Die besten Spurhalte-Assistenten im Test
Schon 2024 werden Spurhalte-Assistenten in jedem Neuwagen zur Pflicht. Was können die Systeme? Ein ADAC-Vergleich zeigt, wie weit die Hersteller sind.
- Das Wichtigste in Kürze
- Ranking: Tesla und Audi vorne
- Was ist Euro NCAP und wie wird getestet?
- Funktion und Typen von Spurhalte-Assistenten
- Spurverlassenswarner
- Spurhalte-Assistent mit Lenkunterstützung
- Spurhalte-Assistent mit automatischer Zentrierung
- Notfall-Spurhalteassistent
- Probleme beim Spurhalte-Assistenten
Diese Technik rettet Leben: Kommt ein Auto von der Fahrspur ab, kann Schlimmes passieren. Bei einer frontalen Kollision mit dem Gegenverkehr oder einem Alleebaum bleiben bei Landstraßentempo nur geringe Überlebenschancen. Wer stattdessen in den Straßengraben fährt, verursacht mindestens schweren Blechschaden. Diese drei Unfall-Szenarien stehen nur beispielhaft: 36 Prozent aller Unfälle entstehen laut ADAC, weil der Fahrer von seiner Fahrspur abkommt. Die meisten dieser Unfälle werden wegen Unachtsamkeit auf gerader Strecke verursacht.
Das Wichtigste in Kürze
- Ranking: Tesla und Audi mit den besten Spur-Assistenten
- Spurhalter ab 2024 Pflicht in allen Neuwagen
- Verschiedene Systeme: Spurwarner, aktive Assistenten, Notfall-Assistenten
- Zuverlässigkeit wird besser
Spurverlassenswarner und automatische Fahrspur-Assistenten können helfen, diese Unfälle zu verhindern. Nicht nur in der Werbung, auch im echten Leben. In zahlreichen Automodellen ist dieses Fahrerassistenzsystem bereits heute vorhanden, ab 2024 gehört es in allen neu zugelassenen Pkw zur Pflichtausstattung.
Ranking: Tesla und Audi vorne
Aber wie gut sind die aktuellen Systeme? Der ADAC hat auf Basis der Prüfergebnisse der Crashtest-Organisation Euro NCAP ein Ranking erstellt. Die Ergebnisse überraschen: Während die Systeme von Tesla und Audi die volle Punktzahl erreichen, landen Volvo, Mercedes und BMW mit ihren Systemen weit hinten. Wie kann das sein? Volvo gilt schließlich als Vorreiter bei der Sicherheitstechnik, Mercedes bietet ebenfalls sehr ausgefuchste Systeme an, die schon seit einer Fahrzeuggeneration das Auto fast allein steuern können.
Ein Grund: Euro NCAP testet nur serienmäßige Systeme. Ohne Aufpreis gibt es bei BMW und Mercedes jedoch längst nicht den vollen Funktionsumfang, der kostet stets Aufpreis. Audi dagegen bietet die geprüften Funktionen in vielen Systemen serienmäßig, Teslas Autopilot kostet in der Grundfunktion ebenfalls nichts Extra. Erst weitergehende Features wie der automatische Spurwechsel müssen bezahlt werden.
Zweiter Grund: Bei der Abstimmung verfolgen die Hersteller unterschiedliche Philosophien. Volvo-Assistenten greifen hart und ruppig ein, auch Audi und Tesla setzen auf aktiver wirkende Systeme. Mercedes dagegen lässt seinen Assistenten eher sanft lenken. Im Test vergibt der ADAC jedoch mehr Punkte für einen aktiveren Eingriff. In der Auswertung landen Tesla Model 3, Tesla Model X und Audi Q3 mit jeweils 100 Prozent der möglichen Punkte ganz vorne. Dahinter folgen mit ebenfalls sehr guten Ergebnissen Modelle verschiedener Hersteller. Zusätzlich zur prozentualen Wertung zeigt die Tabelle, welche Funktionen der Assistent jeweils umfasst.
