Die A-Klasse kostet so viel wie ein echter Mercedes
Über Technologie und Materialien lässt sich der kleinste Mercedes preislich auf Mittelklasse-Niveau heben. Lohnt sich der Aufschlag? Die A-Klasse im Alltagstest.
Der Vorgänger markierte einen radikalen Neuanfang: Junge Kunden sollte die A-Klasse fortan ansprechen statt den viel zitierten Mann mit Hut. 2018 rückte Mercedes mit der vierten Generation der A-Klasse wieder etwas davon ab. Die Baureihe W177 wurde geräumiger, komfortabler und etwas normaler.
Daneben soll die A-Klasse mit vielen Assistenten den neuen Standard in der Kompaktklasse definieren. Das neue Infotainment MBUX ist ebenfalls ein Quantensprung. Im Test: der A 200 mit dem 1,33-Liter-Benziner aus der Kooperation mit Renault.
Karosserie, Platzangebot, Abmessungen
12 Zentimeter Überlänge im Vergleich zum Vorgänger W176: Zu den größten Kompakten zählt die A-Klasse nicht, aber das Plus an Platz spürt man deutlich. Die Rückbank liegt eher tief, damit auch am Kopf genug Raum bleibt. Dadurch liegen die Oberschenkel nicht ganz auf. Die Füße passen auch unter den Vordersitz, wenn der in der tiefsten Position steht.
Der Laderaum fasst 370 bis 1.210 Liter, das ist durchaus Kompaktklasse-üblich. Auch wenn ein Golf 7 rund 20 Zentimeter kürzer ist. Die dreigeteilte Rückbank lässt sich leider nicht komplett eben umlegen, ein doppelter Bodens eliminiert eine lästige Stufe. Im Testwagen verbargen sich darunter Verstärker und Tieftöner der Burmester-Anlage. Wer die nicht braucht, gewinnt Platz.
Innenraum, Verarbeitung, Materialien
Feines Leder steht der A-Klasse innen gut, kostet in Macchiatobeige und Schwarz aber rund 1.700 Euro und erfordert weitere Extras, wie die Ausstattung „Progressive“ für fast 1.900 Euro. Auch das mit schwarzem Kunstleder bezogene Armaturenbrett mit Ziernähten und Holz steht dem Innenraum.
Die Lüftungsdüsen wirken mit ihrer satinierten Oberfläche ebenfalls edel und arbeiten mit feinen Klickgeräuschen. Viele Knöpfe hat Mercedes neu gestaltet, darunter die kleine Rolle für die Lautstärkeregelung. Die klickt nun leiser und rastet präziser. In manchem Detail wirkt die A-Klasse in dieser Form sogar wertiger als C- oder E-Klasse.
Das trifft leider nicht auf alle Bauteile zu: Blinker- und Automatikhebel wirken eher simpel, das schwarz lackierte Zierteil um die Lüftungsdüsen scheint kratzanfällig.
Infotainment, Radio, Bedienung
MBUX klingt komisch, steht aber für „Mercedes-Benz User Experience“. Das neue Infotainment von Mercedes verbirgt in seinem Inneren komplette „Themenwelten“ für Infotainment, Instrumententräger und Ambientelicht. Im Alltag spielt das keine große Rolle. Anders als die Sprachsteuerung - die im Alltag vom Fahrer lerntl und daher möglichst regelmäßig genutzt werden sollte.
Aktiviert wird die Steuerung über den Befehl „Hey, Mercedes“. Danach nimmt sie Kommandos in natürlicher Sprache entgegen. Das funktioniert - im Prinzip. Das Kommando „hey, Mercedes, mach mal wärmer!“ oder: „Jetzt ist es zu warm“ bedient zuverlässig die Klimaanlage. „Mach die Lüftung aus!“ versteht die Technik ebenfalls. „Öffne das Schiebedach“, öffnet das Schiebedach jedoch nicht, nur die Sonnenblende darunter.
Naviziele, Radiosender, Telefongespräche – da leistet sich MBUX keinen Fehler, aber viele Funktionen sind noch nicht an die Sprachsteuerung gekoppelt. Im Fall der aktuellen Verkehrslage ist das schon mal ärgerlich bei einem Navi, das Echtzeit-Verkehrsdaten nutzt. Mercedes verspricht für das System ständige Optimierung.
