Zeit zum Abschiednehmen
Im kommenden Jahr ist eine ganze Reihe Automodelle aus den Verkaufsräumen verschwunden. Vor allem die kostengünstigen Modelle werden fehlen.
Ganz klar, 2024 wird ein Super-Autojahr. BMW bringt den neuen 5er an den Start, Mercedes hält mit der nächsten Generation der E-Klasse dagegen. In den etwas bürgernäheren Segmenten dürfen wir uns beispielsweise auf den Fiat 600e, Hyundai Kona Elektro, Jeep Avenger oder den Opel Astra Sports Tourer Electric freuen. Und für die Freunde exotischer Fahrzeuge aus Ostasien wird das Angebot um den BYD Dolphin oder MG4 XPower angefettet.
Damit die Neuen Platz im Markt finden, müssen ein paar Alte weichen und das sind gar nicht mal so wenige. Einigen wird kein Hahn hinterherkrähen, andere werden schwarze Löcher in den Seelen der Autofans zurücklassen. Fangen wir gleich mit zwei davon an, denn Audi macht es wirklich wahr und lässt den R8 und den TT auslaufen, ohne direkte Nachfolger zu bringen. Aus Sicht der Sportwagenfreunde ist das ein großes Trauerspiel.
Audi TT, ab 2014
Die dritte Generation des drahtigen TT markiert das Ende einer Ära. Halbwegs bezahlbare Sportwagen mit oder ohne festes Dach hießen bei Audi seit Mitte der 1990er-Jahre TT. Sie zeigten beispielhaft, wie sich auf einer Normalo-Kompaktklasse-Basis – streng genommen steckt unter der schnittigen TT-Karosserie ein VW Golf- oder A3-Chassis – krispe Sportlichkeit zelebrieren ließ. Mit Front- oder Allradantrieb, mit Vier-, Fünf- und Sechszylindermotoren und sogar mit Diesel war der Cousin des Audi A3 ein Ausbund an Fahrfreude. Nach der etwas beliebig gezeichneten Generation zwei zeigte der Nachfolger mit seiner scharfen umlaufenden Linie den Konkurrenten eine klare Kante. Top-Verarbeitung und agiles Handling waren zwei Attribute, die den Flachmann auszeichneten, und die 400 PS im TT RS mit kultigem Fünfzylinder haben wir dabei noch gar nicht angesprochen.
Ein würdiger Wettbewerber des BMW Z4 und als hochmotorisierte Variante TTS oder TT RS auch direkter Konkurrent von Porsche Boxster und Co.
Audi R8, ab 2015
In einer anderen Liga als der TT spielte der R8 groß auf. Ein V10 als Mittelmotor mit bis zu 620 PS, eine leichte Aluminiumkarosserie mit allerhand Lamborghini-Genen, die der Huracán beisteuerte. Das war die Klaviatur, auf der Audi einen hochgradig kompetenten Supersportwagen, weitgehend in Handarbeit in Neckarsulm gebaut, zur Freude der solventen Kundschaft aus der Manufaktur rollen ließ. Den Spyder zierte ein fesches Stoffsportmützchen, das selbst bei einer Höchstgeschwindigkeit von 327 km/h nicht davonflog. Die Verarbeitung war Audi-typisch erstklassig, die eingesetzten Materialien von feinster Güte und mindestens auf Augenhöhe mit der Konkurrenz von Mercedes AMG oder Porsche. Natürlich kam der R8 als quattro, also mit Allradantrieb, zu den Kunden. Aber, und hier stellte er die große Ausnahme im Audi-Programm dar, es gab ihn auch als Hecktriebler. Allerdings mit leicht reduziertem Drehmoment (550 statt 580 Nm gegenüber dem quattro) und dennoch sehr stabilen Antriebswellen an der Hinterhand.