Modell | Kriterien erfüllt | Nach Neustart aktiv | Erkennt Fahrbahnrand ohne Markierung | Schutz vor Zusammenstoß mit Gegenverkehr | Spurhalten bei gestrichelter Linie | Spurhalten bei durchgezogener Linie | Toter-Winkel-Warner | Toter-Winkel-Assistent |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Tesla Model 3 | 100 % | ja | ja | ja | ja | ja | ja | ja |
Tesla Model X | 100 % | ja | ja | ja | ja | ja | ja | ja |
Audi Q3 | 100 % | ja | ja | ja | ja | ja | ja | ja |
Audi A1 | 88 % | ja | ja | ja | ja | ja | nein | nein |
Citroën C5 Aircross | 88 % | ja | ja | ja | ja | ja | nein | nein |
Ford Kuga | 88 % | ja | ja | ja | ja | ja | nein | nein |
Seat Tarraco | 88 % | ja | ja | ja | ja | ja | nein | nein |
Skoda Octavia | 88 % | ja | ja | ja | ja | ja | nein | nein |
Skoda Scala | 88 % | ja | ja | ja | ja | ja | nein | nein |
VW Golf | 88 % | ja | ja | ja | ja | ja | nein | nein |
VW T-Cross | 88 % | ja | ja | ja | ja | ja | nein | nein |
Kia Ceed | 81 % | ja | ja | ja | ja | ja | nein | nein |
VW Sharan | 81 % | ja | ja | ja | ja | ja | ja | ja |
VW Up | 81 % | ja | ja | ja | ja | ja | nein | nein |
Hyundai Santa Fe | 81 % | ja | ja | ja | ja | ja | nein | nein |
Peugeot 508 | 81 % | ja | ja | ja | ja | ja | nein | nein |
VW Touareg | 81 % | ja | ja | ja | ja | ja | nein | nein |
Audi Q7 | 69 % | ja | nein | ja | ja | ja | nein | nein |
Audi A6 | 69 % | ja | nein | ja | ja | ja | nein | nein |
Nissan Leaf | 63 % | nein | ja | nein | ja | ja | nein | nein |
Ford Focus | 56 % | nein | ja | nein | ja | ja | nein | nein |
Ford Puma | 56 % | nein | ja | nein | ja | ja | nein | nein |
Opel Corsa | 56 % | nein | ja | nein | ja | ja | nein | nein |
Nissan Juke | 56 % | nein | ja | nein | ja | ja | nein | nein |
Toyota Corolla | 56 % | nein | ja | nein | ja | ja | nein | nein |
Volvo V60 | 56 % | ja | nein | ja | ja | ja | nein | nein |
Mercedes B-Klasse | 50 % | ja | nein | ja | nein | ja | Nein | nein |
Renault Captur | 50 % | nein | nein | nein | ja | ja | nein | nein |
BMW 1er | 44 % | nein | nein | nein | ja | ja | nein | nein |
BMW 3er | 44 % | nein | nein | nein | ja | ja | nein | nein |
BMW X5 | 44 % | nein | nein | nein | ja | ja | nein | nein |
Was ist Euro NCAP und wie wird getestet?
Euro NCAP ist ein Konsortium von Fachorganisationen, das die Sicherheit von in Europa zugelassenen Automodellen bewertet. Daneben existieren eine globale Organisation (Global NCAP) sowie Schwesterorganisationen in Asien und Amerika. Die Mitglieder von Euro NCAP kommen aus verschiedenen europäischen Staaten. Dazu gehören Autoclubs wie der ADAC, Prüforganisationen wie der Dekra, die Unfallforschung der Versicherer sowie die Verkehrsministerien mehrerer Staaten.
Die Organisation untersucht Spurhalteassistenten in standardisierten Verfahren auf der Teststrecke. Sie müssen auf unterschiedliche Fahrbahnmarkierungen, etwa durchgezogene und gestrichelte Linien, reagieren. Die Punktzahl ergibt sich daraus, wie nah das Fahrzeug dem Spurrand kommt und wann es gegenlenkt. Modelle, die zusätzlich einen Spurwechsel- oder Toter-Winkel-Assistenten besitzen, erhalten Zusatzpunkte.
