Haldex-Allrad: Vorteile, Nachteile, Probleme
Die Haldex-Kupplung bringt Allradantrieb vor allem in kleine und kompakte Autos. Warum auch Sportwagen damit fahren und wie sie funktioniert, liest Du hier.
Allradantrieb macht Autos geländegängig, schnell oder besser fahrbar. Der Begriff „Allrad“ ist dabei allerdings so ungenau wie die Bezeichnung „Motor“. Denn je nach Fahrzeugklasse nutzen die Hersteller verschiedene Systeme, um alle vier Räder eines Autos anzutreiben. In vielen Modellen kommt dabei eine Technik zum Einsatz, die umgangssprachlich „Haldex-Allrad“ heißt.
Gemeint ist: Der Motor treibt in erster Linie die Achse an, die ihm am nächsten ist – bei Kompaktwagen also die Vorderachse. An der anderen Achse sitzt eine Kupplung, die einst der Zulieferer Haldex erfand. Sobald sie schließt, fließt die Kraft des Motors an beide Achsen. Das Auto treibt dann alle Räder an.
Der Haldex-Allradantrieb spart im Vergleich zu anderen Systemen Platz, Gewicht, Kraftstoff und Kosten. Das macht ihn vor allem für kleine Autos ideal: In der Kompaktklasse ist er das am meisten verbreitete System. Man findet ihn zum Beispiel in VW Golf, BMW 2er Active Tourer, Audi Q3 oder Mercedes A-Klasse. Er kommt außerdem in Sportwagen zum Einsatz, unter anderem in Lamborghini Huracan oder Bugatti Chiron.
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Der Haldex-Allrad in aller Kürze
- Haldex-Allrad: Allradantrieb mit kompakter Bauform
- Motornahe Achse wird primär angetrieben
- Eine Lamellenkupplung koppelt bei Bedarf die zweite Achse an
- Allradregelung elektronisch steuerbar
- Kraftverteilung unterliegt mechanischen Grenzen
- Einsatzbereich: Kleinwagen bis Supersportler
Wie funktioniert der Haldex-Allradantrieb?
Den Haldex-Allrad gibt es seit 1998. Seine konkrete Funktionsweise hat sich seitdem mehrfach verändert. Das Prinzip ist jedoch nach wie vor das gleiche: Er erweitert den jeweils üblichen Zweiradantrieb mit einer einfachen Mechanik zum Allrad. Dafür erhält das Getriebe neben den beiden regulären Antriebswellen (Rad links, Rad rechts) eine Kardanwelle, die zur anderen Achse führt.
Ziel ist, nur dann Kraft auf die zweite Achse zu übertragen, wenn es sinnvoll oder nötig ist. Deshalb sitzt das Herzstück und Namensgeber des Haldex-Allradantriebs zwischen der Kardanwelle und dem Achsdifferenzial: die Haldex-Kupplung. Das ist eine Lamellenkupplung, die mit Öldruck arbeitet. Im Normalfall lässt sie keine Kraft durch; das Auto fährt mit Zweiradantrieb. Wird Öldruck aufgebaut, werden die Lamellen gegeneinandergedrückt. Sie übertragen nun den Antrieb an die zweite Achse; das Auto fährt mit Allradantrieb.
Wie genau dieser Öldruck aufgebaut wird, hängt vom Alter des Systems ab. In den ersten drei Haldex-Generationen (1998 bis 2008) geschieht das mechanisch. Eine Pumpe im Kupplungsgehäuse wird dann angetrieben, wenn es Drehzahlunterschiede zwischen Vorder- und Hinterachse gibt. Sie baut also Druck auf, wenn die primäre Antriebsachse durchdreht, und stellt damit den Kraftschluss her. Eine elektrische Steuerung regelt über ein Ventil den Druck – ein Steuergerät kann eingreifen und die Kraftübertragung anpassen.
Seit der Haldex-Generation vier gibt es keine mechanisch gesteuerte Pumpe mehr im System. Sie wird elektrisch angetrieben. Der Vorteil: Der Allradantrieb lässt sich vollvariabel lenken. Bisher musste Schlupf an der angetriebenen Achse entstehen, um die zweite Achse anzukoppeln. Jetzt funktioniert das prophylaktisch. Zum Beispiel unmittelbar vor dem Anfahren. Oder vor einer schnellen Kurve.
Im Gelände zu Hause: Erst abseits der Straßen spielt der Wrangler seine Qualitäten richtig aus.
Wo liegen die Vorteile des Haldex-Allrads?
Diese Art von Allradantrieb lässt sich auf vergleichsweise kleinem Raum unterbringen. Sie benötigt keinen Platz für ein sperriges Mittendifferenzial. Es muss nur Bauraum für die Kardanwelle und die Konstruktion an der Hinterachse zur Verfügung stehen. Zudem wiegt der Allradstrang vergleichsweise wenig. Je nach Auslegung addiert das Haldex-Allradsystem ungefähr 50 bis 100 Kilogramm zum Fahrzeuggewicht.
