Diesel Hardware-Nachrüstung: Betriebserlaubnis für zwei Nachrüster
Alte Diesel werden sauber: Zwei Zulieferer haben die Zulassungen für Umrüstungen von Euro-5-Dieseln erhalten. Alles zu Technik, Preis und umrüstbaren Modellen.
Erst war es sehr laut, dann lange still um Diesel-Nachrüstungen. In der Diskussion um manipulierte Abgaswerte und ausgereizte Grauzonen standen sogenannte Nachrüstlösungen häufig zur Debatte. Gemeint waren nachträglich eingebaute Hardware-Bausteine, die den Stickoxidausstoß von Dieselmotoren reduzieren. Sie sollten Fahrverbote verhindern, oder – im Fall von ausgesprochenen Fahrverboten – älteren Dieseln das Fahren in der Innenstadt ermöglichen.
Ein Prototyp der Firma Baumot bewies im ADAC-Test, dass sich der Stickoxidausstoß von Euro-5-Dieseln mit Nachrüstsystemen drastisch senken lässt. Unter realen Bedingungen blieben die Abgase verhältnismäßig sauber. Es gab sogar schon einen Preis: 1.500 Euro sollte so ein System kosten, inklusive Einbau weniger als 2.000 Euro. Zu diesem Zeitpunkt fehlte allerdings die gesetzliche Grundlage für Nachrüstsysteme.
Jetzt, zwei Jahre später, sind die Formalitäten geklärt. Und es gibt die ersten Zulassungen: Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat zwei Herstellern die Betriebserlaubnis für ihre Nachrüstlösungen erteilt. Die Firma Dr Pley SCR-Tech darf Systeme für Fahrzeuge von Volvo und Mercedes anbieten. Baumot hat die Genehmigung, Umrüstungen für Fahrzeuge aus dem VW-Konzern zu verkaufen.
Hardware-Nachrüstungen: SCR-Katalysatoren für Euro-5-Diesel
Technisch orientieren sich die Lösungen an sogenannten SCR-Katalysatoren, die mittlerweile bei fast allen Dieselmotoren serienmäßig verbaut sind. Sie spritzen die Flüssigkeit „AdBlue“, eine wässrige Harnstofflösung, in den Abgasstrang ein. Sie reagiert zunächst zu Ammoniak, dann mit Stickoxid zu harmlosem Stickstoff und Wasser.
Ab Werk verbaute Systeme sind eng mit der Motorelektronik vernetzt. Die Menge der eingebrachten Flüssigkeit richtet sich nach Motorlast, Temperatur, Drehzahl, Geschwindigkeit und vielen weiteren Faktoren. Die Herausforderung für die Umrüster: Sie bauen autarke Systeme, die ohne Eingriff in die Motorelektronik arbeiten. Kommt zu wenig „AdBlue“ in die Abgase, bleibt zu viel Stickoxid übrig. Spritzen sie zu viel ein, stoßen die Autos schädliches Ammoniak aus. Beides darf nicht passieren.
Die Lösung: Die Systeme der Umrüster arbeiten anders als die Serienanlagen. Sie verdampfen das „AdBlue“ und beschleunigen damit die Reaktion mit den Abgasen. Dadurch können sie sich auf Sensoren verlassen, die den Stickoxid-Gehalt im Abgas messen und die eingebrachte Menge anpassen. Die Anlagen arbeiten also reaktiv, nicht präventiv. Der Vorteil: Bauartbedingt arbeiten sie bereits bei niedrigeren Abgastemperaturen.
Um alle gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, müssen die SCR-Anlagen vor einem niedrigen „AdBlue“-Füllstand warnen. Ist der Tank leer, darf das Auto nicht mehr starten. Die Umrüster können nicht in die reguläre Fahrzeugelektronik eingreifen. Zum Umrüstzsatz gehören deshalb ein Display, das den Füllstand anzeigt, und eine Art Wegfahrsperre.
Die Abgasnorm bleibt, Fahrverbote fallen weg
Obwohl die Nachrüstsysteme so ähnlich arbeiten wie die originalen und den Stickoxidausstoß senken, ändert sich die Abgasnorm nicht. Umgerüstete Fahrzeuge erfüllen weiterhin die Euro-5-Norm. Es wird keine Verbesserung in eine bessere Abgasnorm geben, entsprechend auch keine eventuellen steuerlichen Vorteile.
Da sich die Abgaswerte der Fahrzeuge deutlich verbessern, dürfen sie allerdings jene Bereiche in Innenstädten befahren, die aktuell für Euro-5-Diesel gesperrt sind. Das System wird in die Fahrzeugpapiere eingetragen und ist mit einer Sondergenehmigung verbunden. Das gelte auch dann, wenn die Verbote verschärft werden.
