Extra-Ausstattung als App und im Abo einfach laden
Auto-Updates „Over-the-Air” setzen sich durch. So lernen Assistenten dazu und Scheinwerfer werden smarter. Gebrauchtwagenkäufern eröffnet dies neue Optionen.
- Functions on Demand in Kürze
- So funktionieren die „Functions on Demand“
- Functions on Demand: Audi, BMW, Mercedes, Porsche, Tesla
- Tesla: Autopilot aus der Luft nachrüsten
- Audi: Matrix-LED und Parkassistent
- BMW: Sportliches Fahrwerk für den iX3
- Mercedes: Parken mit dem Handy
- Porsche: Spurführung und Servolenkung
- Functions on Demand für Gebrauchtwagenkäufer
Autos kommen heute nicht mehr fertig zu Ende entwickelt zum Kunden. Klingt gefährlich, geschieht aber mit Absicht: Autos stecken voll mit Software – und Software lässt sich erweitern, verändern und verbessern. Es ist das Smartphone-Prinzip: Das Potenzial wird von der Hardware vorgegeben, aber die tatsächlichen Funktionen bestimmen Betriebssystem und Apps. Ähnlich wie auf dem Smartphone lässt sich daher Ausstattung im Auto nachträglich installieren. Auch dann, wenn das Auto längst in zweiter oder dritter Hand ist.
Da moderne Autos genau wie Smartphones immer online sind, müssen sie dafür nicht mal in die Werkstatt. Neue Funktionen, Eigenschaften und komplette Extras lassen sich bequem „over the air“ (also: aus dem Handynetz) ins Auto übertragen. Und auch wieder abschalten, also auf Zeit buchen. „Functions on demand“ nennt die Industrie das. Wie es funktioniert, was die Hersteller anbieten und was es kostet, steht hier.
Functions on Demand in Kürze
- Ausstattung und Extras nachträglich im Update
- Software- und Hardware-Funktionen lassen sich updaten
- Aktualisierung über das Mobilfunknetz „Over-the-Air“
- Buchung auf Zeit oder dauerhaft
- Updates beim Gebrauchtwagen möglich
So funktionieren die „Functions on Demand“
Fast jedes Bauteil in modernen Autos wird von Software gesteuert. Nicht nur die offensichtlichen wie Infotainment- oder Navigationssystem. Steuergeräte bestimmen, wie und wann die Scheinwerfer strahlen, wie fest sich die Lenkung anfühlt, wie komfortabel das Fahrwerk federt oder wie spontan der Motor aufs Gaspedal anspricht.
Zwar existieren an fast allen Schnittstellen noch rein mechanische Verbindungen, doch wie sie zusammenarbeiten, wird oft elektrisch gesteuert und kann digital beeinflusst werden. Beispiel: Servolenkung. Noch vor wenigen Jahren regelt meist eine Hydraulik die Lenkkraftunterstützung. Vor allem aus Gründen der Effizienz stellen die Hersteller auf eine Servolenkung um, die über elektrische Stellmotoren die Lenkkraft steuert. Per Software lässt sich nun bestimmen, wie stark der Elektromotor hilft.
Zentraler Baustein der Updatefähigkeit ist die Verbindung zum Mobilfunknetz. Spätestens mit der Einführung des Notrufsystems eCall, mit dem seit März 2018 alle neu zugelassenen Fahrzeugtypen ausgestattet sein müssen, steckt immer eine SIM-Karte im Auto. Optional bauen sie viele Hersteller seit geraumer Zeit ein, beispielsweise für Live-Traffic-Daten. Damit sind die Voraussetzungen fürs Update aus der Luft gegeben.
Damit die Hersteller echte Hardwarefunktionen nachrüsten können, braucht es dennoch Handarbeit: Ein einfacher LED-Scheinwerfer beherrscht kein Matrix-Licht. Ohne bestimmte Sensoren sind manche Assistenzsysteme nicht umsetzbar. Folglich baut beispielsweise Audi immer Matrix-LED-Scheinwerfer in den Audi e-tron, auch wenn der Käufer einfaches LED-Licht bestellt.
Als letzte Voraussetzung muss das Betriebssystem im Auto die Updates verarbeiten können. Das funktioniert bei den meisten Autoherstellern erst seit Kurzem. Zwar steckt schon seit Jahren eine Unmenge an elektronischen Steuergeräten in den Autos. Doch erst über ein Betriebssystem, das mit den entsprechenden Steuergeräten kommunizieren kann, gelingen Updates reibungslos.