Die zweite Generation des R8 wurde ab 2015 gebaut und bekam 2019 eine umfangreiche Modellpflege verabreicht
BMW 6er Gran Turismo, ab 2017
Wer erinnert sich noch an den 5er GT? Ein durchschlagender Erfolg war die für BMW sehr ungewöhnliche Kombination aus Oberklasse-Limousine mit Coupé-Heck schon im ersten Anlauf nicht, und der Nachfolger 6er Gran Turismo konnte das Ruder nicht herumreißen. So stellt BMW die große Schräghecklimousine zum Jahr 2024 ein. Eigentlich schade, denn beim Reisekomfort machte dem 6er GT kaum einer etwas vor, nicht zuletzt dank der serienmäßig luftgefederten Hinterachse. Die Kunden griffen dennoch lieber zum 5er Touring oder gleich zum X6. Das SUV-Coupé kann nicht wirklich etwas besser als der 6er GT, denn den gab es optional auch als Allradler. Allerdings profitiert der X6 vom SUV-Boom, trotz Schrägheck. Wie irrational und nicht von praktischen Anreizen manche Kaufentscheidung geprägt ist, zeigt der Vergleich der Kofferräume von 5er Touring (430–1.700 Liter), X6 (580–1.530 Liter) und 6er GT (600–1.800 Liter). Die Schräghecklimousine hat den größten und hatte dennoch den kleinsten Erfolg.
Mit Audi A7 Sportback und Porsche Panamera buhlte der 6er GT um Kunden, die sich bewusst gegen einen Kombi oder einen SUV entschieden hatten.
Ferrari Portofino M, ab 2020
Ein Frontmittelmotor mit acht Zylindern, die bis zu 620 PS aus 3,9 Litern Hubraum schöpfen, mit Unterstützung einer Turboaufladung, das klingt nach großem Kino. Ganz besonders, wenn so ein Triebwerk in einem Cabrio zum Einsatz kommt, so wie es Ferrari im Portofino M, der als Neuwagen leider 2023 von uns gegangen ist, anrichtet. Das M steht für Modificata und kennzeichnet die modellgepflegten Exemplare der Baureihe (ab 2020). Sie bekamen neben einer Leistungssteigerung auch ein Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe verpasst, dessen schnellere Schaltzeiten den Sprint aus dem Stand auf 200 km/h auf 9,8 Sekunden verkürzten. Ein Sportwagen für die Rennstrecke wurde der Portofino damit dennoch nicht. Der 2+2-Sitzer mit Blechklappdach aus Aluminium, in dessen Fond besser edles Gepäck reist als Menschen, wurde eher für den Ausflug zu zweit an die Côte dʼAzur geschaffen.
Der Ferrari Portofino M ist ein klassischer 2+2-Spider mit italienischem Flair.
Ford Fiesta, ab 2017
Unter den Kleinen war der Fiesta einer der Großen. Ein beliebter, millionenfach verkaufter Kleinwagen, in ganz Europa und zeitweise sogar in Amerika im Angebot. Aber 2024 ist Schluss und das ist ein gar nicht einmal so kleines Drama. Denn mit dem Fiesta verschwindet ein Modell vom Markt, das mit Preisen um 20.000 Euro zu den wenigen verbliebenen bezahlbaren Angeboten gehört hat. Zum Glück gibt es Stand 10/2023 bei mobile.de mehr als 2.800 scheckheftgepflegte Fiesta mit Laufleistungen unter 50.000 Kilometern und 18 Monaten TÜV.
Es ist kein Geheimnis, dass sich die Hersteller schwertun, mit Kleinwagen Geld zu verdienen. Sie deswegen abzuschaffen und chinesischen Newcomern ein ganzes Marktsegment auf dem Silbertablett anzubieten erscheint aber auch nicht gerade als glückliche Entscheidung.
Der Fiesta war beliebter, millionenfach verkaufter Kleinwagen, der in ganz Europa und zeitweise sogar in Amerika angeboten wurde.
Der quirlige und vergnüglich zu fahrende Fiesta wird eine Lücke hinterlassen. In seiner letzten Generation war er ausschließlich als Dreizylinder zu haben, aber immerhin mit bis zu 200 PS (im ST) oder als 125-PS-Mild-Hybrid. Immerhin lässt Ford durchblicken, dass es in der Zukunft wieder einen Fiesta geben könnte. Natürlich elektrisch, aber auch schon für 20.000 Euro? Hoffen wir das Beste.
Der Ford Fiesta war der erste Ford mit Frontantrieb und wurde ab 1976 in acht Generationen gebaut.
