Extreme Kleinwagen
Bequem, praktisch, günstig? Von wegen. Diese Kleinwagen sind stark, laut, unpraktisch und atmen Rennluft. Das Schönste: Die meisten kann man sogar kaufen.
Platz für große Unvernunft ist in der kleinsten Karosserie. Kleinwagen dienen der günstigen, komplikationsarmen Bewältigung des Alltags – meistens. Aber Fahrzeugingenieure sind im Grunde auch nur große Jungs und dürfen das hin und wieder unter Beweis stellen. Dann werden aus braven Zweit- und Stadtwagen knüppelharte Rennmaschinen mit Riesenmotoren und allenfalls winzigen Ablagefächern. Ein riesiger Motor in einem winzigen Auto, ein sensibles Renngetriebe und hautenge Schalensitze in einem Breitbau-Einkaufswagen? Gibt es, direkt vom Hersteller. Als Einzelstück oder als in Handarbeit zusammengeschraubte Kleinserie. Das Schöne daran: Einige kann man sogar kaufen, auch wenn sie meist teurer sind als “richtige” Sportwagen. Überraschung: Einer ist sogar erst seit Kurzem auf dem Markt.
Die extremen Sport-Kleinwagen
- Renault Clio V6 24V
- Aston Martin V8 Cygnet
- Suzuki Swift Hayabusa
- Abarth 695 Biposto
- VW New Beetle RSI
- Toyota Yaris GR
Renault Clio V6 24V
Wer baut einen schnöden Kleinwagen mit Sechszylinder in Serie? Renault. Mit dem R5 Turbo, einem Rallye-Homologationsmodell, schaffen die Franzosen 1980 nach diesem Muster eine Legende. Der Clio V6 soll 1998 auf dem Pariser Autosalon eigentlich nur Werbung für die zweite Generation des Renault Clio sein. Normal ist, dass Fans und Presse solch extremen Studien “Bitte bauen” hinterherrufen. Nicht normal ist, dass Renault darauf hört und tatsächlich eine kleine Serie auflegt.
Renault beauftragt den Renntechniker Tom Walkinshaw mit der Konstruktion. Der stülpt den braven Clio komplett um: Aus dem frontgetriebenen Fünfsitzer wird ein heckgetriebener Zweisitzer. Die Karosse bekommt atemberaubende Pausbacken. Den Sechszylinder-Motor mit 3,0 l Hubraum platziert Walkinshaw in einem Verschlag hinter der verbliebenen Sitzreihe. Noch erstaunlicher: Das extreme Sondermodell überlebt sogar das Facelift des Basismodells. Die erste Version (226 PS) baut Walkinshaw in Schweden, die zweite (254 PS) produziert die Renault-Tochter Alpine in Frankreich – im Werk Dieppes, der Geburtsstätte des R5 Turbo.
Das Vergnügen, in einer winzigen Kleinwagen-Kabine mit einem großen Sechszylinder eingesperrt zu sein, kostet damals knapp 40.000 Euro. Immerhin fast 3.000 Kunden schlagen zu. Sie investieren klug: Für einen vergleichbaren Preis gibt es heute allenfalls Clio V6, die tatsächlich gefahren wurden. Im Depot-Sammlerzustand kostet ein Renault Clio V6 leicht 50.000 oder 80.000 Euro. Immerhin 12 Angebote finden sich im Dezember 2020 auf mobile.de. Die bei Alpine gebaute, stärkere Version ist etwas teurer.
Der Renault Clio mit Sechszylinder-Motor wird erstmals 1998 vorgestellt. Die Produktion übernimmt der Renntechniker T. Walkinshaw.
Aston Martin V8 Cygnet
Irre genug war allein diese Idee: 2011 präsentiert Aston Martin den Cygnet. Gedacht als “Zweitwagen für Aston-Martin-Besitzer", handelt es sich bei dem Dreimeter-Winzling um einen im Innenraum üppig mit Leder ausgeschlagenen, sonst weitgehend serienmäßigen Toyota IQ. Unter der Haube sitzt der originale Toyota-Antrieb mit 98 PS. Rund 800 Exemplare entstehen bis 2013, zu Preisen von rund 38.000 Euro.
Allerdings: Wer spleenig genug ist, für das Badge-Engineering eines Toyota-Massenmodells diesen Betrag auszugeben, hat mitunter einen Sonderwunsch. Ein (selbstverständlich britischer) Kunde bestellt bei Aston Martin einen Cygnet mit Aston-Martin-Motor. Die Entwickler konstruieren das komplette Auto neu, um einen Überrollkäfig herum. Sie bauen die Front neu auf und versetzen die Vordersitze, um Platz für den V8-Benziner mit 4,7 Litern Hubraum und 435 PS zu schaffen. Fahrwerk und Radaufhängung stammen ebenfalls vom Aston Martin Vantage. Die Rückbank entfällt, den Kofferraum füllt ein Rennsport-Stahltank aus. Ein Siebengang-Automatikgetriebe reicht die Kraft über eine Miniatur-Kardanwelle an die Hinterräder weiter.
