Der Volvo V60 im Alltagstest
Hübsch sieht er ja aus. Aber steckt noch mehr im Volvo V60? Wir haben den Konkurrenten von BMW 3er und Audi A4 getestet.
- Abmessungen, Platzangebot, Karosserie
- Innenraum, Verarbeitung, Materialien
- Motor, Getriebe, Fahrleistungen
- Fahrwerk, Lenkung, Federung, Fahrverhalten
- Assistenzsysteme und Sicherheit im Volvo V60
- Infotainment, Radio, Bedienung
- Ausstattung, Preis und Kosten beim Volvo V60
- Technische Daten Volvo V60 (2. Generation) D4
Früher sahen Volvo-Kombis so aus, als hätten Kinder sie skizziert. Sechs gerade Linien, harte Kanten, rechte Winkel. Das endete spätestens im Jahr 2016 mit dem V90. Seit 2018 bekommt der Unterstützung von unten: Der V60 ist eine gefällige Alternative zu den deutschen Mittelklasse-Kombis Audi A4 Avant, BMW 3er Touring und Mercedes C-Klasse.
Gefällig meinen wir wörtlich. Unser Testwagen dreht einige Köpfe auf dem Supermarktparkplatz und bringt sogar den grummeligen Nachbarn zum Größen. Die Meinung: hübsch. Ein guter Anfang, aber nicht genug - letztendlich ist bei Autos die Anfahrt wichtiger als der Auftritt, Praktikabilität schlägt Prestige. Was der V60 noch kann? Das zeigt er uns als D4 mit Automatik und Frontantrieb.
Abmessungen, Platzangebot, Karosserie
Mit 4,76 Metern ist der V60 etwas länger als die deutsche Konkurrenz und seine direkten Vorgänger. Er ist breiter und flacher, der Radstand nimmt mit 2,87 Metern deutlich zu. Das spüren vor allem die Mitfahrer in Reihe zwei. Hinten gibt es viel Beinfreiheit, aber leider einen erschwerten Einstieg wegen der hohen Flanken. Der Mittelplatz taugt nur für kurze Strecken, der Kardantunnel nimmt zu viel Platz ein. Aus dem gleichen Grund gibt es zwischen den Vordersitzen wenig Stauraum, trotz einer riesigen Mittelkonsole.
Der Kofferraum des V60 wuchs auf 510 Liter. In die Bodenplatte lässt Volvo einen praktischen Raumtrenner ein, der zum Beispiel Einkaufstüten fixiert. Mit umgelegter Rückbank steigt das Ladevolumen auf 1.441 Liter. Die Lehne lässt sich vom Kofferraum aus umklappen. Ein schönes Detail, das es schon lange bei Volvo gibt: Die hinteren Kopfstützen lassen sich vom Fahrersitz aus elektrisch umklappen.
Das verbessert die Sicht nach hinten. Generell überblickt man den V60 recht gut. Nur die breite B-Säule stört beim Schulterblick nach links.
Innenraum, Verarbeitung, Materialien
Volvo steckt viel Arbeit in die Ausstattung des Innenraums. Der Testwagen erinnert uns an ein skandinavisches Design-Hotel: Helles Holz, weißes Leder, ein markanter Touchscreen und viel Tageslicht über das Panoramaglasdach (3.000 Euro im Paket). Alle Materialien fühlen sich toll an. Großzügig unterfüttert ist leider nur die Armlehne an der Türverkleidung.
Die Mittelkonsole mag nicht so recht zum tollen Innenraumdesign passen. Glitzernde Oberflächen wirken zu feminin für ein Auto mit einem Maskulin-Zeichen im Emblem, es ist zu viel Disco für einen coolen Schweden. Zum Glück beschränkt sich Volvo auf diesen einen Ausrutscher.
Mit dem “Sitz-Komfortpaket” (2.700 Euro) kommen zusätzliche Verstellmöglichkeiten in den V60. Per Knopfdruck schmiegen sich die Sitzwangen enger an den Körper. Dabei entsteht noch kein echter Sportsitz, oben am Rücken fehlt es an Seitenhalt. Aber es sitzt sich besser, zumal auch die Beinauflage verlängert werden kann. Vorn sitzt man verhältnismäßig hoch, hinten etwas zu niedrig.
