Diesel-Nachrüstung: Das können die SCR-Systeme
Schwierige Zeiten für Dieselfahrer. Vor Kurzem noch „State of the Art“, sind viele Selbstzünder nun wegen ihres Schadstoffausstoßes von Fahrverboten bedroht. Nachdem viel zu lange herumlaviert wurde, was zu tun ist, scheinen sich die Parteien – Politiker, Wissenschaftler, Hersteller und Zulieferer – nun aber halbwegs einig, dass eine Hardware-Nachrüstung sinnvoll ist. Wir sagen Dir, wie SCR-Katalysatoren arbeiten, was sie kosten und wer die Kosten für die Nachrüstung trägt.
Der Diesel, viele Jahre lang erste Wahl für mehr als die Hälfte aller deutschen Autofahrer, steckt seit dem VW-Skandal um manipulierte Abgaswerte tief in der Krise. Fahrverbote selbst für gerade einmal drei, vier Jahre alte Euro-Motoren drohen bzw. sind partiell schon in Kraft. Und noch kann niemand mit Gewissheit sagen, ob nicht sogar frühe Euro-6-Motoren demnächst von Fahrverboten betroffen sein könnten.
Verhindert werden soll das durch eine möglichst flächendeckende Nachrüstung mit SCR-Katalysatoren. Technisch ist das machbar, wie unter anderem ein Test des ADAC gezeigt hat. Selbst einige Automobilhersteller, die lange Zeit deutlich günstigere, aber wegen Zweifeln an der Wirksamkeit und möglicher Folgeschäden umstrittene Software-Updates präferierten, scheinen mittlerweile zur Vernunft gekommen. So haben sich etwa VW und Mercedes bereit erklärt, die Diesel-Nachrüstung mit einem SCR-Katalysator mit bis zu 3.000 Euro zu finanzieren. Klingt gut, noch aber gibt es eine ganze Reihe von Hürden und Einschränkungen, die eine schnelle Hardware-Nachrüstung verhindern.
So funktioniert ein SCR-Katalysator
Der von der Politik vorgegebene Grenzwert für Stickoxide (NOx-Grenzwert) liegt bei 270 mg/km. Tatsächlich aber stoßen laut Umweltbundesamt zum Beispiel Euro-5-Diesel unter Alltagsbedingungen im Durchschnitt mehr als 900 mg/km NOx aus. SCR-Katalysatoren sollen diesen Wert um bis zu 80 Prozent reduzieren können. Das Kürzel SCR steht für Selektive Katalytische Reduktion. Die funktioniert, indem man dem Abgas Ammoniak zusetzt, das im Katalysator mit den im Abgas enthaltenen Stickstoffoxiden reagiert. Aus dem Auspuff sollen dann nur noch harmloser Stickstoff und Wasser kommen.
Neben dem Katalysator selbst ist auch ein sogenannter AdBlue-Tank notwendig, in den der für die Ammoniak-Umwandlung benötigte Harnstoff gefüllt werden muss. Im Regelfall findet dieser Tank in der Reserveradmulde Platz. Zudem ist eine Anzeige im Cockpit erforderlich, die den Fahrer über die Restmenge AdBlue und gegebenenfalls über Systemstörungen informiert.
Die Nachrüstsysteme kommen nicht von den Automobilherstellern selbst, sondern werden von spezialisierten Zulieferern entwickelt, eingebaut und gewartet. Diese Hersteller, wie zum Beispiel HJS, Oberland Mangold, Dr. Pley, Faurecia S.A. oder Baumot/Twintec, müssen die Funktionsfähigkeit ihrer Systeme über eine Kilometerleistung von 100.000 km respektive fünf Jahre gewährleisten. Die Automobilhersteller sehen sich bei Folgeschäden nicht in der Pflicht.
Was kostet die Diesel-Nachrüstung und wer trägt diese Kosten?
Die Kosten für eine Diesel-Nachrüstung mit einem SCR-Katalysator werden je nach Automodell mit 1.500 bis 3.000 Euro beziffert. Das Fachmagazin Auto Bild will von einem Zulieferer, der nicht namentlich genannt werden wollte, erfahren haben, dass die notwendigen Teile kaum mehr als 250 Euro kosten sollen. Den Löwenanteil der Kosten würde also der Einbau verschlingen.
Lange Zeit wurde diese Hardware-Nachrüstung von den Automobilherstellern abgelehnt. Stattdessen setzten und setzen BMW, Mercedes, VW und Co. auf eine Software-Lösung, bei der in die elektronische Motorsteuerung eingegriffen wird. Hier aber ist nicht nur die Wirksamkeit fraglich, sondern es besteht die Gefahr von Fehlfunktionen. Beim ADAC melden immer wieder Mitglieder Probleme beim Laufverhalten des Motors (Ruckeln, Rasseln) nach dem Update. Sogar Schäden einzelner Bauteile (Ausfall von AGR-Ventilen, Kühlern, Partikelfiltern, Injektoren etc.) sollen aufgetreten sein.
