenmarkt – und den dominieren in Deutschland deutsche Hersteller.
Im Sommer 2019 erhielt der Jaguar XE ein Facelift. Äußerlich ändert sich wenig, beim Infotainment etwas mehr. Das Motorenangebot verkleinern die Briten. So bietet Jaguar im XE nur noch einen Diesel an, der nun D180 heißt und stets mit Achtgang-Automatik fährt. Wahlweise gibt es Allradantrieb. In unserem Alltagstest muss der XE mit Hinterradantrieb zeigen, was er kann – als R-Dynamic mit sportlicher Optik.
Abmessungen, Kofferraumvolumen, Platzangebot, Karosserie
Schnittig sieht er aus, der Jaguar XE. Die Proportionen mit dem kurzen Kofferraum und der langen Motorhaube schreien: Fahrerauto. Mehr noch als beim BMW 3er, einem natürlichen Konkurrenten. In der Ausstattung R-Dynamic sorgt die Frontschürze für einen ziemlich großen Auftritt. Das Fahrdynamik-Paket bringt einen kleinen Heckspoiler auf die Kofferraumklappe. Die roten Bremssättel wirken ebenfalls schick. Dass die Motorisierung das sportliche Versprechen nicht hält, ist eine andere Geschichte.
Fahrer und Beifahrer sitzen auf ausgezeichneten Sitzen mit vielen Verstellmöglichkeiten. Auf langen Strecken schmerzt nie der Hintern, der Seitenhalt geht in Ordnung. Die Beinfreiheit hinten fällt unterdurchschnittlich aus, am Kopf wird es für längere Passagiere eng. Das gilt auch beim Einsteigen – sogar vorne. Der Kofferraum fasst offiziell 439 Liter, eine metallene Konsole unter der Hutablage schränkt jedoch den Platz für größere Gegenstände ein.
Innenraum, Verarbeitung, Materialien
Das Design im Innenraum überzeugt: klassisch, aber nicht langweilig. Der große Bildschirm fürs Infotainment und der darunter liegende Touchscreen geben dem Ambiente einen modernen Touch. Das Carbon-Dekor sieht sportlich aus. Knarzen und Knacken kennt das Interieur nicht.
Leichte Verarbeitungsschwächen entdecken wir beim Bezug des Armaturenbretts. Das Material besteht aus Kunstfaser. Die weißen Nähte an den Kanten sind unregelmäßig gesetzt, die Unterteilungen zu sehr auf Spannung genäht. Das helle Leder auf den Sitzen und in Teilen der Türen sieht gut aus und fühlt sich angenehm an, verschmutzt aber schnell.
Jaguar XE Facelift Diesel: Antrieb, Motor, Getriebe
Der 2,0-Liter-Diesel im D180 leistet 180 PS (132 kW) bei 4.000 Umdrehungen und mobilisiert ab 1.750 Umdrehungen 430 Newtonmeter Drehmoment. Bei 2.500 U/min fällt die Kraft wieder ab. Die Leistungsklasse passt zu Mittelklasse-Limousinen und reicht in fast allen Lebenslagen. Der Jaguar XE geht flott vorwärts (0-100 km/h in 8,1 Sekunden) und zieht gut durch. Wirklich temperamentvoll fühlt er sich jedoch nicht an. Und er klingt immer eine Spur zu präsent. Wird er gefordert, auch rau und angestrengt.
Wirklich souverän wirkt der Motor leider nie, dafür schaltet die Achtgang-Automatik zu oft. Sogar, wenn man es ruhig angehen lässt, wählt der Wandler etwas zu oft einen zu niedrigen Gang. Oder schaltet subjektiv zu früh, etwa beim Bremsen. Dann überlagert die Motor-Bremse zuweilen die Fußbremse.
