Fiat Multipla (1999-2004): Gebrauchtwagen-Tipp
Über den Multipla wurde viel gelacht, doch Wesentliches selten gesagt: Fiats wulstiger Van ist höchst praktisch und als Gebrauchtwagen begehrt. Alle Infos.
Der Fiat Multipla hat längst Kult-Status. Gerade wegen seiner eigenwilligen Karosse: Auszeichnungen zum hässlichsten und peinlichsten Auto sowie all der Online-Spott machen das Vor-Facelift des Kompakt-Vans zu einem der bekanntesten Fahrzeuge überhaupt. Doch die wenigsten wissen, was das von 1999 bis 2004 gefertigte Modell tatsächlich ausmacht: ein durchdachter Innenraum. Sechs Sitzplätze in zwei Reihen. Seltene technische Lösungen. Und, langfristig: gute Chancen auf Wertzuwachs bei gebrauchten Modellen. Erfahre hier alles zum Fiat Multipla, was über das Design hinausgeht.
Sechs Sitzplätze in zwei Reihen
Bis zu sechs Personen finden im Fiat Multipla Platz. Darin liegt der Unterscheid zu vielen anderen Fahrzeug-Alternativen für größere Familien: Wer sich schon einmal in die dritte Sitzreihe eines Vans oder SUVs zwängen musste, weiß, wie improvisiert Sitzgelegenheiten von Nummer fünf aufwärts wirken können. Fiat setzt auf zwei Reihen mit je drei Plätzen. Damit das funktioniert, muss man breit bauen und kreativ einrichten: Der Multipla misst ohne Spiegel 1,87 Meter – die damalige Mercedes S-Klasse war schmaler. Die Italiener ordneten in ihrem Van sämtliche Bedienelemente mittig im oberen Teil des Armaturenbretts an und setzten die Schaltung nach oben. So entsteht Fußraum für den Mittelpassagier in Reihe eins. Und ein etwas eigenwilliges Cluster aus Tacho-Einheit, Drehreglern und Lüftungsschlitzen in allen möglichen Längen.
Soll heißen: Innen geriet dieser Fiat ebenso ausgefallen wie außen. Doch zwischen farbigen Stoff-Verkleidungen und Sitzbezügen (meist rot oder blau) findet sich viel Praktisches. Das Klappfach vor dem Fahrer, das vielleicht größte Brillenfach der Automobilgeschichte und natürlich die Sitze selbst. Die Lehnen der Einzelsitze lassen sich nach vorne klappen, in den jeweils mittleren befinden sich dann Getränkehalter. Alternativ kann man die Stühle komplett rausnehmen.
Fiat Multipla: Viel Stauraum auf 3,99 Metern Länge
Wer Reihe zwei umklappt, kann bis zu 1.850 Liter laden. In regulärer Konfiguration fasst der Fiat Multipla 430 Liter. Beides sehr üppig für ein Modell von weniger als vier Metern Länge – viele aktuelle Kleinwagen überragen den Multipla.
Technisch fußt der Van auf der Kompaktklasse. Auf der Plattform des damaligen Golf-Gegners Bravo errichtete Fiat einen Space-Frame. An das Stahl-Skelett werden Karosserieteile angebracht. Audi ging beim A2 ähnlich vor, fertigte jedoch aus Alu. Fiats Methode sorgt für günstigere Fertigung, doch höheres Gewicht.
Mindestens 1.375 Kilogramm wiegt der Multipla. Die Masse beschleunigt wahlweise der 105-PS-Vierzylinder-Diesel (JTD, später bis zu 120 PS), ein 103 PS starker 1,6-Liter-Benziner – oder die Erdgas-Variante dieses 1,6 16V genannten Ottomotors. Fiat offerierte in einer frühen Phase der Technologie zwei CNG-Optionen: Der Multipla BluePower (später als NaturalPower) fuhr ausschließlich mit Erdgas, der Multipla Bi-Power verfügte über einen zusätzlichen Benzintank. In jedem Fall leistet der Motor 95 PS. Sämtliche Fiat Multipla haben ein Fünfgang-Schaltgetriebe und Frontantrieb.