Bis die meisten betroffenen Euro-5-Diesel umgerüstet werden können, wird es allerdings noch eine Weile dauern. Bisher sind die Umrüstkits nur für die Fahrzeuge von drei Herstellern genehmigt. Hier eine Übersicht aller Euro-5-Diesel, die in den Betriebserlaubnissen aufgeführt sind:
Volvo: R5-Diesel mit 2,0 und 2,4 Litern Hubraum der Baujahre 2008 bis 2017
(Allgemeine Betriebserlaubnis zur Dieselnachrüstung von Volvo-Fahrzeugen)
- C30
- S40
- V40
- V40 CC
- V50
- S60
- V60
- XC60
- V70
- C70
- XC70
- S80
Mercedes-Benz: 2,2-Liter-Diesel der Baureihe OM 651 aus den Baujahren 2008 bis 2017
(Allgemeine Betriebserlaubnis zur Dieselnachrüstung von Mercedes-Benz-Fahrzeugen)
- C-Klasse W204, W205: C 220 cdi, C 250 cdi (170 bzw. 204 PS)
- E-Klasse W212: E 220 cdi, E 250 cdi (170 bzw. 204 PS)
- GLK-Klasse X204: GLK 220 cdi (170 PS)
- V-Klasse W447: V 220 cdi (163 PS)
Volkswagen: 1.6 TDI und 2.0 TDI der Baureihen EA 189 und EA 288
(Allgemeine Betriebserlaubnis zur Dieselnachrüstung von Fahrzeugen des VW-Konzerns)
- Amarok 2.0 TDI (122 PS)
- Beetle 16 1.6 TDI (105 PS)
- Caddy 2K, 2KN 1.6 TDI (75 PS, 102 PS); 2.0 TDI (84 PS, 110 PS)
- Golf 1K, 1KM 1.6 TDI (90 PS, 105 PS)
- Golf AU, AUV 1.6 TDI (90 PS, 105 PS, 110 PS)
- Jetta 1KM 1.6 TDI (90 PS, 105 PS)
- Passat 3C 1.6 TDI (105 PS); 2.0 TDI (110 PS)
- Polo 6R 1.6 TDI (75 PS, 90 PS)
- Sharan 7N 2.0 TDI (115 PS)
- T5 7HC, 7J0 2.0 TDI (84 PS, 102 PS)
- T5 7HMA (102 PS, 114 PS)
- Tiguan 5N, 5NS 2.0 TDI (110 PS)
- Touran 1T 1.6 TDI (90 PS, 105 PS)
Audi
- A1 8X 1.6 TDI (90 PS, 105 PS)
- A3 8P 1.6 TDI (90 PS, 105 PS)
- A4 B8 2.0 TDI (120 PS)
Skoda
- Fabia 5J 1.6 TDI (75 PS, 90 PS, 105 PS)
- Octavia 1Z 1.6 TDI (105 PS); 2.0 TDI (110 PS)
- Octavia 5E 1.6 TDI (90 PS, 105 PS)
- Rapid NH 1.6 TDI (90 PS, 105 PS)
- Roomster 5J 1.6 TDI (75 PS, 90 PS, 105 PS)
- Superb 3T 1.6 TDI (105 PS)
- Yeti 5L 1.6 TDI (105 PS); 2.0 TDI (110 PS)
Seat
- Altea XL 5PN 1.6 TDI (90 PS, 105 P)
- Exeo 3R, 3RN 2.0 TDI (120 PS)
- Ibiza 6J, 6JN 1.6 TDI (90 PS, 105 PS)
- Leon 1P 1.6 TDI (90 PS, 105 PS)
- Leon 5F 2.0 TDI (90 PS, 105 PS, 110 PS)
- Toledo 5P, 5PN 1.6 TDI (90 PS, 105 PS)
(Stand: 16.8.2019)
Ein System für BMW-Motoren soll bald folgen. Laut Dr Pley sind die Prüfungen der Anlage für den „N47D20“-Motor des Herstellers bereits abgeschlossen, es fehle nur noch die Ausgabe der Betriebserlaubnis. Dann sollen sich die Modelle X3 (20d), 5er (518d, 520d, 525d) und 3er (318d, 320d, 325d) umrüsten lassen. Der Umrüster rechnet damit, die Erlaubnis noch im August 2019 zu erhalten. Baumot plant ebenfalls, Umrüstsysteme für Pkw und Nutzfahrzeuge von Mercedes anzubieten. Weitere Modelle und Motoren sollen folgen.
Hardware-Nachrüstungen: Teurer als angekündigt
Die Anlagen werden in Werkstätten von Fachpersonal eingebaut. Die Montage soll in wenigen Stunden erledigt sein. Anders als ein originales System umfasst die Nachrüstlösung nur einen kleinen Teil der Abgasanlage, das „AdBlue“-Einblassystem mit Tank und Verdampfer, Verkabelung, Steuergerät, Sensoren sowie ein Display für die Tankanzeige und die Wegfahrsperre. Die komplizierte Integration in die Fahrzeugelektronik entfällt. Umgerüstete Autos dürfen maximal 6 Prozent mehr Kraftstoff verbrauchen als vor dem Umbau.
Der angekündigte Preis von 1.500 Euro für ein Nachrüstsystem scheint allerdings nicht haltbar. Baumot nennt einen Komplettpreis von rund 3.300 Euro inklusive Einbau. Dr Pley kündigt Kosten von ungefähr 3.500 Euro an. Erste Anlagen sollen noch 2019 verfügbar sein, das Gros folgt im kommenden Jahr.
Einige Hersteller wollen sich an diesen Kosten beteiligen. Daimler und der VW-Konzern steuern jeweils 3.000 Euro bei. Mercedes will Kunden unterstützen, die in einem Umkreis von 100 Kilometern um gesperrte Straßen wohnen.
Die Nachrüstsysteme bedeuten für den Gebrauchtwagenmarkt Stabilität. Umgebaute Autos dürfen ohne Einschränkungen in Deutschland fahren, Einfahrverbote gelten für sie nicht. Wenn die Hersteller finanziell helfen, funktioniert das ohne großen Aufwand. In einigen Fällen könnte es sich sogar lohnen, einen günstigen Euro-5-Diesel zu kaufen und diesen nachrüsten zu lassen. Es bleibt nur zu hoffen, dass zügig Systeme für weitere Modelle und Motoren folgen.