Zum Ausgleich fährt der Vierzylinder sparsam. Über viele Hundert Kilometer Autobahn, reichlich Stadtverkehr und etwas Landstraße landen wir bei 6,5 Litern im Schnitt. In der Stadt fährt man bequem mit weniger als acht Litern, bei Autobahn-Geschwindigkeiten um die 160 km/h stehen um die 7 Liter im Bordcomputer.
Fahrwerk, Lenkung, Fahrverhalten
Jaguar positioniert den XE als Sportlimousine eher gegen BMW als gegen Mercedes. Das spürt man an der niedrigen Sitzposition, vor allem aber am Fahrwerk. Der XE federt straff, keilt aber nicht so sehr aus wie ein 3er mit Sportfahrwerk. Dafür rollt er nicht ganz so kontrolliert über Holperbelag. Bei niedrigen Geschwindigkeiten fängt er kleine Stöße nicht besonders feinfühlig ab. Dann spricht die Federung etwas träge an.
Der Dynamik-Modus strafft das adaptive Fahrwerk (einzeln optional oder als Teil des Fahrdynamik-Pakets) merklich, macht den XE aber nicht bretthart. Die Lenkung ist angenehm gewichtet, liegt gut in der Hand und bringt den Jaguar zielgenau um die Ecken.
Auf kurvigen Landstraßen gefällt die Balance ganz ausgezeichnet. Der Jaguar stützt sich schön auf der Hinterachse ab, die sich ohne viel Mühe zum Mitlenken bewegen lässt. Es braucht nicht viel Provokation, um die Haftung abreißen zu lassen. Der Schleuderschutz fängt das Heck sicher und unaufdringlich ein. Der XE erinnert deutlich mehr an den 3er BMW als an eine Mercedes C-Klasse. Gut so, genau so ist er gedacht.
Infotainment, Radio, Bedienung
Im Testwagen steckt das große Infotainmentsystem „Touch Pro Duo“, das einzeln 400 Euro Aufpreis kostet – oder im Technologie-Paket für 2.258 Euro mehr enthalten ist. Jaguar kombiniert hier das große 10-Zoll-Display mit einem zweiten, 5,5 Zoll messenden Touchscreen weiter unten in der Mittelkonsole. Der übernimmt je nach gewählter Funktion die Steuerung der Musik, des Telefons oder von Klimaanlage und Sitzheizung.
Letzteres lässt sich auch über große Drehräder erledigen, die jedoch nicht unbedingt durchdacht wirken. Um die Sitzheizung zu regulieren, schiebt man den Drehregler nach vorne und dreht dann in drei Stufen. Das funktioniert nicht sonderlich intuitiv. Einfache Knöpfe würden diese Aufgabe besser erfüllen.
Für die Steuerung der Musik vom Smartphone jedoch stimmt die Lösung. Hört man über das per Android Auto oder Apple CarPlay angeschlossene Smartphone Musik, werden die Plattencover eingeblendet. Das Smartphone findet Platz in einem gut gummierten, großen Abteil. Leider versteckt Jaguar die USB-Buchse im Fach unter der Armlehne, sodass man beim Laden Kabel durch den Innenraum verlegt.
Assistenzsysteme und Sicherheit
Serienmäßig kommt die Limousine im Ausstattungsniveau S mit Tempomaten und Rückfahrkamera. Der XE bremst in Notfällen selbstständig und piepst beim Einparken. Die Ausstattungen HSE oder das Fahrassistenzpaket (1.300 Euro) ergänzen weitere Helfer. Zum Beispiel den adaptiven Tempomaten mit Stauassistenten, den Querverkehrswarner fürs rückwärts Ausparken und den Toter-Winkel-Warner. Zusätzlich verfügt der Testwagen über ein Kamerasystem mit 360-Grad-Bild (400 Euro).
