So fährt der Ford Focus ST (Mk. 4) 2019
Sportliche Kompakte haben bei Ford Tradition. Der Focus kommt in Generation 4 als ST mit 280 PS für die Vorderachse. Wie er sich fährt? Erfährst Du hier.
Also steht man da an der Ampel mitten im Ort. Links der schmalen Gasse lassen sich Urlaubsgäste den Lunch auf der Café-Terrasse schmecken. Rechts plaudern zwei alte Männer gestikulierend in der Sonne. Das Display zwischen Tacho und Drehzahlmesser scheint zu fragen: „Launch Control?“ Das Fragzeichen steht da nicht, man denkt es mit. Ein unanständiges Angebot jetzt und hier!
Für Auto-Fans beginnt die Geschichte der neuen Focus-Generation erst jetzt, mit dem Kürzel „ST“ auf der Heckklappe des Focus der 4. Generation und im Kühlergrill. 2018 kam der Mk. 4 in den Standardversionen auf den Markt, als Kombi und als Fünftürer. Jetzt folgt der ST. Als Kombi und als Fünftürer. Wahlweise als Benziner und als Diesel.
Im Testwagen in der Farbe „Orange Fury“ sitzt der 2,3-Liter-Benziner. So ähnlich arbeitet er im Focus RS der 3. Generation und im Mustang. Da hat das Angebot mit der Launch Control Sinn. Der per Twinscroll-Turbo aufgeladene Vierzylinder leistet 280 PS (206 kW). Tempo 100 steht nach 5,7 Sekunden auf dem Tacho.
Ford Focus ST: Immer nützliches Drehmoment
Vielleicht noch wichtiger: Wer am Ortsausgang aufs Gaspedal latscht, sollte nach spätestens vier Sekunden wieder auf die Bremse treten. So lange dauert der Zwischenspurt von 50 auf 100 km/h. Haben wir nicht gemessen, aber es klingt glaubhaft. Der Turbo hat reichlich Power. Ab 1.500 Umdrehungen liefert er in jedem Gang nützliches Drehmoment. Ab 1.000 Umdrehungen zieht er selbst im sechsten Gang klaglos eine Steigung hoch. Zwischen 3.000 und 4.000 Umdrehungen werden 420 Newtonmeter Richtung Vorderräder geschickt.
Leider dröhnt es etwas unangenehm, wenn die Drehzahlen höher werden. Ford spielt den vorher aufgezeichneten Motorsound über die Lautsprecher in den Innenraum. Je nach Modus kerniger oder weniger kernig. So richtig natürlich klingt das nie.
Cruist man entspannt durch Dörfer und über Landstraßen, muss man den Schalthebel selten bemühen. Wobei: So ganz gibt der ST sich nicht mit der Rolle des Personen-Transporters zufrieden. Im Kriechgang Richtung Ampelkreuzung wird er störrisch, nimmt etwas zu ruppig Gas an und fällt ruckartig in den Schiebebetrieb. Es muss doch noch mehr im Leben geben als zugestaute Ortsdurchfahrten, scheint er ungeduldig zu sagen.
Gibt es. Wenige Kilometer hinter dem Ortsausgang wird die Straße frei und windet sich wie weichgekochte Spaghetti. Der Daumen wandert zum neuen Fahrmodus-Knopf am Lenkrad, der den Focus in „S“ wie „Sport“ schaltet, wie das Display meldet (zur Auswahl stehen neben „Normal“ noch „Race“ und „Slippery“). Die Gaspedalkennlinie wird schärfer, das Lenkrad bekommt mehr Gewicht (ja, noch mehr) und die neuen, optionalen Verstelldämpfer straffen sich (ja, noch mehr).
Feines Fahrwerk und elektronisches Sperrdifferenzial
Spaß-Modus im Focus ST. Er prescht vorwärts, knüppelt recht unbeeindruckt über aufgebrochenen Asphalt. Typisch Ford, typisch Focus: Mit viel Rückmeldung, straff, aber trotzdem fein ansprechend rollen die Michelin auf den schicken dunkelgrauen 19-Zöllern über den Belag. Nur scharfe Kanten schlagen zuweilen unangenehm durch. Kontrolle ist immer vorhanden.
Anbremsen, runterschalten – der Focus ST gibt vorlaut Zwischengas – herausbeschleunigen. Neutral geht der Kompakte durch die Kurven, das Lenkrad windet sich ein bisschen Richtung Kurven-Innenseite. Antriebseinflüsse bleiben den Händen weitgehend fern, aber das Lenkgefühl ist etwas gewöhnungsbedürftig. Viel Gefühl für den Belag lässt es nicht durch, aus der Mittelposition heraus wirkt es ein bisschen teigig.
Doch der Focus lenkt präzise, direkt und berechenbar. Untersteuern kennt er unter Vollgas am Kurvenausgang kaum. Das elektronische Sperrdifferenzial an der Vorderachse erahnt Haftungsverlust und erstickt ihn im Keim, indem es mehr Kraft an das Rad mit mehr Grip schickt.