Man muss nicht unbedingt mit seinem Auto reden, wird es aber schnell als die effektivste Bedienmethode erkennen. Es gibt weiterhin Touchflächen und gegen Aufpreis ein Touchpad auf der Mittelkonsole. Manchmal wünscht man sich jedoch einen althergebrachten Dreh- oder Druckknopf. Gewöhnungsbedürftig sind auch die Kamerabilder im Navi-Bildschirm, wenn es auf eine Kreuzung zugeht. Hat man sich aber daran gewöhnt, kann es hilfreich sein, den gesuchten Straßennamen in ein echtes Straßenbild eingeblendet zu sehen.
Assistenzsysteme Sicherheit
Bei der Assistenztechnik setzt Mercedes Maßstäbe: Die A-Klasse kann hier fast mit dem Flaggschiff S-Klasse mithalten. Die einzige Ausnahme bildet das ferngesteuerte Parken nach dem Aussteigen. Vom Autositz aus gesehen unterscheidet sich der Funktionsumfang des Park-Assistenten kaum noch - wenn das Park-Paket (ab 1.100 Euro) mitbestellt wurde.
Außerhalb der Stadt hält die A-Klasse selbständig die Spur und den Abstand zum Vordermann, berücksichtigt das Tempolimit und bremst vor Kurven, Kreuzungen und Kreisverkehren von allein ab. Im Autobahnstau kommt sie weitgehend allein zurecht. Erst nach mehr als 30 Sekunden Stillstand muss der Fahrer selbst Gas geben.
Die Technik funktioniert - in der Regel - gut. Die meisten Tempolimits erkennt das System. Die Lenkhilfe arbeitet meist unaufdringlich. Per Blinkertipp lässt sich die A-Klasse zum selbständigen Überholen auffordern, und im Regelfall bremst die Distronic organisch und berechenbar. Einzige EInschränkung: “Meist” ist eben nicht immer. Die Gedanken schweifen lassen darf der Fahrer nicht, schon rechtlich gesehen. Bessere autonome Features bekommt man derzeit aber bei keinem anderen Hersteller. Schon gar nicht in der Kompaktklasse.
Das „Fahrassistenz-Paket“. kostet fast 1.800 Euro. Serienmäßig baut Mercedes immerhin den aktiven Bremsassistenten, Spurhalter und eine Tempolimitwarnung in die A-Klasse. Sie weist unübersehbar blinkend auf zu hohes Tempo hin, nervt aber nicht - gut gelöst. Ebenfalls gelungen: Der Totwinkel-Warner erkennt auch Radfahrer, wenn das Auto steht.
Motor, Getriebe, Fahrleistungen
Mit Hubraumgrößen haben Modellbezeichnungen bei Mercedes schon lange nichts mehr zu tun. Der Vierzylinder-Benziner im A 200 schöpft seine 250 Newtonmeter Drehmoment und 163 PS aus 1,33 Litern Hubraum. Der Motor stammt aus der Kooperation mit Renault und steckt auch in vielen Renault- und Nissan-Modellen. Kräftig genug für das knapp 1,4 Tonnen schwere Kompaktmodell ist er. Die Laufkultur, die man von einem Mercedes erwartet, bekommt man dagegen nicht ganz: Schon bei mittleren Drehzahlen klingt der Motor rau und angestrengt.
Die Abstimmung auf das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe lässt ebenfalls Raum für Verbesserung. Beim Anfahren erreicht zu viel Kraft die Vorderräder, mitunter kann sich das Getriebe nicht für den richtigen Gang entscheiden. Beim Kick-down orgelt der Motor kurz hoch, erst dann geht es vorwärts. Das alles geht besser.
Zum Ausgleich hält er sich beim Verbrauch zurück. Im gemischten Pendelprofil begnügt sich der Benziner mit etwas weniger als sechs Litern auf 100 Kilometer, auf städtischen Kurzstrecken steht meist eine sieben vor dem Komma. Auf der Autobahn ebenso, wenn man nicht allzu oft schneller als 150 km/h fährt.
Fahrwerk, Lenkung, Fahrverhalten
Die Mercedes A-Klasse W177 unterscheidet sich im Fahrverhalten deutlich vom Vorgänger. Vielleicht wie der drahtige Nachbarsjunge von früher vom Vati mit Bauchansatz von heute. Die A-Klasse verhält sich in Kurven neutraler und bleibt im Heck viel stabiler. Neutral und präzise, aber ohne großen Spaßfaktor fährt der A 200 durch Kurven.