Aston Martin nennt für den Frankenstein-IQ einen Sprintwert von 4,2 Sekunden auf 96 km/h und 274 km/h Spitze – schneller als der Teilespender Vantage. Ob der Kunde diese Leistung im 3,08 Meter kurzen Auto mit 2,02 Metern Radstand ausfährt, ist nicht überliefert. Wo der Aston Martin V8 Cygnet ein Einzelstück ist, gibt es für den regulären Cygnet durchaus Angebote. Auf mobile.de finden sich fünf Exemplare zum Verkauf (Stand: Dezember 2020). Preisvorstellung: zwischen 33.000 und 53.000 Euro. Viel Geld für einen Toyota IQ. Aber vielleicht angemessen für den krudesten Aston Martin der Neuzeit.
Der Cygnet ist der erste und einzige Kleinwagen von Aston Martin.
Suzuki Swift Hayabusa
Das kommt dabei heraus, wenn man einem japanischen Kleinwagen den Motor eines Rennmotorrads einpflanzt: Der Suzuki Swift Hayabusa “kombiniert Suzukis Kernkompetenzen im Kleinwagen- und Motorradbau”, umschreibt 2014 die offizielle Pressemeldung eine Biertisch-Idee mit Heckantrieb, 330 PS, dem Geräuschverhalten einer Granitfräse und dem Garverhalten eines Heißluftgrills.
Der ehemalige Rallye-Profi Niki Schelle baut den leistungsgesteigerten 1,3-Liter-Turbo eines 300-km/h-Motorrads in das Heck des komplett entkernten Suzuki Swift und tüftelt dann daran, das Ungetüm fahrbar abzustimmen. Wichtigstes Komfort-Feature: zwei kleine Seitenfenster, die den Garzeitpunkt der Insassen etwas nach hinten schieben. Wichtigstes Sicherheits-Feature: ein Fahrer, der den Wagen auch bei mehr als 8.000 U/min geradeaus lenken kann. Inoffizielle Messwerte: 0-100 km/h in rund 4 Sekunden, Spitze 190 km/h. Rund 65 Prozent der Motorleistung stauen sich als Abwärme im Innern des Autos. Eine ausreichende Motorbelüftung ist nur beim Fahren möglich.
720 Kilo wiegt Suzukis Giftzwerg, knapp 300 Kilo weniger als ein serienmäßiger Swift Sport. Eine Straßenzulassung gibt es selbstverständlich nicht. Einen Preis auch nicht, Baukosten: rund 60.000 Euro. Übrigens: Im ersten Suzuki Swift GTi zerrt 1986 ebenfalls ein fürs Motorrad konstruierter 1,3-l-Motor an der Antriebsachse. Leichter zu finden ist dessen Nachfolgemodell Suzuki Swift Sport. Rund 900 Angebote stehen zum Jahreswechsel auf mobile.de, bei rund 4.000 Euro wird es interessant. Nicht so interessant wie der Swift Hayabusa – dafür aber im Alltag nutzbar.
Beim Swift Sport setzt Suzuki auf Leichtbau. 1.045 Kilo inklusive Fahrer wiegt der kleine Sportler.
Abarth 695 Biposto
Dieser Fiat ist ein Radikal-Zwerg im Rahmen dessen, was die StVO gestattet – wenn auch mit Bauchschmerzen. 2014 entkernt die Fiat-Tochter Abarth den schnuckeligen 500er. Einen 1,4-Liter-Motor mit Vierventiltechnik bläst Abarth mittels Garrett-Turbo auf 190 PS auf. Der härteste Fiat 500 kommt ohne Rückbank (Biposto (it.): Zweisitzer), ohne Xenonlicht, ohne Klimaanlage und ohne Radio. Dafür mit Überrollkäfig, Polycarbonat-Seitenscheiben samt Schiebefensterchen, Sabelt-Gurten, Dog-Ring-Getriebe, Sperrdifferenzial und verstärkter Rennkupplung.
Kurz gesagt: Im Abarth 695 Biposto steckt nur das Nötigste für die Straße – aber alles Wichtige für die Rennstrecke. Nach rund 1.200 Exemplaren ist 2018 Schluss. Die Detailverliebtheit der Entwickler, die kleine Auflage und ein exklusiver Preis von 50.000 Euro (39.900 Euro Basispreis, 10.000 Euro Aufpreis für die Rennstreckentechnik) machen den Reiz des Biposto aus. So seriös ausstaffierte Track-Tools bauen sich Motorsport-Fans sonst selbst auf, hier bietet Abarth das komplette Paket ab Werk.
Einzige Frage neben “Wer soll sich das leisten?”: Führt man den Abarth seiner Bestimmung zu oder schont man ihn als Geldanlage? Dieser Fiat 500 lässt durchaus die Spekulation auf Wertsteigerung zu. Daran gemessen halten sich die Preise noch im Rahmen: 18 Exemplare stehen auf mobile.de im Dezember 2020 zum Verkauf. Darunter eines aus der nur 133 Mal aufgelegten Sonderserie Abarth 695 Biposto Record. Die meisten weisen niedrige Laufleistungen im vierstelligen Bereich auf. Los geht es bei 28.000 Euro, die meisten Biposto liegen zwischen 40.000 und 50.000 Euro.
