Honda Jazz 2020 im Test
Ist der Honda Jazz Hybrid der letzte Minivan oder der geräumigste Kleinwagen auf dem Markt? Beides. Was das im Alltag heißt, steht im Test.
Ist er ein Kleinwagen oder ist er ein Van? Vor allem ist der Honda Jazz ein Vier-Meter-Auto, das mehr Platz bietet als mancher Vertreter der Golfklasse. Und das variabler ist als alle seine Konkurrenten. Ein Blender war er noch nie, auch nicht in dritter Generation (seit 2020): In Graumetallic lackiert, verschwindet der brandneue Neuwagen im Test in der Supermarkt-Tiefgarage optisch komplett in der Masse betagter Familienkutschen. Perfektes Understatement also. Überrascht der neue Honda Jazz dafür innen positiv? Das klären wir im Alltagstest.
Das Wichtigste in Kürze
- Vierte Generation des Kleinwagens
- Großer Kofferraum mit fast ebenem Boden
- Clever umklappende Rücksitzbank („Magic Seats“)
- Viel Platz für vier Erwachsene
- Nur ein Motor: Hybrid-Benziner mit 109 PS
- Kein klassisches Getriebe
- Geringer Verbrauch
- Sanftes Fahrwerk und leichtgängige Lenkung
Viel Platz auf wenig Fläche
Karosserie und Platzangebot
Die große Stärke des Honda Jazz ist das Raumangebot. Vier Erwachsene reisen luftig und bequem, umgeben von viel Glas. Auf der Rückbank kommt man dem Dachhimmel als großgewachsener Passagier eventuell etwas zu nahe. Hinzu kommen 304 Liter Kofferraumvolumen. Die Traktionsbatterie des Hybridantriebs unter dem Boden erzeugt eine kleine Stufe – der einzige Makel im Heck. Die Ladekante liegt gefühlt unter Kniehöhe, Wasserkästen oder ein Klapprad passen problemlos hinein.
Der eigentliche Zauber ist die einmalige Konstruktion der Rücksitze. Honda nennt das „Magic Seats“. Klappt man die Lehne der Rückbank um, rutschen die Sitzflächen eine Etage tiefer. Dadurch entsteht eine bis auf die Batterie-Stufe ebene Ladefläche. Alternativ klappen die Sitzflächen im Fond nach oben, ähnlich wie bei Kinositzen. Dann passt zum Beispiel ein kleines Fahrrad hinter die Vordersitze. Der Jazz lässt so viel Spielraum zu, weil das Benzin, anders als in den meisten anderen Autos, unter den Vordersitzen lagert.
Allerdings: Diese Vorzüge weisen die Vorgängergenerationen auch auf. Der Jazz wird aber mit dem Gegenrationswechsel erneut etwas größer und nach hinten etwas unübersichtlicher. Zudem baut Honda sehr kleine Außenspiegel an. Die Rundumsicht ist so nicht die beste.
Innenraum, Verarbeitung
Wirklich gelungen ist das Cockpit des neuen Honda Jazz. Honda verwendet hübsche Materialien, wertige Kunststoffe und Kunstleder mit Unterpolsterung. Hartes Plastik findet sich oberhalb der Türarmlehnen und auf der Konsole, es wirkt aber robust und wertig. Je nach Ausstattung setzt der Hersteller hübsche Spangen oder Stoffbezüge auf dem Armaturenbrett ein. Das sieht schick aus und fühlt sich hochwertig an. Zudem finden sich viele nette Details: Die Getränkehalter finden sich genau auf Griffhöhe, ein kleines, zusätzliches Handschuhfach bietet zusätzliche Ablageoptionen. Ein übersichtliches Display ersetzt die alten Rundinstrumente.
Das seit 2001 produzierte SUV ist ab der dritten Generation auch als Plug-In-Hybrid erhältlich.
Infotainment, Bedienung
Die Bedienung gibt zunächst keine großen Rätsel auf, im Jazz findet sich jeder schnell zurecht. Der Touch-Bildschirm des Infotainmentsystems sitzt gut und bekommt eine Stütze für die Hand. Das Infotainment ist übersichtlich gestaltet, die Menüs sind logisch angeordnet und lassen sich ohne große Aufmerksamkeit bedienen. Vor allem funktioniert die Bedienung schneller als im Vorgänger. Trotzdem: Der Jazz bietet viele digitale Funktionen, das macht die Bedienung des Systems trotz weniger Designfehler komplex. Den Energiefluss des Hybridantriebs bereitet Honda nicht ganz so schön auf wie Toyota in seinen Modellen, dafür steht links im Armaturenbrett gleichberechtigt zur Tankanzeige eine Batteriestandsanzeige. Besonderes Gimmick: Wie im Honda-e kann der Jazz auf dem Infotainmentschirm ein digitales Aquarium anzeigen.
Sicherheit und Assistenz
Bei der Assistenztechnik lässt der Jazz wenig Wünsche offen. Honda installiert viel Assistenz im Kleinwagen. Vieles (Spurhalteassistent, Kollisionswarner, Fußgängererkennung, Verkehrszeichenerkennung, Abstandstempomat) gibt es im Basis-Jazz serienmäßig. Toter-Winkel-Warner und Parkhilfen kommen in teureren Varianten hinzu. 2020 bewertet Euro NCAP den Jazz zudem mit der Höchstwertung von fünf Sternen. In allen Wertungen erreicht der Japaner gute Noten.
Der kleine Bruder des Golf rollt seit 45 Jahren in Wolfsburg vom Band.
