Jaguar E-Type Zero Prototype im Test
Der Jaguar E-Type gehört zu den begehrenswertesten Oldtimern. Als E-Type Zero fährt er mit Strom. Und befördert einen eigenwilligen Oldtimer-Trend.
Wenn in der guten, alten Zeit ein paar Dominosteinchen anders gefallen wären, würde sich vielleicht niemand über dieses Auto wundern. Doch in den frühen Tagen des Automobilbaus verdrängten Verbrennungsmotoren die ersten Elektroautos. Eine Geschichte, die sich langsam zu drehen beginnt. Und die ein Auto wie den Jaguar E-Type Zero ermöglicht.
Tim Hannig sitzt am Steuer eines offenen Jaguar E-Type, ist schneller, als die Polizei erlaubt und bekommt trotzdem alles mit, was rings um ihn blubbert und bollert im Verkehr. Denn statt des Röhrens eines alten Reihensechszylinders hört er nur das Summen einer E-Maschine. Schließlich fährt der Chef der Klassik-Sparte von Jaguar Land Rover hier keinen gewöhnlichen E-Type, sondern einen Prototypen des E-Type Zero. Für diese Serie haben die Briten den wuchtigen Sechszylinder aus der endlos langen Front herausoperiert und ihre Sportwagen-Ikone zum Elektroauto umgerüstet.
Doch das Lächeln auf Hannigs Gesicht hält an. Er durfte die Kreation kürzlich potentiellen Kunden vorführen und hat jetzt die ersten Unterschriften in seinen Bestellbüchern. Die Käufer sind allerdings etwas weniger prominent als das Paar, das mit dem ersten Prototypen davongerauscht ist: Der hatte seinen großen Auftritt bei der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle im September 2017. Ab Anfang 2020 wollte Jaguar die Kreuzung aus Oldtimer und Jaguar E-Pace anbieten. Altes Blech, neue Technik und das Siegel des Herstellers – das ist eine Kombination, die es so noch nicht gegeben hat. Und die es vorerst auch nicht geben wird: Ende 2019 verschiebt Jaguar das Projekt auf eine ungewisse Zukunft.
Motorenangebot:
• 2,0-Liter-4-Zylinder-Turbo: 300 PS
• 5,0-Liter-V8: 450 PS / 575 PS
Eine bewährte Idee: Oldtimer mit Strom
So neu, wie sie zuerst scheint, ist die Idee nicht. Überall auf der Welt rüsten Kleinserienhersteller und Hobbyschrauber Oldtimer zu Elektroautos um. Zu ihren Wegbereitern zählt David Benardo. Zusammen mit ein paar Spezialisten pflanzt er vor allem VW Bulli und Käfer aus den Jahren 1958 bis 1966 Elektromotoren ein. Wer ihm ab 49.000 US-Dollar aufwärts überweist, seinen alten Volkswagen auf den Hof stellt und zwei bis vier Wochen Geduld hat, der surrt danach mit einer 65 kW starken E-Maschine vom Hof und hat 37 Lithium-Ionen-Blocks mit zusammen 22 kWh im Auto. Nach zwölf Stunden an der Steckdose genügt das im besten Fall für 100 Meilen Reichweite (161 km).
Dass Benardo sich auf die VW-Oldtimer beschränkt, hat neben seinem persönlichen Faible für alte Volkswagen zwei Gründe: „Zuallererst einmal haben diese Autos gerade hier im Süden Kaliforniens absoluten Kultstatus“, sagt Benardo. Selbst nach dem Diesel-Betrug tragen die Leute in Newport Beach, in La Jolla oder Carlsbad ein Lächeln auf den Lippen, wenn sie einen Käfer oder einen Bus sehen. „Und zum anderen gibt es kaum ein anderes Auto, das man so leicht umrüsten kann“, sagt der Start-Up-Unternehmer in den frühen Fünfzigern.
„Boxer-Motor raus, E-Maschine rein, 12 Akkus vorn unter die Haube und 25 hinter den Rücksitz, das passt perfekt. Selbst das Schaltgetriebe lassen wir drin,“ schwärmt Mr. Zelectric und ist froh, dass er sich nicht mit neumodischen Errungenschaften wie Servolenkung, ABS oder Klimaanlage herumschlagen muss. „Wo es keine andere Elektronik gibt, müssen wir auch keine Rücksicht nehmen und verlieren außerdem keine Reichweite, weil der Strom nur vom Motor verbraucht wird.“ Allzu alt dürfen die Käfer und Bullis allerdings nicht sein, sagt Benardo. Er lässt deshalb von allen Fahrzeugen vor 1958 die Finger: „Dann sind die Autos einfach zu wertvoll, als dass man daran Hand anlegen sollte. Wer so einen Klassiker fährt, der lässt ihn im Originalzustand.“
Bloß nicht den zehnten Tesla im Viertel
In Deutschland gibt es ähnliche Projekte, etwa bei Classic eCars in Hilden. Nachdem das Unternehmen bereits Porsche und VW unter Strom gesetzt hat, baut es nun für Preise ab 50.000 Euro einen elektrischen Messerschmitt Kabinenroller mit bis zu 350 Kilometern Reichweite.