Kia Stinger, ab 2017
Coupés mit vier Türen sind eine eher junge Fahrzeuggattung. Audi bespielt sie mit dem A5 Sportback, BMW mit dem 4er Gran Coupé und Kia mit dem Stinger. Der hat 2023 ausgedient, obwohl er ein wirklich leckeres Angebot war. Sechs Zylinder, 366 PS und konkurrenzlos günstig – verglichen mit den beiden bis zu 10.000 Euro teureren Konkurrenten auf jeden Fall, gleichwohl nicht billig. Aber das ist bei einem Auto der gehobenen Mittelklasse auch nicht zu erwarten gewesen. Preiswert schien der Stinger dennoch, denn die Verarbeitung war solide, in weiten Teilen auf Oberklasse-Niveau. Sieben Jahre Garantie, typisch für den koreanischen Hersteller, sorgten stets für ein gutes Gefühl. Qualität bewies der Stinger auch auf der Straße. Sein Fahrverhalten ist erfreulich dynamisch (längs wie quer), ohne den Komfort entscheidend zu vernachlässigen. Weil die Kunden in Deutschland meist die stärkste Motorisierung orderten, um sie mit der besten Ausstattungslinie zu kombinieren, nahm Kia die schwächeren Motoren und die Diesel schon früh aus dem Programm. Der aufgeladene V6 hatte mit 510 Nm Drehmoment einfach zu viele starke Argumente auf seiner Seite.
Dynamisch wie ein Sportwagen und beinahe so praktisch wie ein Kombi, das ist der Stinger aus Korea.
Mercedes CLS, ab 2018
Seit 2004 hatte Mercedes mit dem CLS ebenfalls ein viertüriges Coupé im Portfolio, siedelte es allerdings klar in der Oberklasse an und hatte dabei nicht den größten Alltagsnutzen im Visier. Kopffreiheit gab es im Fond nur für Heranwachsende und die sollten nicht unbedingt in der zweiten Hälfte der Pubertät stecken. Als elegante Reiselimousine spielte der CLS aber stets groß auf, von der ersten bis zur dritten Generation, die technisch mit der jeweiligen E-Klasse identisch war. Selbstverständlich fanden deshalb alle Mercedes-Tugenden der oberen Mittelklasse auch in den eleganten CLS. Komfortabler und sicherer konnte man kaum unterwegs sein, noch dazu überraschend dynamisch, denn der große Mercedes entpuppte sich als überdurchschnittlich agil, wenn sein Fahrer ihn forderte. Motorleistung war ohnehin in den meisten Versionen mehr als genug vorhanden. Man musste nicht zwingend zum CLS 53 AMG mit 435 PS greifen. Allein der 194 PS starke 220d füllte nicht ganz den Status des Chefwagens aus. Dafür ließ er sich mit weniger als sechs Litern pro 100 Kilometer bewegen. Wer den CLS als fein gezeichneten entspannten Cruiser versteht, kann mit dem Vierzylinder-Selbstzünder eventuell doch glücklich werden.
Der technische Zwilling der Mercedes E-Klasse ist ein Auto für Individualisten.
Mercedes E-Klasse Cabrio/Coupé, ab 2017
Beim Vorgänger hat Mercedes ein bisschen geschummelt. Das E-Klasse Cabrio der Baureihe A207 war der E-Klasse zwar wie aus dem Gesicht geschnitten, technisch stammte es aber von der C-Klasse ab. Das ging vor allem zulasten der zweiten Sitzreihe. Mit dem Modellwechsel im Jahr 2017 änderte sich die technische Basis, sowohl für das Coupé wie für das Cabrio. Beide tragen die Bezeichnung E-Klasse nun mit vollem Recht. Gegenüber der Limousine wurde der Radstand zwar um sechseinhalb Zentimeter gekürzt, aber es bleibt in Reihe zwei Platz genug für Passagiere, sogar für Erwachsene. Komfort und Sicherheitsfeatures entsprechen der Limousine, das Cabrio verlängert mit diversen cleveren Komfort-Lösungen (z. B. Windschott oberhalb des Scheibenrahmens, Nackenföhn in den Kopfstützen) die Offenfahrsaison. Den ausgezeichneten Komfort und die hochwertige Verarbeitung teilen sich der Zweitürer und das Cabrio mit dem Technikspender. Leider sinkt die Nachfrage nach Fahrzeugen dieser Bauart in den wichtigsten Automärkten weltweit seit Jahren, weshalb Mercedes sie aus dem Programm nimmt.
Die Mercedes E-Klasse wurde auch als viersitziges Cabrio mit viel Platz angeboten.
Das Coupé kam wie die E-Klasse-Schwestermodelle 2017 in den Handel.