„Fährt sich besser, als er aussieht“
Das klassische Urteil zum Fahrverhalten eines Fiat Multipla lautet: „Bewegt sich weit besser, als er aussieht.“ Besitzer schätzen die gute Rundumsicht mit tief gezogenen Fenstern und hoher Sitzposition. Außerdem die vergleichsweise direkte Lenkung und die kurze Abstufung des Getriebes. In Summe zählt der Multipla zu den fahraktiveren Optionen seines Segments.
In Fiat-Multipla-Internetforen moniert man allenfalls die schmalen Spiegel im Hochkant-Format oder das Fehlen eines herkömmlichen Griffs an der Heckklappe – die Ladeluke öffnet man vom Fahrersitz aus per Hebel. Übrigens: Wer gerne den Ellenbogen lässig aus dem Fenster hängen lässt, hat es im Multipla schwer. Die Seitenscheiben verschwinden nämlich nicht ganz in der Tür.
Gebrauchte Fiat Multipla: häufige Mängel
Multipla-Fahrer werden oft zu Unrecht des Kleckerns bezichtigt: Plastik-Abdeckungen im Innenraum gebrauchter Modelle fühlen sich häufig klebrig an. Selten liegt das an mangelnder Sorgfalt. Das eigentliche Problem ist Fiats damaliger Soft-Lack, der die Reinigung per Tuch nur bedingt zulässt. Wer das haptische Erlebnis dauerhaft verbessern will, kann das Bauteil austauschen oder mit einer neuen Schicht überziehen lassen.
Technisch gilt bei sämtlichen Modellen der Zahnriemen als Problemzone, doch aus verschiedenen Gründen: Beim Benziner reißt der Riemen mitunter vor dem vorgeschriebenen Wechsel-Intervall von 120.000 Kilometern. Beim Diesel kann das Bauteil locker werden und aus der Führung springen. Die Erdgas-Aggregate gelten als anfällig und weniger zuverlässig als Diesel- und Benzinmotoren. Häufigstes Problem sind Schäden an den Ventilen.
Abseits des Motorraums werden beim TÜV überdurchschnittlich oft hoher Bremsverschleiß und Schäden an der Hinterachse bemängelt. Außerdem neigt die Auspuffanlage zum Rosten. In Summe gibt es solidere Gebrauchte, doch ein klassischer Problemfall ist der Multipla nicht. Unter Baureihen-Fans gilt ein Benziner-Modell nach der ersten kleinen Überarbeitung von 2002 als technisch solideste Variante. Die optisch größten Veränderungen brachte das Facelift von 2004 – hier verlor der Multipla die charakteristische Wulst an der Front, wurde unauffälliger, aber irgendwie auch langweiliger. Tiefgreifende technische Änderungen brachte die größte Überarbeitung nicht, bis zum Produktionsende im Jahr 2010 legte Fiat beim Diesel noch ein paar PS nach, doch Antriebsstränge und technische Grundlagen blieben weitgehend unverändert.
Seltener Gebrauchtwagen mit Kult-Faktor
Fiat Multipla Gebrauchtwagen sind in der charakteristischen Vor-Facelift-Variante interessanter als in der geglätteten Version. Optisch sowieso, doch genauso in finanzieller Hinsicht: Dieser Fiat erntete viel Spott, scharte aber auch eine große Fangemeinde hinter sich. Weil er praktisch – und anders – war. Und außerdem im Straßenbild äußerst rar blieb.
Nach solidem Markt-Debüt rutschten die Verkaufszahlen in Deutschland Anfang des Jahrtausends bald in den dreistelligen Bereich ab. Entsprechend selten finden sich gebrauchte Exemplare. Hinzu kommt: Einen Multipla kauft man nicht zufällig, viele der verbliebenen Außenseiter verharren in den Händen von Baureihen-Kennern und werden nicht so schnell auf den Markt geworfen. Doch immer wieder finden sich Exemplare auf mobile.de. Modelle mit gültiger HU werden aktuell ab rund 1.000 Euro angeboten – in wenigen Jahren werden die Einstiegs-Tarife signifikant höher liegen. Der Multipla ist schließlich ein Stück Automobilgeschichte – ein Auto, an das man sich noch lange erinnern wird. Beileibe kein Top-Model, doch schon längst ein Kult-Modell.