Der Fiat 500 mit 1,4-Liter-Motor und 190 PS heißt Abarth 695. Ein Infotainment sucht man vergebens, der 695 bietet nur das Nötigste.
VW New Beetle RSI
Es hätte auch schiefgehen können. In den 1990er-Jahren setzt sich bei VW die Idee durch, der Nachfolger des Käfer müsse doch nicht Golf heißen. Der moderne Käfer findet vor allem in den USA als “New Beetle” (dt: “Neuer Käfer”) viele Fans. Noch vor dem modernen Mini tritt er einen Retro-Trend los, technisch ist er im Grunde ein Golf 4. Bis 2001. Da geht VW “all in” und pflanzt dem Beetle einen Sechszylinder ein. Der Beetle RSI kommt noch vor dem ebenso wahnwitzigen Golf R32 auf den Markt. Der Beetle ist jedoch deutlich seltener und teurer.
Einen VR6-Motor mit 2,8 Litern Hubraum pumpt VW zu diesem Zweck auf 3,2 Liter auf. Die Leistung beträgt 224 PS. Die Karosse verbreitert VW um amtliche 9 cm, der zusätzliche Hüftspeck der Spur braucht Platz. Auf dem Heck thront ein Bürzel-Spoiler. Von 0 auf 100 km/h geht es in 6,4 Sekunden, die Spitze beträgt 225 km/h. Ebenfalls extrem: Der Extrem-Beetle wird nur 250 Mal gebaut und kostet atemberaubende 136.000 Mark.
Daran gemessen ist er heute fast ein Schnäppchen: Um die 50.000 Euro kostet auf mobile.de der VW New Beetle RSI. Das streng limitierte Sammlerfahrzeug hat also an Wert verloren und seinen Ausgabepreis nicht gehalten. Immerhin sechs der 250 gebauten Exemplare stehen derzeit zum Verkauf und werden sogar gefahren: Zwischen 25.000 und 35.000 Kilometer Laufleistung geben die Händler an. Ein Exemplar hat sogar 62.000 Kilometer auf der Uhr und kostet “nur” 42.000 Euro. Im Vergleich dazu gibt es den Golf R32 fast geschenkt ab 15.000 Euro.
• Motor: Sechszylinder mit 3,2 Litern Hubraum
• 0-100 km/h: 6,6 Sekunden
• Geschwindigkeit: 225 km
Toyota GR Yaris
Kleinwagen wie diese gibt es 2020 nicht mehr, die Welt dreht sich nur noch um CO2 und teilautonome Notbrems-Assistenten. Fast. Auch die Toyota-Händler können es erst kaum glauben: Der Hybrid-Champion hat in seiner CO2-Flottenbilanz offenbar noch Raum für eine extreme Kiste. Toyotas Werkstuner Gazoo Racing (GR) liefert mit dem GR Yaris eine echte Hommage an die überzüchteten Extrem-Kisten der 1990er-Jahre. Obwohl die FIA-Reglements so seriöse Homologationsmodelle gar nicht mehr vorschreiben.
Im besten Sinne scheint dieser Toyota Yaris aus der Zeit zu fallen: Extra für die Sportversion entwickelt Toyota eine dreitürige Variante des fünftürigen Yaris. An den Vorderbau der Toyota-Kleinwagenplattform flanscht Gazoo Racing das Heck der Corolla-Plattform mit zwei Querlenkern. Grund: Der GR Yaris soll mit Allradantrieb fahren. Ein Mitteldifferenzial mit elektronisch angesteuerter Lamellenkupplung bestimmt die Kraftverteilung. Eine High-Performance-Version kommt zusätzlich mit Torsen-Sperrdifferenzialen an Vorder- und Hinterachse sowie verbesserter Ladeluftkühlung. Motorhaube, Türen und Heckklappe bestehen aus Alu, im Dach spart eine Carbonplatte Gewicht.
Der Motor (261 PS) orientiert sich mit 1,6 Litern Hubraum und Turboaufladung am Reglement der WRC-2-Rallyeserie. Mit geringem Aufwand lässt sich der Toyota für diese und ähnliche Serien modifizieren – oder man fährt damit einfach Brötchen holen. Der erstaunlich günstige Preis: 33.200 Euro, oder knapp 38.000 Euro mit High-Performance-Paket. Toyota nennt keine Limitierung und will ab November mindestens 25.000 Exemplare des GR Yaris bauen. Schön, dass das noch geht. Knapp 60 Angebote stehen auf mobile.de (Stand: Dezember 2020) und zeigen deutlich: Das bauen die wirklich.
Der sportliche Kleinwagen leistet 261 PS und beschleunigt über alle Räder in 5,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h.
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