Motor, Getriebe, Fahrleistungen
Volvo findet: Mit Vierzylindern lässt sich das gesamte Leistungsspektrum für ein Auto der Mittelklasse abbilden. Unterstützt von zusätzlichen Elektromotoren gibt es maximal 390 PS - tatsächlich mehr als genug. Dennoch ist die Taktik mit kleinen Quermotoren nicht üblich. Direkte Konkurrenten bieten Sechs- und Achtzylinder an.
In unserem Testwagen arbeitet ein 2,0-Liter-Diesel mit 190 PS, der über eine Achtgang-Automatik die Vorderachse antreibt. Haustuner Polestar programmiert optional 10 weitere PS und mehr Drehmoment in das Steuergerät, macht den V60 D4 in den Standarddisziplinen damit aber nicht schneller.
Die maximale Kraft von 400 Newtonmetern liegt von 1.750 bis 2.500 Umdrehungen konstant an. Zwischen 2.000 und knapp 5.000 Touren läuft der Diesel stark und souverän. Viel besser passt aber entspanntes Gleiten zum Auto.
Das liegt zum Teil an der Achtgang-Wandlerautomatik. Der nächste Gang kommt sanft und früh, ruppige Wechsel liegen ihr in allen Modi fern. Bei ruhiger Fahrweise macht die Autmatik alles richtig. Aber je flotter der Fahrer fährt, desto unsicherer wird sie. Unerwartete Kickdowns bestraft sie mit Gedenksekunden.
Wer flott fahren möchte, sollte den Handschalter wählen. Das manuelle Getriebe gibt es beim D4 allerdings nur in Verbindung mit Frontantrieb. Ein kräftiger Plug-in-Hybrid wäre ebenfalls eine gute Alternative, denn der Diesel hat es nicht leicht: Der V60 D4 wiegt rund 1,85 Tonnen. Wir verbrauchen zwischen 9 und 10 Liter im zähen Stadtverkehr sowie 7 bis 8 Liter außerorts. Das liegt noch im Rahmen, ist aber weit weg von der Norm.
Fahrwerk, Lenkung, Federung, Fahrverhalten
Volvo findet einen angenehmen Kompromiss zwischen komfortabel und kontrollierbar. Zur Schaukel wird der V60 nie, auch nicht im weichsten Modus. Den Unterschied zu “Dynamik” spürt man ohnehin erst auf hartem Kopfsteinpflaster. Neben der Dämpferkennlinie beeinflusst das Fahrprogramm außerdem Lenkwiderstand, Gasannahme und - sonst nur selten zu finden - das Ansprechverhalten der Bremse. Im scharfen Modus kommt der Druckpunkt früher und klarer definiert.
Der Eingriff des Stabilitätsprogramms lässt sich nur verzögern, nicht deaktivieren. Dann neigt er zum Untersteuern, im Lenkrad kommen verstärkt Antriebseinflüsse an. Giftig wird der Volvo dann nicht. Soll er ja auch nicht. Man kauft ihn zum Gleiten, nicht zum Heizen. Beim Cruisen stört allerdings die Lenkabstimmung. Rund um die Mittelstellung ist der V60 in jedem Fahrmodus zu nervös.
Assistenzsysteme und Sicherheit im Volvo V60
Immerhin hilft der Volvo seinem Fahrer beim Lenken. Der “Pilot Assist” hält mittig seine Spur und hängt sich über den adaptiven Tempomaten an den Vorausfahrenden, er bremst und beschleunigt autommatisch. Das System arbeitet Vom Stillstand bis Tempo 130. Je schneller man fährt, desto besser erkennt es die Straßenmarkierungen.
Eine Anzeige im Tacho gibt an, wann die teilautonome Fahrhilfe bereit ist. Darauf sollte man sich allerdings nicht verlassen, denn mitunter verliert der Volvo seine Spur, obwohl laut Anzeige noch alles in Ordnung ist. Der Spurhalteassistent ist in dieser Situation machtlos, er nutzt dieselben Sensoren.
