Gebrauchtwagen-Zertifikat: Tesla Model 3 im Test

Auch die Pioniere von Tesla haben hierzulande mit rückläufigen Elektroauto-Verkaufszahlen zu kämpfen. Der US-Hersteller erklärt sich die Zurückhaltung potenzieller Käufer auch damit, dass viele Autofahrer denken würden, die Tesla-Welt gehe erst beim Model S und circa 100.000 Euro los. Das von Elon Musk geführte Unternehmen werde von vielen Menschen immer noch als teure Luxusmarke wahrgenommen.

Dabei haben die Amerikaner mit den Mittelklasse-Baureihen Model 3 und Model Y durchaus erschwingliche Modelle im Programm, die schon als Neuwagen ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Dies sei, nach Ansicht des Unternehmens, aber noch nicht bei der breiten Masse angekommen. Um diesem Vorurteil entgegenzuwirken und wahrscheinlich auch, um sich angesichts schwächelnder Verkaufszahlen breiter aufzustellen, hat Tesla das „Certified Pre-Owned“-Programm, kurz: CPO-Programm, ins Leben gerufen.

Das Wichtigste im Überblick

• Tesla bietet zertifizierte Gebrauchtwagen an.
• Ein Batterie-Zertifikat bekommt der Käufer nicht.
• Zusätzliche Fahrassistenzsysteme sind immer inbegriffen.

Lohnt sich der Kauf eines gebrauchten Tesla ab Werk? Auto-Journalist Elias Holdenried hat ein Model 3 Long Range aus dem CPO-Programm getestet:

Was ist das „Certified Pre-Owned“-Programm von Tesla?

Bei dem Programm handelt es sich vereinfacht gesagt um die Antwort von Tesla auf die „Jungen Sterne“ von Mercedes-Benz oder Audis „Gebrauchtwagen :plus“. Nach Aussage des Elektroauto-Herstellers werden die zertifizierten Gebrauchtwagen vor dem Verkauf von spezialisierten Tesla-Technikern sorgfältig überprüft und gegebenenfalls repariert. Dabei haken sie eine insgesamt 91 Punkte umfassende Checkliste ab. Selbstverständlich werden dabei nicht nur das Erscheinungsbild, das Interieur und die Reifen auf Herz und Nieren getestet, sondern auch die Technik, insbesondere die bei E-Autos extrem wichtige Batterie, das Fahrwerk und die Bremsen. Auch die Karosserie wird überprüft, um auszuschließen, dass der Tesla ein repariertes Unfallfahrzeug ist.

Mit dem Technik-Check und der Garantieverlängerung soll den Kaufinteressenten die Angst vor elektrischen Gebrauchtwagen genommen werden. Ein Batterie-Zertifikat, das über den Zustand und die Restkapazität des Akkus Auskunft gibt und für viele Kunden ein K.-o.-Kriterium darstellt, ist bei den zertifizierten Teslas jedoch nicht inbegriffen. Unverständlich, schließlich stellen eine starke Degradation oder eine beschädigte Batterie aufgrund der drohenden hohen Kosten für den Akkutausch die größten Risikofaktoren beim E-Auto-Kauf aus zweiter Hand dar – auch wenn die Stromspeicher oft mehr als 300.000 Kilometer und damit deutlich länger halten, als oft behauptet wird, und kapitale Schäden sehr selten auftreten.

Das kostet das Model 3 als zertifizierter Gebrauchtwagen

Tesla möchte mit den zertifizierten Gebrauchtwagen einen möglichst sorgenfreien und kostengünstigen Einstieg in die E-Mobilität ermöglichen. Dem Käufer eines Fahrzeugs aus dem CPO-Programm wird die Restlaufzeit der ursprünglichen Neuwagengarantie gutgeschrieben. Sie gilt über vier Jahre beziehungsweise 80.000 Kilometer. Im Zuge des CPO-Programms wird die verbleibende Garantielaufzeit um ein Jahr oder 20.000 Kilometer verlängert.

Laut Tesla sollen sich die Preise der zertifizierten Gebrauchtwagen im Mittelfeld einordnen, die angebotenen Autos sollen aber das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Die vom Werk aufbereiteten Autos haben nämlich immer das Fahrassistenzsystem „Enhanced Autopilot“ an Bord, für das normalerweise 3.800 Euro extra fällig werden. Dank dieser Ausstattung verfügen die Tesla-Modelle zusätzlich über einen Spurwechselassistenten. Zudem können sie unter gewissen Bedingungen auf der Autobahn selbstständig fahren sowie automatisch einparken. Wenn das Auto per App „herbeigerufen“ wird, fährt es selbstständig aus der Parklücke heraus.

Dennoch gibt es auf dem Gebrauchtwagenmarkt Tesla Model 3, die teilweise weniger Kilometer auf der Uhr haben und trotzdem weniger kosten. Zudem werden einige dieser Autos, die Privatverkäufer oder freie Händler inserieren, mit einem Batterie-Zertifikat ausgeliefert. Natürlich gibt es den Käufern ein sicheres Gefühl, wenn sie ihren im Vorfeld aufbereiteten Gebrauchtwagen direkt über den Hersteller erwerben. Eine konkrete Info über den Zustand und die Kapazität des Akkus würde Teslas Angebot trotzdem eine ganze Spur attraktiver machen.

Wie ist der Zustand des gebrauchten Tesla Model 3 im Test?

