Aus Fiat-Chrysler und PSA wird Stellantis
Ein neuer Auto-Gigant: Stellantis will VW und Toyota angreifen. Der Zusammenschluss der Peugeot- und der Fiat-Gruppe umfasst 14 Marken.
Nun ist es offiziell: Die französische Groupe PSA und FIat-Chrysler haben sich zum neuen Autoriesen Stellantis zusammengeschlossen. Der bisherige PSA-Chef Carlos Tavares ist neuer Konzernchef. Was hat er vor? In einer virtuellen Pressekonferenz steht der neue Herr über rund 400.000 Mitarbeiter Rede und Antwort. Seine Kernbotschaft: Die Mitarbeiter sollen die Fusion nicht als Bedrohung verstehen, sondern als Schutzschild. Marken und Werke sollen vorerst nicht stillgelegt werden. Der Manager sieht viel Potenzial in der gemeinsamen Entwicklung und der gemeinsamen Nutzung von Plattformen, vor allem in Hinblick auf die Elektromobilität.
Die Konzernflotte von derzeit 29 Modellen mit reinem E-Antrieb oder Plug-in-Hybride soll noch bis Ende 2021 auf 39 wachsen. Ab 2025 soll es in jeder neuen Modellreihe mindestens ein Elektroauto geben. Bislang hat vor allem FCA da noch viel Nachholbedarf: Erst seit diesem Jahr bietet etwa Jeep in den meisten Modellen Hybridoptionen an, Fiat hat einen elektrischen 500 vorgestellt. Die Marken der PSA-Gruppe, also Peugeot, Citroen, Opel und DS, haben allesamt schon erfolgreich Elektroautos gestartet.
Konzentration auf die Stamm-Märkte
Für Marken wie Alfa Romeo oder Fiat mit wenigen modernen Modellen könnte die Fusion eine neue Chance sein, sagt Carlos Tavares. Neue Modelle könnten sich durch Skaleneffekte und gemeinsam genutzte Komponenten eher rechnen als bisher.
Aus diesem Grund will Stellantis vorerst keine Marken abwickeln, sondern zunächst prüfen, wie sie mit den neuen Möglichkeiten attraktive Produkte auf den Markt bringen können. Konkrete Modellpläne nennt Tavares bisher nicht. Wahrscheinlich ist, dass Fiat und Jeep ihre veralteten Plattformen für Frontantriebs-Modelle künftig auf PSA-Architekturen stellen. Bei Klein- und Kompaktwagen verfügen die Franzosen über geeignete Plattformen. Fiat bringt in die Ehe neben effizienten Mildhybrid-Systemen und erfolgreichen Kleinwagen etwas ein, das PSA bisher fehlt: Heckantriebs-Plattformen und große Motoren etwa, im Programm der Marken Alfa Romeo und Maserati. Zudem verfügt Chrysler über ein passendes Angebot für den US-Markt mit großen Pick-ups wie dem Ram 1500. Mindestens ebenso wertvoll ist für PSA das riesige Chrysler-Händlernetz in den USA. Vorerst jedoch sollen Peugeot oder Opel davon nicht profitieren. Vielmehr sollen sich die Marken auf ihre angestammten Märkte konzentrieren, so Tavares. In den USA wird es also vorerst keine Peugeot-Händler geben, die Marken Chrysler und Dodge werden in Europa weiterhin nicht zum regulären Angebot zählen.
Opel gilt Tavares als Musterbeispiel dafür, wie Produktion und Entwicklung verschlankt werden können. Nach langen Jahren mit hohen Verlusten sei es Opel im PSA-Verbund innerhalb kürzester Zeit gelungen, wieder profitabel zu werden. Werksschließungen, so betonte er, werde es bei Stellantis nicht geben. Stattdessen wolle man an anderen Stellschrauben drehen. Welche das sein sollen, ließ er vorerst offen. Allerdings warnt Tavares vor allem in Richtung Fiat, dass jedes Werk sich bei der Profitabilität konzern-intern messen lassen müsse.
2019 verkauften die Stellantis-Marken insgesamt rund acht Millionen Fahrzeuge weltweit. Vor allem in Europa und Nordamerika sind sie stark, ebenso in Nordafrika und Osteuropa. In China, gibt Tavares zu, haben beide bisherigen Konzerne noch Nachholbedarf.
Stellantis: Die aktiven Marken und ihre Bestseller
Das Stellantis-Portfolio umfasst 14 Marken: italienische, deutsche, französische, englische und amerikanische. Wir stellen die Marken und ihr jeweils erfolgreichstes Modell kurz vor.