Die Mercedes X-Klasse stammt vom Nissan Navara ab, macht aber einiges anders.
Functions on Demand: Audi, BMW, Mercedes, Porsche, Tesla
Noch steckt das Geschäft mit den Updates Over-the-Air bei den meisten Herstellern in den Anfängen. In erster Linie Premium-Hersteller haben 2020 erste größere Versuche gestartet. Der Fokus des Geschäfts liegt noch auf reinen Software-Services. Updates, die Hardwarefunktionen ändern oder erweitern, kommen noch selten vor.
Tesla: Autopilot aus der Luft nachrüsten
Pionier der steten Aktualisierung des Autos ist Tesla. Die Fahrzeuge sind vom Start weg darauf ausgelegt, Updates Over-the-Air (OTA-Updates) zu empfangen. Böse Zungen behaupten: Sie wurden unfertig ausgeliefert, erst nach und nach wurden Bugs und Fehler ausgemerzt. Tatsache ist: Bereits 2017 erweitert der kalifornische Elektroautohersteller nach dem Hurrikan Irma in Florida die Reichweite einiger Fahrzeuge. So sollte Besitzern die Flucht vor dem Sturm ermöglicht werden. Bei den Basismodellen des Model S war nur die nutzbare Akkukapazität per Software limitiert – nicht aber der eingebaute Akku kleiner.
Den als „Autopilot“ bekannten Fahrassistenten rüstet Tesla ebenfalls auf Wunsch aus der Luft nach. Jedenfalls, wenn das Auto nach einem bestimmten Datum produziert wurde. Dann befindet sich das dafür nötige Kamerasystem standardmäßig an Bord. Beim Model 3 kostet das „volle Potenzial für autonomes Fahren“ 7.500 Euro. Wer später buchen möchte, zahlt genauso viel. Allerdings kündigt Tesla bereits Preiserhöhungen für künftige Funktionalitäten an.
Audi: Matrix-LED und Parkassistent
Audi hatte zunächst für den elektrischen e-tron weitreichende „Functions on Demand“ angekündigt. Seit Oktober 2020 rollt der Hersteller die Idee breiter aus. Der überwiegende Teil dessen, was online über „myAudi“ buchbar ist, betrifft eher klassische Software-Funktionen. So lassen sich die Smartphone-Standards Apple CarPlay und Android Auto, das große Navigationspaket oder ein digitales Radio nachträglich ins Auto holen. Ein Parkassistent ist ebenfalls verfügbar. Für den Audi e-tron bieten die Ingolstädter zudem nachträglich Matrix-LED-Scheinwerfer an. Je nach Modell und Markt unterschieden sich die Angebote, der e-tron kann am meisten.
Wer will, kann die Ausstattungsoptionen kaufen und so lange nutzen, wie das Auto hält. Matrix-LED kostet für den e-tron dann 1.450 Euro, also genauso viel wie bei Bestellung ab Werk. Audi bietet die Funktionen jedoch ebenfalls auf Zeit an. Ein Probemonat kostet zunächst nur einen Euro, weitere buchbare Zeiträume sind sechs Monate, ein Jahr oder drei Jahre. Wobei Matrix-LED für drei Jahre rund 700 Euro kostet. Ein halbes Jahr Matrix-LED gibt es für weniger als 150 Euro.
Weitere Extras sind in Planung, zum Beispiel die meisten Assistenzsysteme (Spurverlassenswarner, Verkehrszeichenerkennung etc.). Bei Elektroautos denkt Audi zudem über bessere Fahrleistungen per Update nach, also mehr Leistung für den E-Motor oder eine höhere Geschwindigkeit.
Der Audi e-Tron fährt bis zu 436 km rein elektrisch
BMW: Sportliches Fahrwerk für den iX3
BMW hat die Möglichkeiten zum Remote Upgrade mit dem sogenannten „Operating System 7.0“ massiv erweitert. Es kommt mit der jüngsten Generation des BMW X5 erstmals auf die Straßen. Im ersten größeren Update wird der „Intelligent Personal Assistant“ auch in Fahrzeugen installiert, die noch ohne ausgeliefert wurden. Außerdem bekommen einige Assistenzsysteme neue und bessere Funktionen.