Hilfreich: Das 360-Grad-Kamerasystem simuliert auf dem Infotainment-Bildschirm das Videobild einer Drohne, die über dem Auto schwebt. Das hilft beim Rangieren auf engen Höfen oder beim parallel Einparken. Nur beim Einfädeln in eine rechtwinkelige Parklücke entstehen verzerrte Bilder, hier sollte man sich auf die Spiegel verlassen.
Infotainment, Radio, Bedienung
Im V60 steuert ein Touchscreen im Tablet-Format die meisten Funktionen. Volvo programmiert ein logisches Menü, lässt auf dem Bildschirm aber viele Unterpunkte gleichzeitig anzeigen. Das lenkt uns beim Fahren regelmäßig ab. Echte Tasten gibt es nur noch soweit nötig.
Wer nicht touchen möchte, kann mit seinem Volvo sprechen. Einige Einstellungen und die Adresseingabe lassen sich per Sprachsteuerung bedienen. Die arbeitet nicht so lässig wie auf modernen Smartphones oder im MBUX-System von Mercedes. Wer laut, gut betont und deutlich spricht, macht sein Anliegen aber irgendwann klar.
Ausstattung, Preis und Kosten beim Volvo V60
Den V60 gibt es als Basismodell und in drei zusätzlichen Ausstattungsvarianten. LED-Lampen, Tempomat, Spurhalteassistent, das Infotainmentsystem und eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik sind im Basis-V60 serienmäßig dabei. Mit dem kleinen Diesel (150 PS) kostet der V60 38.100 Euro. Der getestete D4 startet in “Momentum”-Ausstattung bei 45.300 Euro.
Vieles von dem, was wir an unserem Schweden besonders schätzten, kostet extra. Das Panoramadach kostet im Paket mit Kunstleder auf dem Armaturenbrett, Vier-Zonen-Klima und Head-up-Display 2.700 bzw. 3.200 Euro.
Der Tot-Winkel-Assistent kommt im “Intellisafe-Pro”-Paket für 1.750 Euro und bringt Ausparkhilfe, Heckaufprallabschwächung und den adaptiven Tempomat mit. Das Sitzkomfort-Paket kostet 2.600 bzw. 2.750 Euro, abhängig von der Motorisierung. In Summe kostet der getestete Volvo V60 D4 Inscription 72.530 Euro. Alternativ bietet Volvo eine Art Flatrate-Miete an. Mit vergleichbarer Motorisierung und Ausstattung kostet der V60 weniger als die Konkurrenz aus Deutschland.
Volvo positioniert den V60 klar im Segment. Er sieht gut aus und schwebt komfortabel. Das dürfte für viele als Argument genügen. Für Sport taugt er nicht, hier stören Gewicht und Abstimmung. Schnell ist er trotzdem, auch als D4. Wenn er schneller fahren soll, erledigt das eine starke Plug-in-Hybrid-Variante. Die haben übrigens noch nicht alle deutschen Hersteller im Programm.
Technische Daten Volvo V60 (2. Generation) D4
Modell: Volvo V60 D4 Inscription
- Motor: 2,0-Liter-Vierzylinder-Diesel
- Leistung: 190 PS (140 kW)
- Drehmoment: 400 Nm
- Getriebe: 8-Gang-Automatik, Frontantrieb
- 0-100 km/h: 7,9 s
- Höchstgeschwindigkeit: 220 km/h
- Verbrauch: 4,5 l/100 km
- CO2: 119 g/km
- Abgasnorm: Euro 6 d-Temp
- Länge: 4.761 mm
- Breite 1.850 mm
- Höhe: 1.427 mm
- Radstand: 2.872 mm
- Leergewicht: 1.844 kg
- Kofferraum: 529 bis 1.441 l
- Basispreis Volvo V60: ab 38.100 Euro
- Basispreis D4 Inscription: ab 50.950 Euro
- Preis Testfahrzeug: 72.530 Euro