Der Renault Kadjar im Test: Ausstattung, Preise, Navi, Antrieb
Das Segment der Kompakt-SUV brummt. Renaults Angebot kommt mit guter Ausstattung, günstigen Preisen und einem Antrieb, den auch Mercedes nutzt. Überzeugt der Kadjar im Alltag?
Nein – eine originelle Idee waren kompakte SUV nicht mehr, als der Renault Kadjar 2015 an den Start ging. Heute drängeln sich rund 40 Konkurrenzmodelle im Segment. Gut, dass Renault mit dem Kadjar ein etabliertes Modell anbietet. Er entstand ursprünglich als technische "Zweitverwertung“ des erfolgreichen Schwestermodells Nissan Qashqai. Dessen Erfolg in Europa erreichte er zwar nie. Dennoch erfüllt der Kadjar mit stabil sechsstelligen Absatzzahlen die Erwartungen von Renault.
Anfang 2019 überarbeitete Renault den Kadjar, Schwerpunkt: Sparsamere, saubere Motoren für künftige Abgasnormen. Ansonsten hat sich nicht viel geändert. Der Renault Kadjar soll eine vernünftige, bezahlbare Alternative in seinem Segment bleiben. Everybody’s Darling also.
Renault Kadjar: Abmessungen, Platzangebot, Karosserie
Mit 4,49 Metern Außenlänge und 1,83 Metern Breite (ohne Spiegel) erreicht der Renault Kadjar fast exakt VW-Tiguan-Dimensionen. Im sogenannten „Packaging“ nicht ganz: Mit 472 Litern fällt der Kofferraum kleiner aus. Die asymmetrisch geteilte Rückbank des Kadjar ist zudem nicht verschiebbar. Immerhin: Wer sie umlegt, erzielt eine fast ebene Ladefläche und schafft 1.478 Liter gut nutzbaren Stauraum. Der herausnehmbare Ladeboden kann einen praktischen Raumteiler abgeben. Wer sperriges Gepäck transportiert, klappt die Lehne des Beifahrersitzes nach vorne.
Auch beim Raumangebot für Passagiere gilt: Der Kadjar bietet ein ordentliches Niveau, aber keinesfalls Klassenbestwerte. Vor allem auf der Rückbank schrumpft das Raumangebot spürbar, wenn der Insasse vor sich einen großen Fahrer dulden muss.
Innenraum, Verarbeitung, Materialien
Im Innenraum des Kadjar verarbeitet Renault einige feine Materialien wie Leder und verchromte Zierleisten. Serienmäßig ist die Lederoptik für Lenkrad und Beifahrer-Haltegriff, die Türverkleidungen sind zum Teil gepolstert. Trotzdem: im französischen SUV überwiegt Pragmatismus. An der Verarbeitung gibt es nicht viel zu kritisieren, aber einige Hartplastik-Flächen wie etwa die Einfassungen des Touchscreens und der Kombiinstrumente wirken schlicht. Auch die Blenden in Alu-Optik fassen sich billig an.
Die Sitze der gehobenen „Bose Edition“ kommen mit weichen Sitzflächen in nylonartigem Textil sowie weichen Flanken in hübscher Lederoptik. Trotz der sportlichen Optik sind es breite Lümmel-Sitze, auf denen man auch lange Strecken gut aushält. Der Seitenhalt fällt geringer aus, als die starke Taillierung vermuten lässt. Die serienmäßig verschiebbare Konsole mit Mittelarmlehne kann abhängig von der Sitzposition etwas nerven. Sehr schön: Das ordentliche Materialniveau im Innenraum hält der Renault Kadjar vom Armaturenbrett bis zur Ladekante durch. Er wirkt hinten nicht deutlich billiger als vorn.
Infotainment, Radio, Konnektivität
Das System R-Link 2 kostet als Einzeloption faire 890 Euro, in der Top-Ausstattung gehört es zum Serienumfang. Es bietet für den Preis einen beachtlichen Funktionsumfang. Obwohl Renault im Kadjar den Notruf eCall nicht anbieten muss (und nicht anbietet), verfügt R-Link2 über eine eigene Online-Verbindung mit Zugang zu einem App-Store, über den Zusatz-Funktionen wie W-Lan oder TomTom Live-Traffic gebucht werden können. Live-Daten werden ab Aktivierung drei Jahre kostenlos angeboten, danach kosten sie extra. Das Smartphone koppelt per Android Auto oder Apple Carplay, Radio empfängt das System per DAB.