Mittlerweile aber haben sich – wohl auch auf Druck der Politik und um das arg angekratzte Image nicht noch weiter zu beschädigen – zumindest schon einmal Mercedes und Volkswagen bereit erklärt, die Kosten für Hardware-Nachrüstungen bis zu einer Höhe von 3.000 Euro pro Fahrzeug zu übernehmen. BMW dagegen lehnt das ab, will Euro-5-Diesel-Fahrer aber mit 3.000 Euro unterstützen – wohl in der Hoffnung, dass diese Summe in den Kauf eines Neufahrzeugs investiert werden könnte.
Wer das Gebaren der deutschen Autobauer kennt, ahnt schon, dass man eine solche Lösung kaum ohne Einschränkungen anbietet. So gilt das Angebot nur für Besitzer von Euro-5-Pkw, die in einer der aktuell 15 sogenannten Schwerpunktregionen leben oder arbeiten und demnach direkt von Fahrverboten bedroht sind. Schwerpunktregionen sind die Städte oder Ballungsräume, die mit einem Stickstoffdioxid-Jahresmittelwert von mehr als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter belastet sind.
Wer für die wohl unvermeidliche Nachrüstung aller anderen Diesel aufkommt, ist bisher nicht geklärt. Die Bild-Zeitung vermutet, dass die Besitzer dieser Wagen auf den Kosten sitzen bleiben dürften.
Welche Erfahrungen gibt es bisher mit dem SCR-Katalysator?
Der ADAC hat Nachrüstsets von drei Zulieferern in einem 50.000-Kilometer-Dauertest in drei Euro-5-Motoren von Opel, VW und Fiat getestet. Das Ergebnis: Grundsätzlich erfüllen die Systeme ihren Sinn. So wurden die NOx-Emissionen im Schnitt um 70 Prozent reduziert. Allerdings kam es, so der ADAC, „zu temporären Systemausfällen und mechanischen Defekten“. Eine hundertprozentige Zuverlässigkeit der Systeme ist also noch nicht gegeben – wobei darauf hingewiesen werden muss, dass die Zuliveferer ihre Systeme in nur kurzer Zeit auf die jeweiligen Modelle abgestimmt hatten.
Zudem kam es im Test zu einem Mehrverbrauch an Treibstoff von bis zu 13 Prozent. Auch hier muss nachgebessert werden, da nach den Richtlinien zur Nachrüstung ein Mehrverbrauch von maximal sechs Prozent erlaubt ist. Dennoch sehen die Experten des ADAC die Nachrüstlösungen als grundsätzlich gelungen an.
Welche Diesel kann man nachrüsten?
Die Frage, welche Diesel mit einem SCR-Katalysator nachgerüstet werden können, ist eine hypothetische. Grundsätzlich könnte man – unabhängig von der Wirtschaftlichkeit einer Nachrüstung – zunächst einmal jeden Diesel nachrüsten. Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe gehe davon aus, dass sich 95 Prozent der Pkw mit Euro-5-Zertifizierung oder älter nachrüsten ließen, berichtet das Fachblatt Auto-Zeitung. Klingt gut, ist aber leider nur Theorie.
Denn bisher sind die wenigen Nachrüstsysteme noch in der Erprobungsphase. Eine Zulassung für die Nachrüstsets konnte vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) noch nicht erteilt werden, da die Unternehmen noch gar keine Anträge auf Zulassung eingereicht hätten. So jedenfalls zitiert Auto Bild im Mai 2019 aus einem Interview, das die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer geführt hat. Nachrüstlösungen für Diesel könnten sich daher noch weiter hinziehen, so das Fachmagazin.
Erste Nachrüstsets sollen nun aber in den kommenden Monaten auf den Markt kommen. Selbst dann dürfte aber nur ein Teil der Dieselfahrer profitieren. So hat Twintec nach eigenen Angaben bisher Lösungen für gerade einmal sechs Modelle entwickelt, 20 weitere sollen folgen. Damit dürfte klar sein, dass es längst nicht für jedes Dieselmodell auf dem Markt auch ein Nachrüstset geben wird. Es dürften wohl nur Modelle eine Chance haben, die in so großer Stückzahl gebaut wurden, dass die Zulieferer selbst ebenfalls von einer für sie lukrativen Nachfrage ausgehen können. Allen anderen droht weiterhin das Fahrverbot.
Das Wichtigste zum SCR-Katalysator
- SCR-Katalysatoren sollen den Ausstoß von Stickoxiden um bis zu 80 Prozent reduzieren
- Nachrüstung kostet zwischen 1.500 und 3.000 Euro
- VW und Mercedes übernehmen die Kosten unter bestimmten Voraussetzungen
- ADAC-Test hat gezeigt, dass die Systeme trotz kleiner Probleme ihren Zweck erfüllen
- Erste Nachrüstsets wird es erst im Laufe des Jahres geben
- Längst nicht für jedes Modell ist eine Nachrüstlösung geplant