Dabei wirkt das Fahrwerk im Testwagen nicht unbedingt komfortabler als beim Vorgänger. Das dürfte auf das 15 Millimeter tiefere “Komfortfahrwerk” zurückzuführen sein. Das trägt seinen Namen nicht ganz zurecht, denn Mercedes stimmt es sportlicher ab als das Serien-Fahrwerk. Kurze, harte Stöße kommen deutlich in der A-Klasse an. Auf langen Autobahnetappen glänzt das Fahrwerk dafür mit unbestechlicher Präzision im Geradeauslauf. Wer schneller als Stadttempo fährt, fährt damit richtig gut.
Ausstattung, Preise, Kosten
Preislich ist die A-Klasse ein echter Mercedes. Oder schlimmer? Der A 200 kostet in der Basis schon üppige 30.755 Euro und übertrifft einen vergleichbar motorisierten VW Golf in der Ausstattung Comfortline um rund 5.000 Euro. Unser Testwagen legt da mehrere Schippen drauf: Der finale Listenpreis liegt bei mehr als 57.000 Euro.
Das liegt an vielen sehr teuren Extras. Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe für gut 2.000 Euro und die Ausstattung Progressive Line für 1.900 Euro bilden nur den Auftakt. Das große Navi „Navigation Premium Paket“ kostet gut 3.000 Euro. Es umfasst zwei Displays, alle MBUX-Funktionen, das Touchpad und eine Verkehrszeichenerkennung. Augmented Reality kostet 300 Euro extra. Hinzu kommen die empfehlenswerten Multibeam-LEDs, (1.500 Euro), das Head-up-Display (1.200 Euro), das Fahrassistenz-Paket (1.800 Euro) und das Lederpaket (1.700 Euro), das Panoramadach (1.100 Euro) oder die Sitzklimatisierung (1.100 Euro).
Es geht natürlich auch weniger üppig. Wer nur das Wesentliche an Assistenz und Infotainment ordert, landet bei rund 40.000 Euro - und sitzt in einem eher schlichten Innenraum. Für knapp 1.300 Euro bekommt man Stoff-/Kunstledersitze und Chromringe an den Lüftungsdüsen. Schlanker als unsere Konfiguration, aber ansehnlich. Eine Ausstattung, die sich nicht spartanisch anfühlt, treibt den A 200 dann noch auf etwas mehr als 45.000 Euro.
Fazit Mercedes A 200: Fein, aber zu teuer
Die A-Klasse von Mercedes hält ihre Versprechen ein. Das Infotainment setzt Standards, die Assistenztechnik ist besser abgestimmt und umfangreicher als bei allen Konkurrenten in der Kompaktklasse. Man kann diese A-Klasse mit Details und Features aus deutlich größeren Autos zum Luxus-Zwerg machen. Toll – bis auf den Preis. Der sortiert sich spürbar oberhalb der Konkurrenz von Audi oder BMW ein, und außer Reichweite aller vergleichbaren Modelle des Volumensegments. Da die größte Schwäche des A 200 der Antrieb ist, raten wir zum A 220. Der 2,0-Liter-Vierzylinder überzeugt deutlich mehr und macht aus der ohnehin schon teuren A-Klasse ein begehrenswertes Auto.
Technische Daten Mercedes A 200 7G-DCT
- Motor: 1,33-Liter-Vierzylinder, Turbo
- Leistung max.: 163 PS (120 kW) b. 5.500 U/min
- Drehmoment: 250 Nm b. 1.620 U/min
- Antrieb: 7-Gang-Doppelkupplung, Frontantrieb
- 0-100 km/h: 8,0 s
- Geschwindigkeit: 225 km/h
- Verbrauch: 5,6-5,2 l/100 km
- CO2-Ausstoß: 128-120 g/km
- Testverbrauch: 6,7 l/100 km
- Länge: 4.419 mm
- Breite: 1.796 mm
- Höhe: 1.440 mm
- Radstand: 2.729 mm
- Leergewicht: 1.375 kg
- Kofferraum: 370-1.210 l
- Listenpreis A200 (07/2019): ab 30.755 Euro
- Preis des Testwagens: 56.710 Euro