Kleiner Wermutstropfen: Mit dem Einbau des 7-Zoll-Touchscreens entfällt der serienmäßige CD-Player. Leider können weder die grafische Aufbereitung der Menus noch die Sensibilität des Touchscreens mit den technischen Möglichkeiten des R-Link 2 mithalten. Die Entscheidung, zum Facelift Funktionen wie Lautstärke und Home-Knopf von echten Tasten auf den Touchscreen zu verlegen, erfreut nicht. Immerhin: Mit den Lenkradtasten kann sich behelfen, wer bei der Fahrt nicht damit kämpfen mag (und soll!).
Assistenzsysteme und Sicherheit
Bei der Sicherheit erfordert der Renault Kadjar keine Abstriche. Fünf Sterne gab es beim Euro NCAP Crashtest im Jahr 2015. In allen vier Bewertungskategorien schneidet der Kadjar gut bis sehr gut ab. Bei der Assistenztechnik liefert Renault allerdings nicht viel, das den Komfort verbessern könnte. Lieferbar sind etwa Totwinkel-Assistent, Notbremse, und Spurhaltewarner – nicht aber ein adaptiver Tempomat oder andere autonome Funktionen. Der Parkassistent übernimmt lediglich das Steuer beim Einparken. Zum Ausgleich kostet das Assistenzpaket (je nach Ausstattung) maximal 900 Euro.
Kritikpunkt sind die nervösen Parkpiepser, die nicht immer hilfreich sind – schon gar nicht, wenn der Kadjar an der Ampel steht und vor einem Auto warnt, das auf der benachbarten Spur an die Ampel heranrollt. Hier hätte Renault im Rahmen des Facelifts gern etwas praxisnäher kalibrieren dürfen.
Antrieb, Motor, Getriebe
Primär verfolgte Renault mit dem 2018er Facelift das Ziel, den Kadjar auf neue Abgasnormen vorzubereiten. Auf die strengere Euro-6d-Regelung reagierte die Renault-Nissan-Allianz mit einem 1,33-Liter-Vierzylinder-Benziner. Der Alllzweck-Antriebsstrang kommt im Kadjar mit wahlweise 140 oder 159 PS sowie manueller Sechsgang-Schaltung oder 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe (EDC). Er findet sich in dieser Form nicht nur in vielen Renault- und Nissan-Modellen, sondern auch in Mercedes-Kompaktmodellen.
Im Testwagen steckt der 159-PS-Top-Benziner mit Siebengang-Automatik. Dass er ein Vierzylinder ist, kann der Turbomotor ganz gut kaschieren: Vor allem beim Anfahren klingt er rau wie ein Dreizylinder, auch bei Landstraßengeschwindigkeit bleibt er gut hörbar. Erst auf der Autobahn verschwindet sein rauer Lauf in den Windgeräuschen der SUV-Karosse.
In der Stadt fremdelt der Allianz-Antriebsstrang deutlich. Beim Anfahren nervt die Gedenksekunde der Start-Stopp-Automatik, die den Motor eine Nuance zu spät anwirft. Wer darauf reflexhaft mit mehr Gasdruck reagiert, fährt zu oft mit quietschenden Reifen von der Ampel – uncool, aber auch wenn man es weiß nicht immer zu vermeiden.
Das Doppelkupplungsgetriebe nervt auch bei niedrigen Geschwindigkeiten. Es produziert Rubbeln und Stottern, gefolgt von nervigem Hochdrehen des Motors, weil das Getriebe sich nicht für einen passenden Gang entscheiden kann. Letzteres stört auch beim Ausrollen. Ein wenig Abhilfe ist möglich: Im Eco-Modus schaltet das Getriebe früher hoch und bietet weniger Antritt, aber mehr Komfort. Schade eigentlich: Ab etwa 40 km/h aufwärts überzeugt der Antriebsstrang. Bei Sprints schiebt der Turbo kräftig mit, Traktoren lassen sich ohne Angst überholen. Der Verbrauch ist akzeptabel: Überlandpassagen ohne viele Schaltvorgänge absolvierte der Kadjar mit etwa 5,5 l/100 km, im dichten Stadtverkehr lässt sich das 1,5 Tonnen schwere SUV mit etwas weniger als 7 Liter bewegen. Nach energischen Autobahnpassagen stehen vertretbare 8,5 l/100 km auf der Uhr.