Motor, Getriebe, Verbrauch
Honda bietet den Jazz ausschließlich als Vollhybrid. Er leistet 109 PS und 253 Newtonmeter Drehmoment. Die Technik ist speziell: Der Honda Jazz fährt ganz ohne klassisches Getriebe. Der Verbrenner erzeugt über einen Generator Strom, mit dem der Elektromotor die Vorderräder antreibt. Nur bei höherem Tempo mischt sich der Benziner direkt ein, seine Übersetzung entspricht einem fest eingelegten, hohen Gang. Eine ähnliche Technik gibt es in Honda CR-V, im Mitsubishi Outlander und im Hypersportler Koenigsegg Regera.
Den sogenannten “Gummiband-Effekt” adressiert Honda mit simulierten Gangstufen: Die Drehzahl steigt bei voller Beschleunigung an und fällt wieder ab, um danach erneut zu steigen. Bei konstanter Fahrt dagegen bleibt der Motor weitgehend ruhig. Bei Zwischensprints versucht Honda nicht, das asynchron zur Beschleunigung verlaufende Motorgeräusch zu tarnen. Beim flotten Überholen hält der Motor eine konstant hohe Drehzahl. Man muss innerorts schon genau auf das „EV“-Symbol im Tacho achten, um zu erkennen, ob der Benziner läuft oder nicht.
Allerdings: Die Hybridstrategie des Antriebs eignet sich nicht für wirklich sparsame Kurzstreckenfahrt. Nach dem Start arbeitet sich der Motor zunächst einmal auf Betriebstemperatur, erst nach rund 15 Kilometern sinkt der Durchschnittsverbrauch im Stadtverkehr auf weniger als 5 l/100 km. Ist der Akku voll, scheut sich der Jazz mit warmem Motor nicht vor längeren rein elektrischen Passagen, sogar beim Anfahren. So pendelt sich der Durchschnittsverbrauch sowohl in der Stadt als auch Überland bei rund 5 l/100 km ein. Nur bei ruhiger Stadtfahrt mit warmem Motor sind deutlich niedrigere Verbräuche erzielbar.
Fahrverhalten, Federung, Lenkung
Sport verkneift sich Honda komplett, der Jazz ist auf Bequemlichkeit getrimmt. Die Lenkung arbeitet leichtgängig, das Fahrwerk federt sanft und fängt Unebenheiten fast komplett ein. In Kurven neigt sich der Jazz ordentlich, bleibt aber sicher. Das überzeugt vor allem auf der Langstrecke. Auto und Motor kommen mit hohem Tempo erstaunlich gut zurecht. Er verhält sich auf dem Weg zur Höchstgeschwindigkeit stabil und sicher und fährt auch bei 150 km/h stur geradeaus – und bleibt dabei so leise, dass eine gedämpfte Unterhaltung problemlos möglich ist.
Minivan + SUV = Crossland X. Der Meriva-Nachfolger bietet ordentlich Platz im Innenraum.
Preise, Ausstattung, Fazit
Unter dem Strich: Der neue Honda Jazz lässt sich in der Stadt prima manövrieren, wenn auch nicht so gut wie seine Vorgänger. Er übernimmt deren Stärken bei der Variabilität und bei dem kleinfamilientauglichen Raumangebot, wird dabei aber deutlich hübscher im Innenraum. Zudem ist er ein überraschend gutes Langstreckenauto. Andere Hersteller verpacken ihre Minivans in SUV-Form, Honda setzt auf das klassische Paket. Damit gerät der Jazz bei ähnlichem Nutzwert kompakter als beispielsweise ein Opel Crossland. Konventionell angetriebene Modelle mit ähnlichem Nutzwert unterbietet er beim Verbrauch deutlich. Den für sich genommen sparsameren Hybridantrieb gibt es jedoch bei der Konkurrenz von Toyota.
Mangels echter Konkurrenz erübrigt sich ein Preisvergleich weitgehend. Honda spart sich eine günstige Basisversion, die Grundausstattung („Comfort“) kostet bereits 22.250 Euro. Das ist sehr viel Geld für einen Kleinwagen, selbst geräumige Mini-SUV wie der Opel Crossland starten günstiger. Aber sie fahren mit viel weniger Ausstattung und ohne die Komfort- und Sparvorteile des Hybrid vor. Im Jazz stecken serienmäßig viele Assistenten, zehn Airbags, LED-Licht, Radio mit Fünf-Zoll-Display und Freisprecheinrichtung, Sitzheizung, Klimaautomatik und die variable Rückbank. Für 1.050 Euro kommen in „Elegance“ Parkhilfen, Alufelgen und ein größeres Infotainment dazu. Abseits der Pakete gibt es nur nur Farbe, Polster und Garantie zur Auswahl. Die Spitzenausstattung („Executive“) bringt für 25.150 Euro etwas mehr Eleganz, Assistenz und ein Navi in den Kleinwagen-Van. Top-Version ist der Crosstar mit etwas mehr Bodenfreiheit und SUV-Look.
Honda Jazz 2020: Technische Daten
Modell | Honda Jazz Executive |
---|---|
Motor | 1,5-Liter-Saugbenziner, Elektromotor, Generator |
Leistung | 109 PS (80 kW) |
Drehmoment | 253 Nm |
Antrieb | Vollhybrid, kein klassisches Getriebe, feste Übersetzung zwischen Verbrenner und Achse |
0-100 km/h | 9,5 s |
Geschwindigkeit | 175 km/h |
Verbrauch | 4,6 l/100 km (WLTP) |
CO2-Ausstoß | 104 g/km |
Länge | 4.044 mm |
Breite | 1.966 mm (inkl. Außenspiegel) |
Höhe | 1.526 mm |
Radstand | 2.517 mm |
Leergewicht | 1.300 kg |
Kofferraumvolumen | 304-1.205 l |
Preis Honda Jazz | 22.250 Euro, Jazz Executive: 25.150 Euro |
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