Ferrari F40: Super-Trumpf von 1988
Mit Askese und Turbos zum Geschwindigkeitsrekord: Der Ferrari F40 konkurriert mit dem Porsche 959 – und einem Damenhintern. Alles zur Autobahnlegende.
Ohne Luxus, aber mit Tempo in die Kinderzimmer: Warum der Ferrari F40 mit einem Damenhintern konkurriert.
Pubertierende Jungs um 1990 haben bei der Dekoration ihrer Zimmerwände im Grunde nur zwei Optionen: Entweder „Tennis Girl“ von Martin Elliot, die ihr Kleid lupft und den blanken Po zeigt. Oder der Ferrari F40. Andere Poster existieren, sind aber irrelevant. Weil der Hintern für Mama und Papa noch als Kunst durchgeht. Und der Ferrari fast genauso sexy aussieht.
Der F40 ist zu einer Zeit Supersportwagen, als kaum jemand weiß, was das ist. Er ist der schnellste aller Ferrari. So sieht er auch aus. 324 Klamotten* Spitze und 478 Peesen* stechen im Autoquartett sogar die heißen Dinger von Porsche und Lambo weg. Trotz eines Hubraums von nur 2.936 Ce-Ce-Mücken*: Der Super-Trumpf kommt aus Maranello.
Der Henkel am Heck, die unzähligen Luftein- und auslässe, die drei Auspuff-Trompeten in der Schürze und die flache Front mit dem gleichgültigen Blick – wer soll das Teil denn bitte überholen können?! Mit dem Jubiläumsmodell zum 40. Ferrari-Geburtstag gelingt der Marke eine Ikone, der sich kaum jemand verweigern kann
• Motor: 2,9-Liter-V8
• Leistung: 479 PS
• 0-100 km/h: 4,1 s | Vmax: 324 km/h
Der Ferrari F40 in Kürze
- Jubiläumsmodell zum 40. Ferrari-Geburtstag
- Mittelmotor-Renner mit Gitterrohrrahmen und Kunststoffkarosserie
- Leergewicht: 1.254 kg
- V8-Biturbo-Mittelmotor mit 478 PS
- Ohne Servolenkung, Bremskraftverstärker, ABS
- Bei der Premiere das schnellste Auto der Welt
Ferrari F40 mit kompromisslosem Leichtbau
Während auf dem Schulhof nach der Eigenschaft „sauschnell“ die Diskussion vorbei ist, wird sie für Autofahrer dann erst richtig interessant. Tempo ist primitiv, aber der F40 ist raffiniert. Seine große Stärke ist sein Gewicht. Schlanke 1.254 Kilogramm stehen im Datenblatt. Eine zeitgenössische Einordnung: Er wiegt 200 Kilo mehr als ein Golf GTI 16V (139 PS), aber 150 Kilo weniger als ein Mercedes 190E 2.5-16 (204 PS).
Um überhaupt in diese Region zu kommen, verzichtet Ferrari im F40 auf alles, was man nicht unmittelbar zum Fahren braucht. Dazu gehören: Dämmung, Verkleidungen, Lederpolster, ein Radio, eigentlich fast alles Elektrische, Seitenfester aus Glas, Servolenkung (trotz 245er Breitreifen vorn) und sämtliche Helferlein. Im Ferrari F40 gibt es nicht einmal einen Bremskraftverstärker, geschweige denn ABS. Er verzögert also ungefähr so wie ein modernes (leichtes) Auto mit abgeschaltetem Motor.
Den F40 zu fahren bedeutet: Arbeit. Das einzige Zugeständnis an den persönlichen Luxus ist eine (immerhin serienmäßige) Klimaanlage. Die braucht er, denn mit großen Fenstern und einem Motor, der viel Wärme abgibt, wird es schnell heiß im F40-Cockpit. Wer in dieser Umgebung am kleinen Lenkrad zerrt und sich mit aller Kraft auf die Pedale stemmt, der genießt jeden kühlenden Luftzug. Von draußen kommt wenig Frische rein. Frühe Modelle haben Makrolonfenster, die sich nur zum Teil aufschieben lassen.
Eine große Cola passt im McDrive nicht durch das kleine Fensterloch. Nicht schlimm, einen Getränkehalter gibt es im F40 sowieso nicht. Und auf dem verwinkelten Weg auf die Rückseite der Burgerbude sollten ein bis zwei Helfer auf Spoiler und Felgen aufpassen. Der F40 ist kein Auto für Poser, sondern eines für Fahrer. In der Seele des Ferrari F40 steckt Rennsport.
1982 eröffnet Mercedes mit dem 190 E eine ihrer erfolgreichsten Modellreihen.
Technik des Ferrari 288 GTO im F40
Enzo Ferrari veranlasst die Entwicklung des F40. Es ist das letzte Auto, das „Il Commendatore“ verantwortet. Er stirbt im August 1988 im Alter von 90 Jahren – wenige Monate nach der Premiere des F40.
Auslöser war ausgerechnet die Vorstellung des Porsche 959 . Das Auto aus Zuffenhausen läuft 317 km/h Spitze, damals der Weltrekord für Serienautos. Enzo Ferrari will den Titel zurück. ER überzeugt die Konzernmutter Fiat vom Projekt mit dem vorläufigen Namen „Le Mans“. Der F40 ist damals kein komplett neues Auto. Unter seiner Karosserie steckt viel Technik aus dem Ferrari 288 GTO. Der Autobauer übernimmt den Gitterrohrrahmen und Teile des Antriebs. Das Team um Chefentwickler Nicola Materazzi verstärkt das Fahrwerk und überarbeitet den Motor. Im F40 soll wieder ein V8 mit zwei Turboladern zum Einsatz kommen. Um auf Rekordtempo zu kommen, muss der aber stärker werden.
