Autonomes Fahren: Nicht mehr Zukunft, sondern Realität
In San Francisco sind sie schon unterwegs: selbstfahrende Autos. Robotertaxen fahren hier zwischen ganz normalen Fahrzeugen im Alltagsverkehr.
Aber das hochautomatisierte oder autonome Fahren kommt viel langsamer in Schwung, als noch vor wenigen Jahren angekündigt. Es sind weiterhin einige Fragen offen. Wann kann man wirklich Roboterautos kaufen? Wie weit sind die Hersteller beim Thema autonomes Fahren? Und worauf musst Du Dich als Autofahrer einstellen? Hier erfährst Du alles, was Du über autonomes Fahren wissen musst.
- Der Traum von der Automatisierung
- Fünf Stufen zum autonomen Fahren
- Vorteile und Nachteile selbstfahrender Autos
- Autonomes Fahren: Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
- Tesla und autonomes Fahren
Der Traum von der Automatisierung
Geht es nach Experten aus der Automobilindustrie, befinden wir uns auf direktem Weg in die autonome Zukunft. Schließlich versprechen selbstfahrende Autos mehr Sicherheit, denn für etwa 90 Prozent aller Unfälle ist der Mensch verantwortlich. Mithilfe von Sensoren, Kamera-, Radar- und Lidarsystemen hat die Technik – im Gegensatz zum Menschen – das komplette 360-Grad-Umfeld im Blick.
Wie ein Mensch beobachtet das autonome Fahrzeug seine Umgebung, passt seine Geschwindigkeit selbsttätig an, weicht aus, bremst und überholt auf seinem Weg von A nach B. Lenken und Gas oder Strom geben muss hier kein Fahrer, alle Fahraufgaben liegen bei der Technik des Autos. Sobald die autonomen Fahrzeuge ausgereift sind, könnten Unfälle also der Vergangenheit angehören, weil selbstfahrende Autos umsichtiger agieren als Menschen.
Um ihre Fahrfunktionen ausführen zu können, kommunizieren autonome Fahrzeuge untereinander – und zwar nicht nur per Blinker oder Bremsleuchte, sondern über das Internet der Dinge. Sie teilen untereinander Informationen über das Ende von Staus hinter Kurven, sie errechnen die optimale Geschwindigkeit für einen flüssigen Verkehr und passen sich allesamt dieser an. Dafür sind sie mit einer Cloud verbunden, die die riesigen anfallenden Datenmengen verwaltet. So verbessert das vernetzte Fahren nicht nur die Sicherheit der Passagiere, sondern auch den Verkehrsfluss. Außerdem werden autonome Fahrzeuge nicht nur untereinander, sondern auch mit der Infrastruktur kommunizieren. So können sie etwa mithilfe der Informationen von Ampeln grüne Wellen errechnen. Staus werden sich damit reduzieren. Wie das in der Praxis funktioniert, testet Audi in Feldversuchen in mehreren deutschen Großstädten. Noch sind die dafür im Auto benötigten Komponenten aber extrem teuer, sie kosten zusammen viele Tausend Euro. Das macht ein selbstfahrendes Fahrzeug für Endverbraucher bislang unattraktiv.
Fünf Stufen zum autonomen Fahren
Systeme, die Fahrfunktionen im Auto übernehmen können und den Fahrer mindestens zeitweise zum Passagier machen, werden wegen der hohen Kosten zunächst in teuren oder kommerziell genutzten Autos zum Einsatz kommen. Aber sie werden billiger. Level-1-Systeme (minimale Unterstützung, der Fahrer bleibt stets Herr aller Fahrfunktionen) sind heute bereits in allen Klassen vorhanden. Auch Level-2-Systeme, wie Abstandsregeltempomaten oder Einparkhilfen, lassen sich schon für Kompaktmodelle ordern. Hochautomatisierte Level-3-Fahrfunktionen, wie den Autobahnassistenten, findet man bislang nur bei Mercedes in der S-Klasse, die Konkurrenz will aber in Kürze nachziehen. Doch bis sich der Autopilot für hochautomatisiertes Fahren in der Breite durchsetzen wird, dauert es noch einige Jahre, voraussichtlich bis 2035. Es kostet einfach Zeit, bis sich neue Technologien am Markt etablieren, wir erleben es momentan beim E-Auto. Immerhin, die ersten wichtigen Schritte sind gemacht auf dem Weg zum hochautomatisierten Fahren nach Level 4 und dem vollautonomen Fahren nach Level 5.
Komplett autonome Level-5-Fahrzeuge, die keinen menschlichen Fahrer benötigen, existieren zwar heute schon, aber in kleinen Nischen. Es sind die schon angesprochenen Robotaxen von Cruise oder Waymo in den USA oder Lkw, die auf großen Industriegeländen oder in Hafengebieten vollkommen selbstständig ihre Fahrfunktion ausführen. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit kommen immer mehr Regionen, Industrieanlagen und Städte hinzu, in denen autonome Fahrzeuge eingesetzt werden. Hier ist Hollywoods „I, Robot“-Zukunft Realität.