Ein exemplarischer Blick auf die Mercedes B-Klasse zeigt, warum unter anderem Mercedes so weit hinten landet. Sie erhält im Test der Spurhalte-Assistenz nur 2 von 4 Punkten. Zwar gehören Spurhaltewarner, aktive Assistenz und eine Notfall-Assistenz beim Mercedes-Van zum Serienumfang. Jedoch bewerten die Tester zwei von drei Prüfparametern nur als „adäquat“ und die Unterstützung als gering. Ein Toter-Winkel-Warner kostet Aufpreis und wird daher nicht berücksichtigt. Die Abstimmung des Assistenten ist, wie angedeutet, eine Frage der Philosophie. Mercedes stimmt die Assistenten betont defensiv ab, aus Komfortgründen - aber auch, um den rein unterstützenden Charakter zu unterstreichen. Der Fahrer soll sich seiner Verantwortung stets bewusst sein. Tesla und Audi positionieren ihre Assistenten stärker als Zwischenschritt zum autonomen Fahren. Ihre Systeme sind daher aktiver abgestimmt.
Im Juli 2017 startet die Produktion des Model 3. Seit Anfang 2019 stromert der Kalifornier auch auf europäischen Straßen.
Funktion und Typen von Spurhalte-Assistenten
Die meisten Spurhalte-Assistenten bestimmen anhand eines Kamerabilds die relative Position des Fahrzeugs zu den Spurmarkierungen. Einige wenige Systeme setzen auf Infrarot. Der Funktionsumfang unterscheidet sich ebenso wie die Komplexität der Berechnungen, die dahinter liegende Steuergeräte anstellen. Diese Systeme werden aktuell angeboten:
Spurverlassenswarner
Der Spurverlassenswarner ist die einfachste Form des Spurhalte-Assistenten. Stellt das System ein Überqueren der Spurlinie fest, warnt sie in bestimmten Situationen. Die einfachsten Systeme gleichen lediglich ab, ob beim Verlassen der Spur ein Blinker gesetzt ist. Ausgefuchstere Assistenten erkennen eine bewusste Lenkbewegung. Die Warnung erfolgt je nach Autohersteller auf verschiedenen Wegen: Über ein Blinksignal im Armaturenbrett, einen Piepton oder ein Vibrieren im Lenkrad oder im Sitz.
2012 stellt Tesla den Prototypen des Model X in Los Angeles vor. Drei Jahre später beginnt der Verkauf. Tesla bezeichnet das Model X als SUV.
Spurhalte-Assistent mit Lenkunterstützung
Komplexere Systeme setzen die Daten der Frontkamera in permanente Aktivität um: Die Servomotoren an der Lenksäule „führen“ das Lenkrad und damit die Hand des Fahrers sanft in die richtige Richtung. Diese Systeme unterscheiden sich ebenfalls darin, ob sie lediglich das Setzen des Blinkers auswerten oder aber die Lenkbewegungen des Fahrers deuten. Im Stadtverkehr bis 60 km/h sind die Systeme oft nicht aktiv, ebenso wenig bei Geschwindigkeiten oberhalb von 200 km/h.
Spurhalte-Assistent mit automatischer Zentrierung
Noch vor einigen Jahren verhindern aktive Spurhalte-Assistenten lediglich das Überqueren der Spurlinie. Bleibt der Fahrer passiv, kann es bei diesen Systemen passieren, dass das Auto von Linie zu Linie pendelt. Fortgeschrittene Systeme halten das Auto aktiv in der Spurmitte. Einige Systeme leisten lediglich eine dezente Lenkunterstützung. Andere Systeme können das Fahrzeug theoretisch auch allein steuern. Das ist im Jahr 2020 jedoch nicht erlaubt. Diese Systeme fordern daher nach einigen Sekunden den Fahrer auf, das Lenkrad wieder zu übernehmen. Geschieht das nicht, bricht die Unterstützung ab.
SUVs mit hübschem Rücken liegen im Trend. Darauf reagiert Audi und verpasst dem Q3 die Coupé-Silhouette.