Renault Zoe, ab 2013
Im tiefsten Herzen ist der Zoe ein Clio. Aber einer, der sehr, sehr erfolgreich zum E-Auto umgestrickt worden ist. Zunächst mit Leihakkus ausgerüstet, weil man den Kunden die Angst vor schnell alternden Batterien nehmen wollte. Wie sich längst herausgestellt hat, war diese Angst unbegründet. Viele Zoes der frühen Baujahre laufen immer noch tadellos mit ihrer ersten Batterie. Ein Schnäppchen war der kleine Franzose nie, 2019 starteten die Preise nach dem letzten großen Face- und Techniklift bei knapp 30.000 Euro, jetzt liegen sie bei knapp 37.000 Euro. Immerhin sind Akkukapazität und die damit verbundene Reichweite seither kräftig gewachsen. Dennoch ist nun Schluss und einer der günstigsten Stromer verschwindet vom Markt. Aber Renault hat mit dem 5 E-Tech bereits Abhilfe versprochen. Glaubt man den hinter vorgehaltener Hand gestreuten Informationen aus den gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen, könnten die Preise deutlich unter 30.000 Euro starten – eine elektrisierende Vorstellung.
Gebrauchte Zoes starten bei mobile.de bei rund 7.000 Euro – eines der wenigen halbwegs alltagstauglichen E-Autos unter 10.000 Euro.
VW Arteon Shooting Brake, ab 2020
Es wird aufgeräumt im Hause VW. Die Modellpalette geriet zuletzt doch ein wenig unübersichtlich und ließ die Frage zu, ob wirklich ein edler Passat-Ableger nötig ist. Denn das war der Arteon, dessen Vorläufer CC oder ursprünglich Passat CC hießen. Ab 2017 machte der Arteon zumindest dem Namen nach Schluss mit der Verwandtschaft zum bürgerlichen Bruder, 2020 folgte dann der Shooting Brake: der erste VW Kombi, der nicht Variant hieß. Dafür war er aber auch nicht ganz so praktisch wie das Original, ohne wirklich unpraktisch zu sein. Denn das gegenüber dem Passat geschrumpfte Fond- und Gepäckraumvolumen war immer noch großzügig im direkten Vergleich mit anderen Edelkombis. Allerdings bietet der Passat für ein paar Tausend Euro weniger mehr Platz. Das Original ist vielleicht nicht ganz so nobel eingerichtet, aber auch nicht schlecht verarbeitet. Die Kunden müssen bereits seit 2023 auf den Fließheck-Arteon verzichten, ab 2024 ist es dann auch mit dem Shooting Brake vorbei.
Ein Passat-Ableger, der im Revier von Audi A4 Avant und BMW 3er Touring wildert
VW Up, ab 2011
Die Elektronik sei schuld, so hört man es aus Wolfsburg, dass der Up eingestellt werden müsse. Sie sei nicht mehr an die neuen Regelungen anpassbar, die auf die Autobauer zukommen. Sich verschärfende Sicherheits- und Abgasgesetzgebungen fordern zweifellos viel von den Herstellern, aber dass sich regulatorische Rahmenbedingungen weiterentwickeln, ist nicht direkt überraschend. Vielleicht hätte man den Up in kleinen Schritten anpassen können, wenn man rechtzeitig begonnen hätte? Aber das ist nur eine Vermutung.
Sicher dagegen ist, dass der letzte günstige Volkswagen eingestellt wird und auch keinen Nachfolger bekommt. Ein Polo tritt ab 21.000 Euro an, der Up tritt mit gut 15.000 Euro auf dem Preisschild ab, der e-Up kostet doppelt so viel. Und doch hat VW mit diesen Modellen seine liebe Mühe, Geld zu verdienen. Kleinstwagen bringen kaum Rendite. Hier noch einmal groß zu investieren, die Software zukunftstauglich zu machen und dafür auch die Hardware an Bord komplett umzukrempeln, das lohnt sich bei einem seit zwölf Jahren gebauten Auto wirklich nicht. Schade ist es trotzdem, denn der Up war und ist einer der großen Würfe der Wolfsburger. Es bleibt zu hoffen, dass die Serienversion des ID. 2all an all die Tugenden des kleinen Up anknüpfen kann, wenn sie 2025 oder doch wohl eher 2026 kommt.
Der Up war der letzte noch in Produktion befindliche VW, der vor dem Diesel-Skandal entwickelt wurde