Bestellt wird bei BMW über den „ConnectedDrive Store”. Das meiste, was es hier gibt, betrifft Dienste, die die Konnektivität erweitern. Sogenannte „Connected Packages“ enthalten je nach Ausbaustufe den Zugang zur Online-Sprachverarbeitung der Sprachsteuerung, Live-Traffic-Informationen, Karten-Updates Over-the-Air oder Concierge-Services. Doch es gibt auch einen Abstandstempomaten mit Stop-and-go-Funktion zum Freischalten oder den Fernlichtassistenten nachträglich für den BMW 1er. Beim neuen Elektro-SUV BMW iX3 gibt es zudem erstmals das sportliche M-Fahrwerk als „Remote Software Update“. Das straffere Fahrwerk kommt also aus der Luft. Preise dafür gibt es noch nicht.
Der letzte X5 der Baureihe E53 lief 2006 vom Band. Heute zählt das SUV zu den kommenden Klassikern.
Mercedes: Parken mit dem Handy
Aktuell lassen sich bei Mercedes-Benz im Online-Shop vor allem Angebote für Infotainment und Telematik nachträglich buchen. Viele davon sind Remote-Dienste, die ohnehin vorhandene Funktionen mit dem Smartphone vernetzen. Wer etwa einen Parkpiloten an Bord hat, kann dann per Handy parken. Zum Test bietet Mercedes den „Remote Park-Assistent“ sogar kostenlos an. Auch das große Navi lässt sich nachbuchen (dauerhaft für 638 Euro) oder das digitale Radio (dauerhaft für 232 Euro). Andere Dienste wie Live-Traffic-Informationen bucht man wahlweise auch auf Zeit (1 Jahr für 58 Euro).
Über weitere Anwendungsbereiche denkt Mercedes nach. Konkrete Pläne, beispielsweise Assistenzsysteme nachträglich freischalten zu lassen, gebe es jedoch nicht, so ein Sprecher. Technisch machbar sei das aber theoretisch.
Porsche: Spurführung und Servolenkung
Porsche setzt erstmals beim Elektroauto Taycan Functions on Demand um. Mit dem Modelljahr 2021 ab Oktober 2020 gibt es den aktiven Spurhalter nachträglich. Ebenso den intelligenten Tempomaten, der die Geschwindigkeit an Tempolimits, den Streckenverlauf und Kreuzungen anpasst. Porsche bietet die Assistenten ab 19,50 Euro monatlich oder für knapp 810 Euro dauerhaft an. Für 11 Euro im Monat oder 400 Euro einmalig optimiert der Taycan zudem Reisezeit und Reichweite per „Intelligent Range Manager“. Die geschwindigkeitsabhängig agierende Servolenkung Plus kommt für einmalig 320 Euro ins Auto.
Kein Verbrenner – trotzdem Turbo. Die zwei Synchronmotoren im Taycan Turbo leisten zusammen 625 PS.
Functions on Demand für Gebrauchtwagenkäufer
Als Neuwagenkäufer wird man hier und da etwas rechnen müssen. Wie oft brauche ich das gewünschte Feature eigentlich? Lohnt sich die gelegentliche „Miete“ der Funktion auf Abruf oder ergibt der feste Kauf mehr Sinn? Gebrauchtwagenkäufer profitieren leichter: Im Auto fehlt der adaptive Tempomat oder das Matrix-LED-Licht, weil es der Vorbesitzer nicht bestellt hat? Macht nichts, lässt sich nachbuchen. Weil sich die Ausstattung fürs Wunschmodell nachträglich ohne viel Aufwand ergänzen lässt, wächst die Auswahl auf dem Gebrauchtmarkt.
Zugleich bleibt die digitale Seite des Autos mit regelmäßigen Updates länger frisch. Kennt man vom Smartphone, auch dort erweitern Google oder Apple Funktionalitäten lange nach dem Kauf. Spannende Frage allerdings: Wie lange wird das jeweilige Modell mit Updates unterstützt? So weit sind die Autobauer noch nicht. Mit der durchschnittlichen Lebenszeit eines Autos sollten Kunden jedoch planen können. Die Frage könnte schließlich für Autokäufer zum Kaufargument werden, die planen, ihr Auto lange zu halten. Und für den Wiederverkaufswert am Gebrauchtmarkt.