Notfall-Spurhalteassistent
Der Notfall-Spurhalteassistent funktioniert technisch ähnlich. Er hält sich jedoch die meiste Zeit zurück und greift nur ein, wenn das Fahrzeug droht, seine Spur zu verlassen - oder wenn die Sensoren anderweitig eine kritische Situation erfassen. Dann lenken einige Systeme allerdings rustikal gegen, um das Fahrzeug in der Spur zu halten. Manche Autohersteller kombinieren diese Funktion mit einem Bremseingriff: Das ESP-System bremst auf der Spurinnenseite die Räder ab, um den Lenkeingriff zusätzlich zu unterstützen und das Auto wieder in die Spur zu ziehen.
Probleme beim Spurhalte-Assistenten
Damit der Spurhalte-Assistent funktioniert, muss die Technologie, die das Kamerabild verarbeitet, die Spurmarkierungen sicher erkennen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. In verschiedenen Ländern existieren unterschiedlich farbige, unterschiedlich breite Markierungen. In Autobahnbaustellen gibt es oft widersprüchliche Markierungen. Dunkelheit oder schlechtes Wetter sorgen dafür, dass die Linien nicht gut zu erkennen sind. Linien können fehlen oder unterbrochen sein. Gute Assistenten erkennen den Fahrbahnrand sogar, wenn er nicht von einer Linie markiert wird.
Es gelingt den Herstellern unterschiedlich gut, diese Probleme zu lösen. Aber: Die Systeme werden besser. Anders als vor einigen Jahren funktionieren Spurhalter heute auch auf der Landstraße oder bei Dunkelheit sicher. Einige Systeme schaffen das sogar schon in Baustellen. Der Fortschritt ist nötig, denn ab 2022 gehört der Spurhalte-Assistent zur vorgeschriebenen Sicherheits-Ausstattung aller neu entwickelten Fahrzeugtypen. Ab 2024 muss er in allen Neuwagen an Bord sein.
Manchen Autofahrer mag das nicht freuen, denn ein weiteres Problem ist die Abstimmung der Systeme. Die obliegt in der Regel dem Autohersteller und nicht dem Systemzulieferer. Fahrspur-Assistenten können nerven. Mal piepsen sie ohne erkennbaren Grund, mal greifen sie in die Lenkung ein. Wer noch nicht damit vertraut ist, kann dadurch zusätzlichem Stress ausgesetzt sein. Mitunter erkennt der Assistent ein bewusstes Lenk-Manöver nicht und arbeitet hart und aktiv gegen die Intention des Fahrers. Wem derart ins Handwerk „gepfuscht“ wird, der wird womöglich verunsichert.
Entmündigung des Fahrers also? Wer wegen solcher Erlebnisse seinen Assistenten abschaltet, dem fehlt im Ernstfall die Unterstützung. Deshalb beinhalten viele Assistenten eine weitere „Nettigkeit“: Die Spurhalte-Hilfe wird beim Start des Autos stets automatisch aktiviert, auch wenn sie zuvor abgeschaltet wurde. Autoclubs wie der ADAC begrüßen das. Entscheidend sei, dass Autofahrer sich mit der Funktionsweise ihres Assistenten vertraut machten, statt ihn einfach zu deaktivieren.
Manche Kunden erwarten zu viel von den Spurhalteassistenten. Daran trägt das Marketing der Hersteller teilweise eine Mitschuld. Ein Spurassistent kann schon aus rechtlichen Gründen kein Autopilot sein – auch, wenn Tesla das System so nennt und auch, wenn Tesla eines der besten Systeme im Markt anbietet. Alle bisher auf dem Markt verfügbaren Spurhaltesysteme dürfen nur assistieren und nicht selbst das Auto steuern. Daher muss sich der Spurhalte-Assistent deaktivieren, wenn der Fahrer zu lange die Hände vom Lenkrad nimmt. Das könnte sich jedoch bereits ab 2021 ändern. Dann tritt ein Regulierungsvorschlag der Vereinten Nationen in Kraft, der zumindest auf Autobahnen selbstlenkende Systeme erlaubt.
Spurhalte- Assistent (Galerie)
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