Peugeot
Die französische Traditionsmarke mit ihrer bewegten Vergangenheit bildet nach wie vor das Herz von PSA. Die bisherige Gruppe gehört zu guten Teilen der Familie Peugeot sowie zum kleineren Teil dem französischen Staat. Zu den erfolgreichsten Modellen gehören der Ende 2019 komplett erneuerte Kleinwagen 208 sowie das davon abgeleitete Mini-SUV 2008. Neben der Pkw-Linie ist Peugeot ein starker Anbieter von leichten Nutzfahrzeugen.
Groß geworden: Im Vergleich zum Vorgänger bietet der Peugeot 2008 II mehr Platz.
Opel/Vauxhall
Opel und die britische Schwestermarke Vauxhall wechseln 2017 von General Motors zu PSA und haben seitdem das Modellangebot verkleinert, aber die Profitabilität deutlich verbessert. Erfolgreichstes Modell ist der Kleinwagen Corsa, der sich mit dem Peugeot 208 die Technik teilt. 2020 war der Corsa in Deutschland der erfolgreichste Kleinwagen, auch wegen der hohen Nachfrage nach dem elektrischen Corsa-e. Auf Rang zwei der Opel-Verkaufscharts folgt der kompakte Astra, der 2021 neu vorgestellt wird. Zudem startet die Marke mit dem neuen Mokka ihr bisher erfolgreichstes SUV-Modell neu.
Citroen
Die zweite französische Traditionsmarke in der PSA-Gruppe hat sich leicht unterhalb von Peugeot positioniert, mit günstigeren, einfacheren, aber auch frecheren Autos. So basiert ihr Kleinwagen C3 noch auf der Vorgänger-Plattform des 208. Fast ebenso ertragsstark ist der Hochdachkombi Berlingo. 2021 bringt die Marke mit dem neuen C4 ein neues Kompaktmodell auf den Markt.
Seit 2004 rollt der Citroën C4 auf den Straßen. Für das Jahr 2020 überarbeiten die Franzosen den Kompakten gründlich.
DS
Die Premium-Marke von PSA leiht sich den Namen vom legendären Citroen DS und setzt auf eigenständiges Design und hochwertige Innenräume. Das Markenprogramm befindet sich noch im Aufbau. Erfolgreichstes Modell ist der DS 7 Crossback, ein SUV am oberen Rand der Kompaktklasse. Daneben befindet sich der DS 3 Crossback im Programm. 2021 folgt die Limousine DS 9, zudem wird DS in Kürze einen DS 4 vorstellen. Der teilt sich die Technik mit dem nächsten Opel Astra.
Jeep
Die Marke Jeep geht zurück auf den Willy’s Militärjeep von 1943. Beim Zusammenschluss von Fiat und Chrysler ist die Geländewagen-Marke eine der wertvollsten Marken von amerikanischer Seite. Ziel: Jeep soll die globale SUV-Marke im Konzern werden. In den Folgejahren entstehen mehrere Jeep auf Fiat-Plattformen, etwa der Cherokee und der Renegade. Die Bestseller sind jedoch echte Amerikaner: Der Grand Cherokee basiert technisch noch auf Entwicklungen aus Daimler-Chrysler-Zeiten. Auf Platz zwei liegt mit dem Wrangler ein echter Geländewagen. Jeep ist im neuen Stellantis-Universum die erfolgreichste Marke in China.
Im Gelände zu Hause: Erst abseits der Straßen spielt der Wrangler seine Qualitäten richtig aus.
Ram
Aus dem Pick-up-Modell Dodge Ram entwickelt Chrysler 2009 die Nutzfahrzeug-Marke Ram, die seitdem auch einige Fiat-Modelle wie Fiorino und Ducato in Nordamerika vertreibt. Mit Abstand wichtigstes Modell ist dennoch der Fullsize-Pick-up Ram, der sich in den USA seit Jahrzehnten mit Ford F-150 und Chevrolet Silverado konkurriert. Während der Ford in den USA die Nase vorn hat, ist der mindestens 5,81 Meter lange Ram in Deutschland der beliebteste Fullsize-Pick-up – obwohl er hierzulande stets nur über freie Importeure erworben werden konnte.
Chrysler
Die namensgebende Kernmarke von Chrysler hat zuletzt einen Schrumpfungsprozess durchlaufen. Überlebt haben nur zwei Modelle: Neben der Limousine Chrysler 300, die in Europa kurzzeitig als Lancia Thema angeboten wurde, bietet die Marke aktuell nur noch den großen Van Pacifica an. Das erste Hybrid-Modell von Fiat-Chrysler nutzt auch die Google-Schwester Waymo als Versuchsträger für selbstfahrende Autos. Der 5,17 Meter lange Van erhielt 2020 ein umfangreiches Facelift.