Spontan reagiert der Focus aufs Gaspedal, ein Turboloch kennt er nicht. Dafür aber „Anti Lag“. Weil die Drosselklappe geöffnet bleibt, obwohl man vom Gas geht, dreht der Twinscroll-Turbolader weiter. Das spart beim nächsten Gasstoß Zeit, die er sonst bräuchte, um auf Drehzahl zu kommen.
Der Knüppel der Handschaltung geht gewohnt knackig durch die Gassen. Vielleicht etwas zu knackig. Wir hatten zwei, drei mal Schwierigkeiten, den dritten Gang zu finden. Er liegt einen Tick weiter rechts als gewohnt. Die Recaro-Sportsitze geben feinen Seitenhalt, könnten aber eine Spur enger sitzen.
Der Focus ST ist nah am Fokus
Von den Sitzen abgesehen merkt man nur an wenigen Details, dass man im bislang schärfsten Focus sitzt. Das recht pummelige Lenkrad ist in Griffhöhe perforiert, unten abgeflacht und trägt das ST-Logo in der Speiche, genau wie die Sitze. Das war es im Grunde schon. Knöpfe, Bedienelemente und Materialien sind aus dem Standard-Focus bekannt. Das Infotainment ebenfalls, es ist das große Sync-3-System mit Navi, Live Traffic, App-Konnektivität und Achtzoll-Touchscreen.
Nicht mal außen macht der ST eine große Sache aus seiner Stellung im Modellprogramm. Vom Standard-Focus mit ST-Line-Ausstattung unterscheiden ihn nur Feinheiten in Front- und Heckschürze. Die beiden dicken Auspuffendrohre verstecken sich fast neben dem lackierten „Diffusor“-Einsatz. Der Heckspoiler mit der längeren Abrisskante fällt nur im Profil auf, wenn man genau hinsieht. Genau wie die roten Bremssättel hinter den Alus in Magnesium-Finish.
Die roten Bremsen gibt es allerdings nur im „Performance Pack“ zusammen mit vielen anderen der beschriebenen Features: Das Zwischengas beim Runterschalten, die Verstelldämpfer, den Race-Modus und die Launch Control. Das Paket erhöht den Basispreis des Focus ST um 1.200 Euro.
Der Basispreis liegt bei 32.900 Euro für den Fünftürer mit dem getesteten 280-PS-Benziner. Der Diesel mit 190 PS und 400 Nm Drehmoment aus einem 2,0-Liter-Vierzlyinder kostet 31.900 Euro. Der passt besser zum Kombi, für den Ford 33.100 Euro haben will, der Turnier mit Benziner liegt bei 34.100 Euro. Eigentlich nicht viel Geld, wenn man bedenkt, dass ein Golf GTI Performance mit 245 PS und schlechterer Ausstattung (z.B. ohne Navi) fast 35.000 Euro kostet. Und den gibt es nicht als familientauglichen Kombi.
Ford Focus ST Mk. 4 2019: Technische Daten, Preise
Modell | Fcous ST | Fcous ST Diesel | ST Turnier | ST Turnier Diesel |
---|---|---|---|---|
Motor | 2,3-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner | 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbodiesel | 2,3-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner | 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbodiesel |
Leistung | 280 PS (206 kW) b. 5.500 U/min | 190 PS (140 kW) b. 3.500 U/min | 280 PS (206 kW) b. 5.500 U/min | 190 PS (140 kW) b. 3.500 U/min |
Drehmoment | 420 Nm b. 3.000-4.000 U/min | 400 Nm b. 2.000 U/min | 420 Nm b. 3.000-4.000 U/min | 400 Nm b. 2.000 U/min |
0-100 km/h | 5,7 s | 7,6 s | 5,8 s | 7,7 s |
Geschw. max. | 250 km/h | 220 km/h | 250 km/h | 220 km/h |
Antrieb | Vorderräder, 6-Gang manuell (7-Gang-Automatik) | Vorderräder, 6-Gang manuell (7-Gang-Automatik) | Vorderräder, 6-Gang manuell (7-Gang-Automatik) | Vorderräder, 6-Gang manuell |
Verbrauch | 7,9 l/100 km | 4,8 l/100 km | 7,9 l/100 km | 4,8 l/100 km |
CO2-Ausstoß | 179 g/km | 125 g/km | 179 g/km | 125 g/km |
Länge/ Breite/ Höhe (mm) | 4.388/1.825/1.458 | 4.388/1.825/1.458 | 4.668/1.825/1.458 | 4.668/1.825/1.458 |
Radstand | 2.700 mm | 2.700 mm | 2.700 mm | 2.700 mm |
Kofferraumvolumen | 375-1.354 l | 375-1.354 l | 608-1.653 l | 608-1.653 l |
Gewicht | 1.508 kg | 1.543 kg | 1.548 kg | 1.585 kg |
Preis | ab 32.900 Euro | ab 31.900 Euro | ab 34.100 Euro | ab 33.100 Euro |
Der neue Ford Focus ST im Fahrbericht - Bildergalerie
Das könnte Dich auch interessieren
Alltagstest Seat Leon ST 1.4 TGI (2018)