Materazzi vergrößert den Hubraum von gut 2,8 auf etwas mehr als 2,9 Liter und schraubt neue Turbos des japanischen Zulieferers IHI an die Abgaskrümmer. Mit einem Druck von 1,1 bar pusten die Lader den V8 auf 478 PS auf. Genug für theoretische 324 km/h Höchstgeschwindigkeit. Tester bestätigen immerhin 321 km/h. Sei es drum: Es reicht, um den Porsche zu überholen.
Für die Hinterreifen ist es sogar beinahe zu viel Kraft. Die 335er Gummis verlieren den Kampf um die Traktion in niedrigen Gängen, sobald die Turbos Druck aufbauen. Sie sind schuld daran, dass der F40 im Test der „Auto, Motor und Sport“ erst nach langen 4,6 Sekunden auf Tempo 100 kommt. Weitere 6,4 Sekunden später zeigt der Tacho schon 200 km/h an.
Ferrari F40: Viel Kraft, aber schludrige Arbeit
Tester schwärmen seinerzeit von einer brutalen Beschleunigung und der Handlichkeit des leichten Autos, außerdem von der perfekten Ergonomie. In der Retrospektive küren sie ihn zum besten Supersportler der späten 1980er und wünschen sich ein Auto wie den F40 zurück. Allerdings erlaubt sich der F40 ordentlich Starallüren – als wisse er, in wie vielen Kinderzimmern sein Antlitz die Wände ziert. Das Auto sei dilettantisch zusammengezimmert, knarze und ächze und funktioniere nur halb, mäkeln Tester. Manche Gänge würden nicht in die Gassen rutschen, die Fenster nicht öffnen und so weiter. Zudem sei die Konstruktion mit Gitterrohrrahmen veraltet, vor allem im Vergleich zum technisch überlegenen Porsche 959.
In einem Punkt stimmen alle Tester überein: Der F40 ist ein anstrengendes Auto. Der Motor brüllt derart laut in den Innenraum, dass sich mancher F40-Besitzer einen Gehörschutz in Wagenfarbe lackieren lässt. Mehr als 100 Kilometer am Stück seien ohnehin kaum leistbar. Nach einer halben Stunde Action wünsche man sich eine Dusche, ein kaltes Getränk und ein Nickerchen. Das weiß kaum ein Poster-Besitzer. Andererseits: So manch Heranwachsender hat ähnliche Gefühle beim Anblick von „Tennis Girl“.
Ein teures Spielzeug: Der seltene Sportwagen kommt 1987 auf den Markt und gilt als Technikwunder seiner Zeit.
Ferrari F40: Marktlage, Kaufberatung
Ferrari sucht sich die Käufer des F40 aus. 450 Stück sollen zum Preis von 444.000 DM an besonders treue Kunden gehen. Die Nachfrage treibt das Angebot nach oben, Ferrari baut insgesamt 1.315 Exemplare. Fast alle lackiert der Hersteller in Rosso Corsa. Nur ungefähr zehn Autos tragen gelben Lack, zwei sind ab Werk schwarz. Der Sultan von Brunei kauft das einzige weiße Auto.
Als Enzo Ferrari stirbt, explodieren die Preise des F40, obwohl er noch gebaut wird. 1989 wird ein F40 für 3,2 Millionen DM versteigert. Ein neues Auto kostet zu diesem Zeitpunkt weniger als ein Sechstel dieser Summe. Die Blase platzt wenig später, die Preise stürzen in den Keller. Kurz nach der Jahrtausendwende liegt der Zeitwert gerade so auf Höhe des Neupreises. Mittlerweile kosten sie wieder mehr als eine Million Euro. Bei mobile.de sind aktuell (September 2020) sieben Ferrari F40 inseriert, zwei davon in Deutschland.
Wer sich ernsthaft für das Auto interessiert, sollte unbedingt in einen Experten investieren. Manch eine schlechte Naht lässt sich nicht eindeutig als Unfall oder Qualitätsstandard identifizieren. Ob die Turbolader original sind, die Heizdrähte funktionieren und das Auto für den europäischen Markt gebaut wurde, erkennt nur ein Gutachter sofort. Ein defektes Aktivfahrwerk bedeutet Stillstand, denn einige Ersatzteile sind nicht verfügbar. Immerhin: Heute hat Ferrari kein Mitspracherecht, wer einen F40 kauft.
Mit dem 308 ging Privatdetektiv Tom Selleck in "Magnum" auf Verbrecherjagd.
Ferrari F40: Technische Daten
Modell | Ferrari F40 |
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Motor | 2,9-Liter-V8-Mittelmotor, doppelte Turboaufladung |
Leistung | 478 PS (352 kW) b. 7.000 U/min |
Drehmoment | 577 Nm b. 4.000 U/min |
Antrieb | Fünfgang-Schaltgetriebe, Heckantrieb |
0-100 km/h | 4,1 s (Werksangabe), 4,6 s (Test) |
0-200 km/h | 11,0 s |
Geschwindigkeit | 324 km/h (Werksangabe), 321 km/h (Test) |
Verbrauch | 20 l/100 km |
Länge | 4.358 mm |
Breite | 1.970 mm |
Höhe | 1.124 mm |
Radstand | 2.450 mm |
Leergewicht | 1.254 kg |
Neupreis Ferrari F40 (1988) | 444.000 DM |
Marktlage (2020) | mindestens 1.000.000 Euro |
* Der Schulhof-Slang in den 1990er Jahren: Aus km/h werden Sachen, aus Sachen Klamotten. PS spricht man Peesen aus, Kubikzentimeter (ccm) heißen „Ce-Ce-Mücken“. Die Höchstdrehzahl wird übrigens in „Umien“ (U/min) angegeben.