Fahrschulautos: Vier Geschichten aus vier Jahrzehnten
Jeder Autofahrer erinnert sich an sein Fahrschulauto. Unsere Rückschau zeigt: Sie bewegen viel mehr als Schüler und ihre Lehrer. Vier Erinnerungen an Ikonen.
Egal, wie lange es her ist: Jeder Autofahrer erinnert sich an sein Fahrschulauto. Es prägt uns viel länger als für die Dauer einer Fahrt. Und bewegt uns selbst Jahrzehnte nach bestandener Prüfung. Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen der Wahl des ersten Autos und jenem Modell, mit dem wir das Autofahren gelernt haben.
Heutzutage handelt es sich meistens um VW Golf oder Tiguan – laut Bundesverband der Fahrlehrerverbände (BVF) sind das die häufigsten Fahrschulautos. „Auch Audi stellt einen hohen Anteil. Ford war zwischendurch mal sehr angesagt. Modelle wie der Escort oder der Focus tauchen inzwischen aber seltener auf“, sagt der BVF-Vorsitzende Dieter Quentin gegenüber dem mobile.de-Magazin.
Was war Euer erstes Fahrschulauto? Diese Frage stellen wir vier (nicht namentlich genannten) Personen aus dem Umfeld von mobile.de. Heraus kommen Geschichten, die viel über klassische und aktuelle Automobil-Ikonen erzählen. Darüber, was bei der Führerscheinausbildung von Ort und Epoche abhängt. Und darüber, was vielleicht ewig bleiben wird.
1974, Hamburg: VW Passat I (1973) und die Maximalform der Konstante
Paragraf 2 Absatz 17 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) besagt: „Rund um das 15. Lebensjahr dürfen Personen das Fahren auf leeren Supermarkt-Parkplätzen ausprobieren, solange sie die Reihe geparkter Einkaufswagen nicht umnieten.“ Quatsch, das findet sich natürlich an keiner Stelle des Straßenverkehrsgesetzes. Und doch ist es gelebte Praxis und eine große Konstante über die Jahrzehnte hinweg: Bei der ersten Fahrstunde handelt es sich selten um die erste Fahrt. Schon gar nicht, als sich ein 17,5-Jähriger aus Hamburg Mitte der 70er-Jahre hinter das Lenkrad von Volkswagens größter Konstante setzt: Der Passat debütiert zwei Jahre vor dem Golf, damals als 4,2 Meter langes Fließheck-Modell.
Damit überragt Generation I des Mittelklässlers ein bestens bekanntes Auto um 20 Zentimeter. Treibt die andere Achse an. Klingt grundlegend anders – es ist ein VW Käfer, bei dem der Fahrschüler bereits Jahre zuvor erstmals eine Kupplung kommen lässt. Bald darauf kommt behände das Heck: Wenn der eigene Vater Deutschlands erste Fahrsicherheits-Kurse auf abgesperrten Flächen gibt, fällt eben dynamische Fahrzeit für den Filius ab. Denn wenn die Teilnehmer den Seminarraum verlassen, sollen ihre Leih-Autos für die Praxis-Einheiten bereits auf Betriebstemperatur sein – jede Wette, dass sie es waren! Damit sitzen die fahrtechnischen Grundlagen bei der ersten Fahrt im Passat Baujahr 1973 bereits. Und die kognitiven Kapazitäten werden frei für die technischen Unterschiede: Wasserkühlung und Frontantrieb hebt heute kein Hersteller mehr in seiner Broschüre groß hervor. Doch die daraus resultierenden Vorteile ziehen beim Passat B1 bis heute. Also thermische Belastbarkeit und mehr als 1.000 Liter Platz (beim Kombi) – in einem Kofferraum, der keinerlei Platz für Antriebs-Komponenten lassen muss.
55 PS liefert der frühe Fahrschul-Passat mit 1,3 Litern Hubraum und vier Brennräumen. Darüber bietet VW den Passat B1 mit 1,5 und 1,6 Litern Hubraum und Leistungen von 75 bis 85 PS an. Ab 1979 kommt der heutige Youngtimer in seiner stärksten Form: Den GLI treibt ein 110 PS starker 1,6-Liter-Einspritzer an – ein ähnliches Aggregat, das Volkswagen rund um diese Zeit im GTI einsetzt. Ab 3.500 Euro gibt es auf mobile.de toll erhaltene Exemplare. Wir erwarten beim zweitürigen Modell den höchsten Wert-Zuwachs. Für die ersten Fahrversuche des Nachwuchses empfehlen wir dagegen ein weniger rares Modell – ganz egal, wie nah die geparkten Einkaufswagen stehen.
Der Variant ist die meistgebaute Passat-Variante.
1990, USA: Chrysler Voyager I (1989) und der doppelt voluminöse Start
Es geht um Freiheit und ungeahnte Weiten, bereits kurz vor der Führerschein-Ausbildung. Ein 16-Jähriger geht zum Schüleraustausch in den Westen der USA. Und kehrt mit Erfahrung auf einem Auto zurück, das tendenziell keine deutsche Fahrschule führt: Der Chrysler Voyager Generation 1 misst beinahe fünf Meter und bietet genug Sitzplätze für ein halbes Team einer Junior-Soccer-League.