Jaguar-Mann Hannig sieht sich durch solche Projekte in seiner Einschätzung bestätigt: Strom im Oldtimer ist ein Trend. Echte Oldtimer-Fetischisten mögen zwar angesichts der Umbauten die Nase rümpfen. Doch glaubt er an eine neue Zielgruppe, die offen ist für solche Experimente. Das seien zum einen Käufer, die ein echtes Erste-Welt-Problem haben: Sie wollen ein cooles Elektro-Auto fahren und nicht den zehnten Tesla in ihrem Viertel besitzen. Hinzu kommen vor allem jüngere Jaguar-Fans, die sich zwar für die Formen der alten Modelle begeistern und im E-Type vielleicht sogar den „schönsten Sportwagen der Welt“ sehen. Die aber keine Lust haben auf Wartung und Pflege, auf Ölflecken auf dem Garagenboden haben. Sondern die einfach einstiegen und losfahren wollen
Da hätte Jaguar durchaus helfen können. Schlüssel drehen, den aus den aktuellen Elektro-Modellen der Marke übernommenen Fahrregler auf D und den Fuß aufs schlanke Pedal, schon surrt der offene Sportwagen davon. Der Wind zupft an den Haaren, da der Kopf wie eh und je im E-Type über die Scheibe ragt, statt dahinter zu verschwinden.
Die Fahrleistungen sind ähnlich imposant wie die des Oldtimers, der Autos wie den Mercedes SL oder den Porsche 911 stehenlassen konnte. Schließlich liegt der E-Type Zero mit 258 PS und 450 Newtonmetern auf dem gleichen Niveau wie der originale Sechszylinder, den Jaguar mit 3,8 Litern Hubraum, 265 PS und 385 Newtonmetern führt. Zwar streicht der Stromer schon bei 180 hm/h die Segel, während das Original bis zu 242 km/h erreichen kann. Doch mit einem Sprintwert von 5,5 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt er deutlich schneller als der klassische Benziner. Das geringe Gewicht und das Fehlen von Nebenverbrauchern sorgen für mehr als 300 Kilometer Reichweite aus den 40 kWh des Lithium-Ionen-Blocks. Einmal Volladen dauert fünf Stunden.
Der Jaguar I-Pace räumte 2019 den begehrten "Car of the Year"-Award ab.
Ohne ABS und Traktionskontrolle
Nicht ganz unproblematisch für ungeübte Fahrer: Mit Ausnahme des Antriebs wechselt Jaguar wenig. Zu den wenigen Updates gehören ein neues Armaturenbrett mit Touchscreen und LED-Scheinwerfer. Ansonsten fährt, lenkt und bremst der E-Type Zero wie das von 1961 bis 1975 produzierte Original. Also ohne ABS, Servolenkung, Traktionskontrolle und Co.
So fühlt sich der E-Type Zero giftig und gierig an wie das Original. Trotz des schweren Technik-Pakets unter der Haube wiegt er 46 Kilo weniger als mit Benzinmotor und lässt sich wunderbar leichtfüßig über die Landstraße lenken. Das ist betörend und verstörend zugleich: Man muss sich keine Sorgen machen, beim wievielten Zündversuch der Motor endlich anspringt. Man muss mit nicht mit einer hakeligen Schaltung kämpfen, den Sechszylinder nicht mit feinem Zwischengas an der Ampel bei Laune halten und man kann sich während der Fahrt mit dem Beifahrer unterhalten.
Und doch fehlt etwas. Wo ist es hin, das Bollern und Brüllen des Motors? Warum riecht der E-Type nach ein paar Kilometern wie ein heiß gefahrenes Spielzeugauto und nicht nach Sprit, Öl und Ruß? Und warum hat man vor der Nase ein Karbon-Cockpit mit digitalen Instrumenten hinter dem spindeldürren Holzlenkrad, einem Touchscreen daneben und sogar eine induktive Smartphone-Ladeschale darunter? Und, mal unter uns: LED-Scheinwerfer mögen zwar gut sein für die elektrische Effizienz, passen aber so gut zu einem Jaguar E-Type wie eine Wählscheibe zum Smartphone. Gestern, heute, morgen – da kommt man in diesem Auto schon mal durcheinander.
Entwicklung vorerst gestoppt
So interessiert viele Oldtimer-Fans auf den E-Type-Zero reagieren: Jaguar weiß um die Befindlichkeiten der traditionellen Sammler. Gegen die Kritik, man würde kostbare Oldtimer mit dem Umbau zerstören, hat sich Jaguar gewappnet. Geplant war, für die Werksumbauten nur Wracks ohne Motor oder Tuning-Umbauten zu verwenden, die für den Sammlermarkt uninteressant sind. Davon gibt es vor allem in den USA eine Menge, wo viele E-Type über die Jahre mit amerikanischen Achtzylinder-Motoren aus Corvette & Co verschandelt wurden.
Ein echter Neuwagen ist schon aus Zulassungsgründen unmöglich, ohne Original-Fahrgestellnummer gibt es keine Zulassung. Also plante Jaguar den Umbau von Autos „die ohne unsere Hilfe ohnehin für immer verloren gewesen wären“. Zweitens hat Jaguar die Elektrifizierung der Ikone so konzipiert, dass sie jederzeit wieder zurückgebaut werden kann. Am Oldtimer wird kein Blech zerschnitten und kein Kabel gekappt. Den Originalmotor lagern die Briten für den Eigentümer in einer gut gepolsterten Holzkiste ein.
Aber: Offenbar wurde Jaguar der Spaß zu teuer. Man habe entschieden, die Entwicklung des Serienfahrzeugs zu unterbrechen, teilte Jaguar den Bestellern mit. Man freue sich darauf, den Kunden das innovative Fahrzeug später zur Verfügung zu stellen, werde nun aber die Ressourcen auf die nächste Generation klassischer Produkte konzentrieren. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben – oder doch?
Der Jaguar X-Type bietet britisches Understatement für kleines Geld und sogar einen Sechszylinder-Motor mit 2,5 und 3,0 Litern Hubraum.