Die fünf Level des autonomen Fahrens
Level 1: schon heute Realität.
Mit Level 1 ist das assistierte Fahren gemeint. Hilfssysteme wie Tempomat oder Spurhalteassistent unterstützen den menschlichen Fahrer. Zu beachten ist, dass der Mensch immer die Kontrolle über das Fahrzeug behalten muss. Level 1 beginnt ab mindestens einem Assistenzsystem.
Level 2: das teilautomatisierte Fahren.
In diesem Modus kann das Auto einige Funktionen komplett selbst übernehmen. Es hält die Spur und den Abstand, bremst und beschleunigt automatisch. Dafür werden innerhalb des Systems mindestens zwei Assistenzsysteme wie Notbrems- und Spurhalteassistent miteinander kombiniert. Das automatische Einparken ist bei einigen Autos mit Level-2-Funktion ebenfalls bereits möglich. Auch hier muss der Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug behalten. Allerdings kann er kurz die Hände vom Steuer nehmen. Viele aktuelle Modelle verfügen bereits über Level-2-Funktionen.
Level 3: Ab diesem Automatisierungsgrad sprechen wir vom hochautomatisierten Fahren.
Unter bestimmten Bedingungen kann das Fahrzeug die Fahraufgaben komplett ohne Zutun des Fahrers übernehmen. In Deutschland gibt es für diese Stufe bereits festgelegte Regeln. So darf man im hochautomatisierten Modus die Hände vom Lenkrad nehmen, um Zeitung zu lesen. Wer im Falle eines Unfalls haftet, ist geklärt. Mercedes bietet die Level-3-Fahrfunktion bereits auf der Autobahn an und übernimmt die Haftung, falls beim Fahren mit der Autonomiestufe ein Unfall geschieht. Bei Level 3 gilt grundsätzlich: Zwar darf man sich einen Moment zurücklehnen und die Augen schließen, dennoch muss man jederzeit in der Lage sein, nach Aufforderung durch das System das Steuer zu übernehmen. Ein Mittagsschlaf ist also noch nicht möglich. Nach Mercedes strebt auch BMW für 2023 die Zulassung von Level 3 als Automatisierungsgrad im 7er an, wie Mercedes zunächst für Deutschland und in der Folge auch für weitere Länder.
Level 4: Dieses Level nennt sich vollautomatisiertes Fahren.
Der Fahrer kann die Kontrolle über das Fahrzeug komplett abgeben, er wird zum Passagier. Die Systeme sind in der Lage, alle Fahraufgaben durchzuführen. Dennoch muss der Fahrer in der Lage sein, das Steuer zu übernehmen. Unter bestimmten Verhältnissen, etwa bei fehlenden Fahrbahnmarkierungen, kann das Auto ein entsprechendes Signal geben. Dabei lässt es aber so viel zeitlichen Spielraum, dass es, einen sicheren Ort ansteuern kann, wo es zum Stehen kommt, falls der Fahrer das Steuer nicht übernimmt. Ein Mittagsschlaf ist also erlaubt.
Level 5: das autonome Fahren.
Gesteuert werden muss das selbstfahrende Auto nicht mehr, stattdessen gibt es nur noch Passagiere. Das Auto kann alle Fahraufgaben autonom übernehmen. Das betrifft auch komplexe Verkehrssituationen wie das Überqueren von Kreuzungen. Erstmals ist hier auch das Fahren ohne Passagier möglich, etwa wenn die Nutzer ihr Auto per App zu sich rufen. Ein Lenkrad oder Pedale für Fahrstrom oder Bremse wird es in Level-5-Fahrzeugen nicht mehr unbedingt geben.
Vorteile und Nachteile selbstfahrender Autos
Es bleibt die Frage, warum die Einführung der Technik nicht schneller möglich ist. Schließlich liegen die Vorteile auf der Hand. Der Verkehr wird sicherer, weil der oft unaufmerksame Fahrer von seiner immer wieder stressigen Fahraufgabe entlastet wird. Je höher der Automatisierungsgrad des Verkehrs, desto niedriger werden die Unfallzahlen sein, prognostizieren die Experten. Außerdem wird der Verkehr flüssiger: Weniger Stop-and-go und weniger Stau bedeuten eine bessere Energieeffizienz im Verkehr. Das ist gerade auch mit Blick auf die E-Mobilität wünschenswert.
Doch es gibt vorerst noch gewaltige Nachteile. Vor allem ist die Technologie noch nicht so leistungsfähig, dass Level 4 oder Level 5 unter allen Umständen funktionieren können. Zwar sehen Kameras im Verbund mit Lidarsensoren und Radar besser als das menschliche Auge, aber sehr schlechtes Wetter oder Schnee auf der Straße sind für die Systeme noch nicht 100-prozentig beherrschbar. Dass Robotaxen in San Francisco bereits erfolgreich fahren, hat auch damit zu tun, dass Schnee dort nur äußerst selten die Fahrbahnmarkierungen unkenntlich machen kann.