Der Chrysler Pacifica ist der Nachfolger des Town & Country und bietet Platz für acht Passagiere.
Dodge
Mit rund 120 Jahren Markengeschichte zählt Dodge zu den traditionsreichsten Automarken der USA. In jüngster Vergangenheit schrumpft Chrysler die Marke vom Vollsortiment-Volumenanbieter zur Performance-Marke: Kern des Sortiments bilden das Pony-Car Dodge Challenger und den viertürigen Ableger Charger. Daneben führt Dodge derzeit nur noch das SUV Durango im Programm. Global setzt Chrysler Dodge außerdem als günstige Marke für FIat-Modelle ein.
Fiat
Die italienische Kernmarke des Fiat-Konzerns zählt weiterhin zu den großen europäischen Volumenmarken, hat ihre globalen Aktivitäten jedoch in den letzten Jahren deutlich reduziert. Ein Problem war zuletzt das überalterte Modellangebot. Das gilt auch für die Bestseller Panda und Fiat 500. Der “Cinquecento” ist beispielsweise in Deutschland der erfolgreichste Kleinstwagen, in Südeuropa verkauft sich auch der günstigere, praktischere Panda weiterhin blendend. Den Fiat 500 führt Fiat derzeit als elektrisch angetriebene Neuauflage in den Markt ein - während das alte Modell mit Benzin- oder Mild-Hybrid-Antrieb vorerst weitergebaut wird.
Seine niedliche Optik macht ihn äußerst beliebt - ein rundum stilvoller Kleinwagen
Abarth
Abarth ist Fiats Performance-Marke. Die Firma beschäftigte sich schon vor dem Verkauf an Fiat mit dem Aufbau von Rennautos auf Basis von Fiat-Modellen. Heute beschäftigt sich Abarth vor allem mit sportlichen Varianten des Fiat 500. Neben dem Abarth 595 und dem Abarth bietet die Marke auch den Roadster Abarth 124 an. Das Modell basiert auf dem Mazda MX-5.
Lancia Ypsilon
Einst strahlt Fiats sportliche Luxusmarke Lancia. Aber: Das heute wohl berühmteste Lancia-Modell stammt von 1979. Am Delta führt damals im Rallyesport kein Weg vorbei. Unter dem 2018 verstorbenen Konzernchef Sergio Marchionne stellt Fiat ein Modell nach dem anderen ein und zieht die Marke von den meisten Märkten zurück. Nur in Italien bietet Lancia heute noch den Kleinstwagen Ypsilon an. Der luxuriös ausgestattete technische Ableger des Fiat Panda ist dort nach dem Panda das erfolgreichste Automodell und vor allem bei gutverdienenden Städtern sehr beliebt.
Beim Panda setzt Fiat auf milde elektrische Unterstützung. Rein elektrisch lässt sich der Panda nicht bewegen.
Maserati
Noch eine italienische Traditionsmarke: Maserati bedient im Stellantis-Konzern das Luxussegment. Historisch wie technisch besteht eine enge Verbindung zu Ferrari. So produziert Ferrari bis heute Motoren für Maserati. Erfolgreichstes Modell ist das 2016 eingeführte SUV Levante. Daneben führt Maserati die Limousinen Ghibli und Quattroporte im Sortiment, ebenso seit 2020 den Supersportwagen MC20 mit 630 PS.
Mit bildschönen Sportwagen und schnellen Limousine wäre Maserati fast in die Pleite gefahren. Zum Retter wurde der SUV-Trend, den die Italiener mit dem Levante besonders erfolgreich bedienen. Dank des dynamischen Crossovers sind die Italiener auch in der automobilen Luxusliga wieder eine große Nummer, lagen beim Absatz zuletzt vor Bentley, Ferrari und Lamborghini.
Für ein Alltagsauto ist der Maserati eine Nummer zu hoch. Mit 4,55 Meter Länge und lebendigem Heck rollt er über den Asphalt.
Alfa Romeo
Unterhalb von Maserati will Fiat Alfa Romeo zuletzt im Premium-Segment als Wettbewerber zu BMW platzieren, mit sportlichen, luxuriösen Modellen “made in Italy” auf Hinterradantriebs- und Allrad-Plattformen. Aus der Kleinwagen- und Kompaktklasse hat sich die Marke vorerst verabschiedet. Die mit großen Hoffnungen gestarteten Modelle Giulia und Stelvio können die Absatzerwartungen zwar bisher nicht ganz erfüllen. Vom SUV Stelvio setzt Alfa Romeo 2020 dennoch immerhin rund 1.500 Exemplare allein in Deutschland ab.