Fahrverhalten, Fahrwerk, Lenkung
Wer im Auto den Sport liebt, sollte vom Kadjar die Finger lassen. So schlicht lässt sich die Auslegung des Renault-SUV beschreiben. Renault orientiert sich am französischen Geschmack und stimmt das Fahrwerk nachgiebig und gutmütig ab. Kopfsteinpflaster und schlechte Straßen bleiben damit weitgehend draußen, sanft wiegt das SUV über schadhafte Straßenbeläge hinweg. Schlaglöcher und Schwellen gibt die etwas schlicht abgefederte Verbundlenker-Hinterachse jedoch recht direkt weiter.
Die Lenkung reagiert leichtgängig und etwas synthetisch, aber nicht unpräzise. Im Gegenteil, sie passt ausgesprochen gut zum mühelosen, gutmütigen Charakter des Kadjar und erlaubt auch im städtischen Gewusel ein genaues Platzieren des SUV auf engen Fahrspuren. Das nimmt dem Auto gefühlt etwas Sperrigkeit und reduziert den Stress im Feierabendverkehr.
Ausstattung, Preis, Fazit
Der Kadjar startet bei 22.790 Euro Listenpreis. Dafür bekommt der Renault-Kunde ein geräumiges Kompakt-SUV mit 140-PS-Benziner, Klimaanlage, Radio und geteilter Rücksitzbank. Wer rund 3.000 Euro drauflegt, freut sich zusätzlich an Leichtmetallfelgen, elektrisch abklappenden Außenspiegeln, schlüssellosem Zugang, Klimaautomatik oder Licht- und Regensensor.
Die Topversion „Bose Edition“ mit Soundsystem, LED-Scheinwerfern, Navi und Assistenzpaket startet bei 30.890 Euro Listenpreis. Unser Testwagen addiert den großen Benziner (159 PS) und das Doppelkupplungsgetriebe, daneben das „Protection“-Paket und Metalliclack: Macht 35.250 Euro laut Preisliste.
Damit positioniert Renault den Kadar sehr wettbewerbsfähig. Zum Vergleich: Ein vergleichbar ausgestatteter Opel Grandland X mit 180-PS-Benziner liegt nach Liste bereits oberhalb der 40.000 Euro. Das Gleiche gilt für einen VW Tiguan mit 150 PS und 7-Gang-DSG. Hinzu kommt: Beim Listenpreis zeigt sich mancher Renault-Händler durchaus flexibel. Einen neuen Renault Kadjar gibt es auf mobile.de bereits ab 16.000 Euro. Unseren hervorragend ausgestatteten Testwagen findet man als Tageszulassung oder EU-Fahrzeug mit fast 10.000 Euro Nachlass (September 2019).
Unter dem Strich: Der Renault Kadjar begeistert vielleicht nicht jeden. Aber wer sich für ihn entscheidet, macht sicher nichts falsch. Das Renault-SUV ist nicht besonders geräumig, aber für die vierköpfige Familie groß genug. Der Antrieb arbeitet nicht allzu kultiviert, aber bietet ordentliche Fahrleistungen und säuft nicht. Die Abstimmung gerät etwas weich, nervt aber nicht. Bei Konnektivität und Assistenz fehlt der letzte Schliff, aber überwiegend liegt der Funktionsumfang auf der Höhe der Zeit. Und: Höchstwahrscheinlich sprengt der Kadjar nicht die Bank. Ein solides Paket also.
Renault Kadjar: Technische Daten
- Modell: Renault Kadjar TCe 160 EDC GPF
- Motor: 1,3-l-Turbo-Vierzylinder-Benziner
- Leistung: 159 PS (117 kW)
- Drehmoment: 260 Nm b. 1.750 U/min
- Antrieb: 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, Vorderräder
- 0-100 km/h: 9,3 s
- Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h
- Normverbrauch: 5,8 l/100 km
- Testverbrauch: 5,5-8,4 l/100 km
- CO2: 137 g/km
- Länge: 4.489 mm
- Breite: 1.836 mm
- Höhe: 1.613 mm
- Radstand: 2.646 mm
- Leergewicht: 1.546 kg
- Kofferraum: 472-1.478 l
- Anhängelast: 1.500 kg
- Basispreis Renault Kadjar: 23.090 Euro
- Testwagenpreis: 35.250 Euro