Es handelt sich um den Daily-Driver der Gastfamilie, denn ein klassisches Fahrschulauto mit sechs Pedalen ist in den Staaten unüblich. Der Van verfügt mit 3,0 Litern über rund doppelt so viel Hubraum wie Ausbildungsfahrzeuge im heutigen Zentral-Europa. Bei der Zylinderzahl übertrifft der V6-Benziner die gängigen Modelle um zumindest zwei Brennräume. Doch bei der Literleistung schlagen Fahrschulfahrzeuge der alten Welt zurück, damals wie heute: 140 PS zieht Chryslers Saugbenziner aus seinem Volumen, reicht sie über eine Dreigang-Automatik an die Vorderachse. Bei der Prüfung in Übersee läuft es im Voyager, deutsche Behörden werden den Lappen später anerkennen.
Nach Europa findet der Voyager erst in der rundlichen, dritten Generation in großer Stückzahl (auf mobile.de ab 800 Euro fahrbereit mit HU). Doch die klassische Vorstellung vom US-Van treffen die beschriebene Generation I (1983 bis 1990) sowie Generation II (bis 1995) eher. Ab rund 2.500 Euro kosten diese Kanten auf mobile.de – inklusive Innenraum mit (fast) unbegrenzten Möglichkeiten.
Die Produktion der amerikanischen Großraumlimousine startete 1983. Nach 33 Jahren und fünf Generationen endete sie.
2005, Österreich: VW Golf II GTI (1986) und das harte Prüfer-Leben
Rückblick in eine Zeit, als Menschen polyphone Klingeltöne im Jamba-Spar-Abo erstehen – früher war eben nicht alles besser. Und manche Position im Automobilbereich erst im Entstehen: Legende. Wertanlage. Gefragter Youngtimer. All diese Attribute treffen auf einen VW Golf II GTI an jenem grauen Winter-Nachmittag noch nicht zu. Klar, Sportfahrer wissen damals um das Potenzial des 112 PS starken und rund 1.000 Kilogramm leichten Fronttrieblers. Und Tuning-Fans verwirklichen sich an der zweiten Generation des Kompaktsportlers. Jener Führerschein-Prüfer, der sich leicht entnervt auf die Rückbank des Dreitürers zwängt? Gehört tendenziell keiner der beiden Gruppen an.
Beim grauen Modell aus dem Baujahr 1986 handelt es sich um ein Privatfahrzeug. Als Ausbildungs- und Prüfungsfahrzeug geht es laut den Statuten der österreichischen L17-Ausbildung (Start mit 16, Prüfung ab 17 Jahren) in Ordnung. Basis-Anforderung: Der Ausbilder muss den Handbremshebel erreichen können.
Das Alter des Autos zählt nicht, der technische Zustand schon. Was den Prüfer in Sitzreihe zwei sichtlich beschäftigt: das Fahrwerk. Die Koni-Dämpfer mit Eibach-Federn sind wegen gelegentlicher Einsätze im Automobil-Slalom bretthart. Der Mann von der Behörde genießt das nicht, aber schweigt.
Aus Fahrer-Perspektive bietet dieses Fahrschul- und Prüfungs-Mobil Vorteile: Man sieht die Kanten der Motorhaube, kann die Enden beim Parken gut abschätzen. Als Nachteil bleibt der Tacho des damals knapp zwei Jahrzehnte alten Golf in Erinnerung: Während aktuelle Modelle minimal übertreiben, zeigt die Nadel dieses Kat-losen GTI 8V hoffnungslos zu viel an. Und wer kann einem Führerschein-Prüfer schon stimmig erklären, dass „10 drüber“ okay gehen?
Die Nadel bleibt damals im passenden Tempo-Bereich, der Golf in Familienbesitz. Dort befindet sich der Kompaktsportler noch heute. Unverbastelt, die Federbeine ausgenommen. Derartige Modelle sprengen auf mobile.de längst die Marke von 10.000 Euro. Tendenz: steigend. Langsam, aber doch. Noch stimmt die Sache mit der Wertanlage also.
Die Speerspitze der Zulassungsstatistik: Der Bestseller aus Wolfsburg geht in die achte Generation.
2019, Dortmund: Tesla Model S und neue Helden für die Jugend
Die Fahrschule als Spiegelbild der deutschen Autolandschaft? Nicht ganz: Während die Umweltprämie der Bundesregierung den Absatz von Elektroautos zuletzt ankurbelt, spielt die Elektromobilität in der Fahrschul-Ausbildung numerisch keine Rolle. Es ist eine direkte Konsequenz der mäßigen Nachfrage – und die hängt am rechtlichen Rahmen: Wer in Automatik-Autos die Ausbildung absolviert, darf keinen Handschalter fahren. Und als solche zählen moderne E-Autos mit Eingang-Getriebe und zwei Pedalen. Immerhin: Eine Novelle entschärft ab 1.4.2021 die Situation. Dann langen 10 Fahrstunden im Handschalter.
Es ist das mögliche Ende einer seltenen Diskrepanz: mäßige Nachfrage bei hohem Interesse. Denn mancher Technik-Student unserer Zeit spricht Tesla mindestens so ehrfurchtsvoll aus wie die Namen italienischer Sportwagenbauer. Einen von ihnen fasziniert dabei besonders das Model S aus der oberen Mittelklasse.
Mit der 4,9 Meter langen Fließheck-Limo absolviert er die gesamte Ausbildung. Aktuell legt er seine Fahrten im Verbrenner-Leihwagen mit Automatik zurück – das erste eigene Auto soll rein elektrisch fahren. Ab rund 30.000 Euro beginnen auf mobile.de die Preise für Tesla Model S mit gültiger HU – noch passen Kleinwagen wie der Renault Zoe (ab rund 5.000 Euro zzgl. Batterie-Miete) besser zu Budget und urban-studentischem Lebensstil.
Der E-Motor im Model S leistet 422 PS. Bis Tempo 100 vergehen 4,4 Sekunden.