Problematisch ist auch der Mischverkehr von autonomen und konventionellen Autos. Autonome Fahrzeuge bewegen sich extrem defensiv. Studien in den USA und Deutschland zeigen, dass der Verkehr dadurch häufig behindert werden kann. Erst wenn die Zahl der autonomen und der konventionellen Fahrzeuge in etwa ausgewogen ist, verschwindet dieser Nachteil.
Es bleiben aber vorerst die hohen Kosten. Für Privatleute sind autonome Fahrzeuge noch für Jahre zu teuer, ab 2030 könnten die Preise so weit sinken, dass die Technik erschwinglich wird. Werden die Fahrzeuge kommerziell genutzt, so wie Robotaxen oder Transporter und Lkw, spielt der Kostennachteil keine Rolle, weil er durch wegfallende Personalkosten egalisiert wird.
Autonomes Fahren: Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Die offenen technischen Aspekte werden sich schon in wenigen Jahren lösen lassen. Bessere Software, schnellere und leistungsfähigere Computer im Auto und in der Cloud werden die Systemleistungsfähigkeit weltweit dramatisch verbessern.
Dass sich das autonome Fahren zunächst in einigen Großstädten der USA etablieren konnte, liegt auch daran, dass man dort erst einmal alles machen kann, was nicht ausdrücklich verboten ist. Tatsächlich sind US-Rechtswissenschaftler bereits vor zehn Jahren zu dem Schluss gekommen, dass autonomes Fahren in den USA legal ist, ohne dass dafür ein besonderes Gesetz benötigt wird.
In Deutschland wurden dagegen rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen, die für Klarheit in Bezug auf automatisierte und autonome Fahrfunktionen sorgen. Level 3 auf der Autobahn ist, mit Einschränkungen, zulässig. Experten wie Dr. Jan Becker, CEO des Software-Unternehmens Apex.AI aus Palo Alto, das sich stark im Bereich des autonomen Fahrens engagiert, halten die deutschen Rahmenbedingungen für vorbildhaft. Sie gehen davon aus, dass andere europäische Staaten sich daran orientieren werden.
Ist die Gesellschaft bereit für das autonome Fahren? Wie werden wir reagieren, wenn Unfälle mit tödlich Verletzten durch selbstfahrende Fahrzeuge verursacht werden? Diese Unfälle wird es geben, denn auch die beste Technik ist nicht unfehlbar. Aber, und da sind sich CEO Jan Becker und andere Experten einig, die Zahl dieser Unfälle wird insgesamt drastisch zurückgehen: Die Technologie hat das Potenzial, die Zahl der Getöteten im Verkehr um 90 Prozent zu reduzieren. Wer bei so einem Unfall haftet, ist geregelt: der Hersteller. Mercedes hat verlauten lassen, die Haftung zu übernehmen, wenn eines seiner Fahrzeuge bei eingeschalteten Level-3-Funktionen einen Unfall verursacht.
Tesla und autonomes Fahren
Elon Musk verspricht die Segnungen des autonomen Fahrens bereits seit Jahren. Er bietet in seinen Autos sogar den sogenannten Autopiloten an. Allerdings hat das Tesla-System wenig mit autonomem Fahren zu tun, obwohl Musk Level-4-Fahrfunktionen bereits für 2017 versprochen hatte. Bis heute sind seine Autos weit davon entfernt. Die Tesla-Modelle können lediglich Fahrfunktionen bis einschließlich Level 2 übernehmen. Ihr Betriebsbereich wird auch durch den Verzicht auf Lidar und Radar eingeschränkt. Diese Sensoren sind nach Ansicht von Elon Musk unnötig, in der Industrie steht er mit dieser Meinung allerdings allein da. Mercedes hat Tesla beim autonomen Fahren mittlerweile abgehängt, BMW und andere werden schon bald folgen – natürlich mit der dafür notwendigen umfangreichen Sensorik.
Mehrheit der deutschen Autofahrer steuern lieber selbst
Laut einer repräsentativen Umfrage von mobile.de haben 28,6 Prozent der Deutschen kein Vertrauen zum autonomen Fahren und finden, dass das Autofahren ausschließlich in menschliche Hand gehört – dabei ist jeder Zweite Befragte noch nicht mit einem voll- oder teilautomatischen Auto gefahren (und möchte dies in näherer Zukunft auch nicht tun.
Auch wenn gleichzeitig ein Drittel der Befragten neugierig auf die Technik ist, zeigen die Umfragewerte, dass das Vertrauen in die Technologie bei vielen Deutschen noch gewonnen werden muss. Die Anforderungen sind klar: 52 Prozent der Befragten würden ausschließlich Systemen vertrauen, die strengsten Kontrollen unterliegen. 48 Prozent wünschen sich, in jedem Fall selbst eingreifen zu können, also den Wechsel zum manuellen Betrieb als Option zu behalten. Flexible Funktionen des autonomen Fahrens, die je nach Bedarf aktiv oder inaktiv gesetzt werden können, wären nach dem Geschmack von rund 36 Prozent der Befragten.