Bei dem von uns getesteten Tesla aus dem CPO-Programm handelte es sich um ein Model 3 Long Range, das als zertifizierter Gebrauchtwagen 32.000 Euro kosten soll, im November 2020 zum ersten Mal zugelassen wurde und in vier Jahren rund 65.000 Kilometer abgespult hat. Das Auto lief im kalifornischen Fremont vom Band, später kam der überwiegende Teil der in Deutschland verkauften Exemplare aus der Gigafactory in Shanghai. Den in China produzierten Model 3 wird eine verbesserte Verarbeitungsqualität nachgesagt.

Unser Testwagen aus dem Fuhrpark von Tesla Deutschland machte insgesamt einen ordentlichen Eindruck. Das Auto befand sich äußerlich in einem guten Zustand. Sowohl die Felgen als auch der Lack zeigten keine auffälligen Mängel. Bei den Spaltmaßen erfüllte das Model 3 jedoch die gängigen Klischees: Vor allem die Heckklappe war auf beiden Seiten ungleichmäßig eingepasst – das ist man von anderen Fabrikaten besser gewohnt. Wenn man ehrlich ist, spielt das im Alltag mit dem Auto kaum eine Rolle. 

Ähnlich sah es im Innenraum aus. An den billig wirkenden Kunstlederbezügen der Sitze und der Mittelarmlehne – seit jeher ein Kritikpunkt beim Model 3 – waren beim Testwagen keine übermäßigen Alterungserscheinungen erkennbar. Insgesamt wirkte das Interieur überraschend solide, fast wie bei einem Neuwagen. Ob Tesla hier im Rahmen des 91-Punkte-Checks nachgebessert hat, bleibt offen: Wo beim CPO-Programm bei den einzelnen Autos konkret nachgebessert wurde, kommuniziert der Autobauer nicht. Das Infotainmentsystem überzeugte, wie von Tesla gewohnt, mit seiner Vielzahl an Funktionen, dem logischen Aufbau und seiner schnellen Reaktionszeit. Der große Touchscreen in der Mitte des Cockpits war nicht so anfällig für Fingerabdrücke und Schmierer wie die Bildschirme vieler Konkurrenten.

Testfahrt im gebrauchten Tesla Model 3: Dynamik über Komfort

Das Model 3 Long Range des Modelljahres 2021 hat an beiden Achsen jeweils einen Motor, die Systemleistung gaben die Amerikaner bei dieser Version mit circa 440 PS (496 PS im Boost-Modus) an. Dies ermöglicht für ein Auto dieser Klasse ungewohnt sportliche Fahrleistungen. Das Model 3 Long Range beschleunigt in nur 4,6 Sekunden von null auf hundert und das Ende der Fahnenstange ist erst bei 233 km/h erreicht.

Der erste Millionenseller mit Elektroantrieb bleibt auch als Gebrauchtwagen eher ein Dynamiker als eine Sänfte. Die straffe Fahrwerksabstimmung und direkte Lenkung sorgen vor allem auf Landstraßen für Fahrspaß und gutes Handling, im Alltag und auf der Langstrecke beeinträchtigt die harte Abstimmung den Komfort aber doch sehr. Auf Kopfsteinpflaster konnte man leichte Knarzgeräusche seitens des Fahrwerks vernehmen, das Ganze blieb jedoch im Rahmen. Trotzdem lassen sich Konkurrenten mit einer ähnlichen Laufleistung von schlechten Straßenbedingungen weniger aus der Ruhe bringen. 65.000 Kilometer sind nicht die Welt. Es wäre interessant, wie es jenseits der 150.000-Kilometer-Marke um das Tesla-Fahrwerk steht.

Die ursprünglich für diese Version des Model 3 angegebene Norm-Reichweite liegt bei 560 Kilometern. Wie viel von der ursprünglichen Batteriekapazität übrig ist, teilte Tesla uns nicht mit. Falls sie an Energiegehalt eingebüßt hat, müssen sich die Verluste in Grenzen halten. Wenn man mit einer Reisegeschwindigkeit von 120 km/h unterwegs ist und bewusst gleichmäßig fährt, sind auf der Autobahn bei dem gebrauchten Model 3 mit einer Akkuladung fast 400 Kilometer drin. Wenn man auf die zahlreichen Assistenten zurückgreift, nimmt einem das Auto einen Großteil der Arbeit ab. Neu bekommt man kaum ein Elektroauto, das so langstreckentauglich ist.

Mein Fazit des Tesla Model 3 (Certified Pre-Owned)

Insgesamt hat Tesla mit seinem „Certified Pre-Owned“-Programm ein rundes Paket geschnürt. Wenn Du Dich für ein gebrauchtes und vom Hersteller zertifiziertes Model 3 oder Model Y entscheidest, bekommst Du ein vollwertiges, geräumiges und von Grund auf gut durchdachtes Elektroauto für vergleichsweise wenig Geld. Da die Autos vor dem Verkauf gründlich untersucht wurden, bieten die Secondhand-Teslas einen bedenkenlosen Einstieg in die Elektromobilität. Beim Kauf eines vergleichbaren Neuwagens, auch von anderen Herstellern, muss man deutlich tiefer in die Tasche greifen.

Dazu kommen die hauseigene Ladeinfrastruktur, die vor allem Elektro-Anfängern das Leben erleichtert, und die erstklassige Software, inklusive der Tesla-App, mit der der Fahrer einen großen Teil der Funktionen des Autos steuern kann und die ihn mit einer Vielzahl an Informationen über das Fahrzeug versorgt. Ein großes Manko bleibt aber – das fehlende Batterie-Zertifikat. Wenn die Amerikaner hier nachziehen, kann beim Kauf eines gebrauchten Tesla eigentlich kaum noch etwas schiefgehen.