Wie genau sich die Kraft auf beide Achsen verteilt, lässt sich in einem gewissen Rahmen variabel regeln. Bei offener Haldex-Kupplung kommt nur Kraft an der motornahen Achse an. Ist sie geschlossen, bekommen beide Achsen gleich viel Moment. Alles dazwischen lässt sich blitzschnell über den genauen Öldruck einstellen.
Entscheidet die Motorelektronik, dass kein Allradantrieb notwendig ist, koppelt die Haldex-Kupplung die zweite Achse vom Antrieb ab. Das erleichtert den Alltag bei banalen Dingen, zum Beispiel den Abschleppvorgang, bei dem nur eine Achse Kontakt zur Straße hat. Außerdem spart das Abkoppeln Kraftstoff. Das Niveau eines frontgetriebenen Autos erreicht ein Modell mit Haldex-Allrad nicht, weil es mehr wiegt. Es ist jedoch sparsamer als ein Fahrzeug mit klassischem, permanentem Allradantrieb.
Das geringe Gewicht macht den Haldex-Allrad interessant für Mittelmotor-Sportwagen. Bei ihnen geht es selten darum, die Kraft beliebig zwischen den Achsen zu verteilen: Sie treiben vor allem die (motornahe) Hinterachse an und können ein bisschen Unterstützung von vorn gut gebrauchen. Dafür ist der Haldex-Allradantrieb ideal. Deshalb arbeitet in einem Lamborghini Aventador das gleiche Allradprinzip wie in einem VW Golf – nur entsprechend größer dimensioniert.
Wo liegen die Nachteile des Haldex-Allrads?
Allrad-Fans spotten oft, dass es sich beim Haldex-Prinzip nicht um einen „echten Allradantrieb“ handelt. Dabei kritisieren sie vor allem, dass er nicht permanent arbeitet, sondern nur bei Bedarf. Aus dem Marketing-Begriff „Hang-on-Allrad“ wird in diesem Zusammenhang gern „Teilzeit-Allrad“. Das ist nicht besonders nett, streng genommen aber nicht falsch.
Die Aufgabe des Haldex-Allradantriebs ist es nicht, eine starre Verbindung zwischen den Achsen herstellen zu können, wie es bei urigen Geländewagen gewünscht ist. Sein Fokus liegt auf dem Alltag. Entsprechend wird ein VW Tiguan im Gelände nicht so weit kommen wie ein Jeep Wrangler – er ist dafür schlicht nicht gebaut.
Konstruktionsbedingt kann der Haldex-Allrad außerdem nur die Hälfte der Antriebskraft auf die zweite Achse lenken. Hersteller überlisten diese mechanische Begrenzung, indem sie über Bremseingriffe an bestimmten Rädern den Kraftfluss regulieren. So lässt sich ein lebendiges Fahrverhalten konstruieren. Wirklich heckbetonte Fahreigenschaften erreichen sie damit kaum. Übersteuern auf rutschigem Untergrund funktioniert trotzdem.
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Haldex-Allrad: Gut zu wissen
Audi bezeichnet den Haldex-Allrad in vielen Modellen als permanenten Allradantrieb, obwohl er nichts mit dem klassisch konstruierten, permanenten Allrad des Herstellers zu tun hat. Dennoch ist diese Bezeichnung technisch richtig. Denn selbst bei geöffneter Haldex-Kupplung überträgt sie eine geringe Kraft auf die zweite Achse. Dabei geht es nur um wenige Newtonmeter – aber es kommt Kraft an. Die Eigenschaft „permanent“ ist freilich nicht im klassischen Sinne gegeben, sondern nur für das Marketing relevant.
Hat mein Auto einen Haldex-Allradantrieb?
Welcher Allradantrieb in welchem Auto steckt, lässt sich nicht auf Anhieb sagen. Der Haldex-Allrad wie hier beschrieben kommt (neben einigen Sportwagen) bei Fahrzeugen mit quer eingebautem Motor zum Einsatz. Die gibt es vor allem in Kleinwagen und Kompakten, aber auch in der Mittelklasse. Dazu gehören die meisten VW-Modelle, einige Fahrzeuge von Volvo, BMW, Saab, Land Rover, Skoda, Seat, Audi, Ford und Opel.
Das sind allerdings nur Indizien. In Opel Insigina und Ford Focus RS arbeiten zum Beispiel andere Allrad-Systeme, bei denen zwei Kupplungen an der Hinterachse sitzen. Sie können die Antriebskraft gezielt auf einzelne Räder verteilen. Der VW-Konzern arbeitet aktuell an einem ähnlichen System. Der Haldex-Allrad wird dennoch weiterhin langfristig in vielen Modellen angeboten.
Die Haldex-Kupplung in Bildern
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