Er beherrscht also alles, was man in dieser Klasse als Standard voraussetzt. Und das recht passabel. Lediglich der adaptive Tempomat reagiert nicht immer feinfühlig auf die Verkehrssituation. Bei langsamem Vordermann bremst er manchmal zu plötzlich und beschleunigt zu träge, wenn man zum Überholen ansetzt. Verkehrsschilder werden nicht immer zuverlässig erkannt. Zusatzschilder zu Tempolimits, wie etwa Zeitbegrenzungen, zeigt der Jaguar gar nicht an.
Schön: Serienmäßig leuchtet der Jaguar XE mit Voll-LED-Scheinwerfern. Matrix-LED-Licht kostet moderate 750 Euro Aufpreis und funktioniert tadellos. Es leuchtet Fahrbahn und Umfeld großflächig aus und reagiert angenehm flott. Andere Verkehrsteilnehmer werden nicht geblendet.
Preis, Ausstattung, Fazit: Jaguar XE als Alternative
Schnäppchenpreise gibt es bei Jaguar genauso wenig wie bei anderen sogenannten Premium-Herstellern. Mit 43.690 Euro wirkt der XE auf den ersten Blick sogar deutlich teurer als der Konkurrent BMW 320d, der für 40.450 Euro in der Preisliste steht. Addiert man die Achtgang-Automatik dazu, die im Jaguar serienmäßig ist, rücken die beiden deutlich enger zusammen. Außerdem braucht der BMW die Ausstattung Advantage, um ungefähr mit dem XE S gleichzuziehen. Dann liegen die Kontrahenten preislich gleichauf, bei der Ausstattung fehlt dem Münchner aber noch manches.
Unser Testwagen basiert auf der Serienausstattung S, kommt aber in der R-Dynamic-Variante. Damit kostet er mindestens 46.250 Euro, dazu gibt es das Black-Pack mit schwarzen Design-Elementen (525 Euro), schwarze Felgen (400 Euro). Ledersitze sind zwar grundsätzlich inklusive, im Testwagen sitzt man aber auf Sportsitzen mit Windsor-Leder (1.150 Euro). Fahrdynamik-Paket (1.815 Euro), Fahrassistenz-Paket (1.300 Euro), Komfort-Paket (1.249 Euro), Premium-Interieur-Paket (600 Euro), Technologie-Paket (2.258 Euro) treiben den Preis.
Alles in allem kostet der Testwagen 64.018 Euro. Viel Geld – aber kein unüblicher Preis im Vergleich zu Audi A4, BMW 3er oder Mercedes C-Klasse. Der Gegenwert ist akzeptabel. Die kleinen Schwächen des 2,0-Liter-Diesels fallen im Alltag nicht ins Gewicht. Der BMW 320d oder der Mercedes C 220 d fahren jedoch etwas ruhiger und eine Spur kräftiger. Trotzdem: Insgesamt macht der Jaguar XE wenig falsch. Er hätte also durchaus mehr Käufer verdient, um den Marken-Mix in der Premium-Mittelklasse etwas aufzulockern.
Jaguar XE D180 S R-Dynamic (2019): Technische Daten
Modell | Jaguar XE D180 S R-Dynamic |
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Motor | 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbodiesel |
Leistung | 180 PS (132 kW) b. 4.000 U/min |
Drehmoment | 430 Nm b. 1.750-2.500 U/min |
Antrieb | 8-Gang-Automatik, Hinterräder |
0-100 km/h | 8,1 s |
Geschwindigkeit | 228 km/h |
Verbrauch | 5,0-4,9 l/100 km |
CO2-Ausstoß | 132-130 g/km |
Länge | 4.678 mm |
Breite | 1.967 mm |
Höhe | 1.416 mm |
Radstand | 2.835 mm |
Gewicht | 1.640 kg |
Anhängelast | 1.800 kg |
Kofferraumvolumen | 439 Liter |
Preis Jaguar XE S D180 | ab 43.690 Euro |
Preis Jaguar XE R-Dynamic S D180 | ab 46.250 Euro |
Preis des Testwagens | 64.018 Euro |